Renazifizierung

Klaus Madersbacher (antikrieg)

Sogar von denen, die selbst fleißig an der „Bewegung nach Rechts“ mitziehen / mitschieben / mitpeitschen ist immer öfter zu hören, dass „sich die Politik nach Rechts bewegt,“ „ein allgemeiner Rechtstrend unübersehbar ist“ usw. usf.

Das klingt ja nicht schlecht, wenn sich möglichst viele Menschen Sorgen um unsere politische Zukunft machen, dass die nicht zu weit nach rechts geht. Zu weit ist ja nie gut, wie wir wissen.

„Wer in der Jugendzeit nicht links ist, der ist nicht normal, und wer im reifen Alter noch immer links ist, der ist auch nicht normal.“ So oder so ähnlich wird „links sein“ als Privileg der vorlauten /stürmischen Jugend abgetan, die erst draufkommen muss, was wirklich Sache ist.

Was ist Sache?

Sache ist zum Beispiel, dass diejenigen, die – zumindest in den Augen der Linken – zu wenig bekommen, eigentlich zu viel kriegen – so sehen es die Rechten. Dass jemand zu viel besitzen könnte, ist nicht Sache. Wenn zum Beispiel 60 Leute die Hälfte des gesamten Weltvermögens besitzen, dann ist das höchstens interessant und beweist, wie weit man es in unserer freien Gesellschaft bringen kann, und der eine oder andere Naivling wird vielleicht fragen, was die alles geleistet haben, um so reich zu werden. Aber es ist nicht Sache.

Renazifizierung klingt natürlich sehr hart.

Eigentlich handelt es sich nicht um Renazifizierung, denn diese setzt voraus, dass eine Entnazifizierung vorausgegangen ist. Offiziell gab es nach dem Untergang des Nazireichs eine Entnazifizierung. Wer das Pech hatte, sich als Nazibonze oder Naziaktivist unbeliebt gemacht zu haben, den ereilte nach der Niederlage des Dritten Reichs die Rache. Er musste ins zweite, dritte Glied zurücktreten und ein paar Jahre warten, bis er wieder zu höheren Würden gelangen konnte. Das darf man nicht verallgemeinern, einmal lief es so, einmal ging es nicht, aber im Großen und Ganzen hatte der normale Nazi nichts oder nicht viel zu befürchten.

Der normale Nazi – wer war das?

Der normale Nazi war der damalige opportunistische Anhänger der „herrschenden Strömung“, vergleichbar mit den Mitgliedern irgendwelcher Parteien, die ihren Mitgliedern Vorteile bieten können, die andere Menschen nicht so einfach bekommen. Geh zur Partei, dann bekommst du leichter einen Job, eine Wohnung usw. Welche Partei, das liegt an den jeweiligen Gegebenheiten.

Angeblich sind Parteien Gesinnungsgemeinschaften – was den einen ihre christliche, ist den anderen ihre sozialdemokratische, freiheitliche, kommunistische oder was immer „Gesinnung“. Die heutigen staatstragenden Parteien präsentieren sich mehr oder weniger als prinzipienlos, gesinnungsfrei und austauschbar. Wir sind gut, die anderen sind nicht so gut/weniger gut/schlecht ist alles, was das Fußvolk wissen muss. Über die Medien wird der Eindruck verbreitet, dass es zwischen den Parteien ideologische Unterschiede gibt. Im Sinne des „teile und herrsche“ ist das wichtig.

Nachdem man damit baden gegangen ist, macht „Heil“-Geschrei nicht mehr viel Sinn, es sei denn, man ist voll besoffen und vielleicht ein Jugendlicher, der groß die Werte verkünden will, die ihm seine Vorbilder beigebracht haben. Dass er damit den Nationalsozialismus propagiert und den Staatsanwalt aufs Spiel ruft, der zu dessen Bekämpfung verpflichtet ist, das weiß der Besoffene nicht – vielleicht nicht einmal der Staatsanwalt, der halt seine Pflicht erfüllt …

Die wenigsten wissen, dass die Naziführer seinerzeit aufgehängt wurden, weil sie wegen des Verbrechens gegen den Frieden zum Tod verurteilt wurden, da sie einen Angriffskrieg begonnen haben.

Verbrechen gegen den Frieden? Kennen wir nicht.

Verbrechen gegen Eigentum, Verbrechen gegen Leib und Leben, Verbrechen gegen dies und das – unser Verbrechenskatalog umfasst alle möglichen Verbrechen und Dummheiten, mit denen die Rechtssprechung sich zu beschäftigen beliebt. Aber Verbrechen gegen den Frieden?





Das Verbrechen gegen den Frieden wurde gleich nach dem Zweiten Weltkrieg anders gesehen als heute. Inmitten von zerstörten Städten und Orten, mit frischen Erinnerungen an Tod und Vernichtung war das Bestreben stark, es nie mehr so weit kommen zu lassen. „Nie wieder“ hieß es quer durch alle politischen Gruppierungen. Und da noch in frischer Erinnerung war, dass ungehemmtes Gewinnstreben und rücksichtslose Ausbeutung ursächlich mit dem Krieg zu tun hatten, lesen sich die Parteiprogramme der damaligen Zeit wie die reinsten linken Manifeste. Es wollte ja niemand verkünden: Mir nach! Auf in den nächsten Krieg! Die Nazi-Epigonen verhielten sich klugerweise ruhig und traten erst in Erscheinung, nachdem einiges Gras über die entsetzlichen Dinge gewachsen war, die ihre Vorläufer im Ungeist betrieben hatten.

Was ist auch schon Frieden?

Nix los, alles einigermaßen paletti, wohin fahren wir im nächsten Urlaub, ein neues Auto muss her, die Küche gehört auch langsam ausgetauscht …

„Die Zukunft gehört UNSEREN Kindern!“ stand auf dem Transparent, das erkennbar europäische/amerikanische Typen hochhielten, inmitten von irgendwelchen Eingeborenen …

Frieden ist, wenn wir ungestört unser normales Leben führen können.

Frieden ist, wenn wir es uns gut gehen lassen können …

… auf der Butterseite des Planeten.

Allerdings sind wir nicht die Herren des Planeten – auch nicht die Damen und Herren in Berlin und in anderen bedeutenden Machtzentren, auch nicht die noch viel mächtigeren Herrschaften in Washington. Der Planet ist keine Spielwiese, auf der man sich ungestraft austoben kann.

Der Planet ist ein abgeschlossener Bereich, der allen seinen Bewohnern ein Auskommen bietet, sofern sie sich über die Nutzung der vorhandenen Ressourcen einigen. Er kann allen seinen Bewohnern sogar ein gutes Auskommen bieten, wenn sie eine gerechte Verteilung zusammenbringen. In dieser Beziehung hapert´s noch, aber die großräumige historische Entwicklung lässt uns zuversichtlich in die Zukunft blicken, wie etwa John Walsh (> LINK) ausführt.

Das große Wunder, dass die 60 Herren über das halbe Vermögen des Planeten ihren Mitmenschen das zur Verfügung stellen, was sie selbst mit einem ultraluxuriösen Lebenswandel nicht verbrauchen können, werden wir nicht erleben.

Viel eher werden wir erleben, dass die Völker der Dritten Welt sich wieder erheben und sich das nehmen werden, was ihnen gestohlen und vorenthalten wurde und wird. Es würde genügen, wenn sie ihre Produkte nur unter Einhaltung gerechter Handelsbedingungen verkaufen, um den Westen in eine heillose Krise zu stürzen. Eine Räuberbande lässt sich nicht so einfach auf „ehrlich“ umstellen.

Wir täten gut daran, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen, weil wir direkt von den Auswirkungen der Politik unserer Herrschenden gegenüber dem „Rest“ der Welt betroffen sein werden.

Die Nazis propagierten, dass das deutsche Volk dazu bestimmt ist, über die Welt zu herrschen. Die anderen Parteien hatten dem nicht viel entgegenzusetzen, so dass mittels Einschüchterung und terroristischer Ausmerzung der politischen Gegner die Nazipartei letztlich die Macht „ergreifen“ konnte. Damit war der Weg zum Krieg frei und wurde dann auch beschritten.

Heute sind es die Vereinigten Staaten von Amerika, denen „die Geschichte die Rolle des Beherrschers der Welt übertragen hat,“ wie man in Washington weiß. Das heißt, der deutsche „Übermensch“ ist out, außer vielleicht bei denen, die schon vergessen haben, dass Deutschland unter Führung der Nazis den Zweiten Weltkrieg VERLOREN hat.

Das trifft auch auf diejenigen zu, die von den „großen Aufgaben“ reden, vor denen Deutschland angeblich steht. Die deutsche Soldaten zu Einsätzen in Kriegen kommandieren, die eindeutig gegen das Internationale Recht sind. Die sich in den Fußstapfen derer bewegen, die nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Verbrechen gegen den Frieden aufgehängt worden sind. Nazi darf man ja nicht sagen, aber „neokonservativ“ und/oder „neoliberal“ sind dasselbe …

Wie sich immer wieder herausstellt, wollen die Deutschen keinen Krieg. Das passt natürlich denen nicht, die aus irgendwelchen Gründen, von denen man nichts hört, sich an Kriegen beteiligen wollen, die sie nichts angehen.

Als Renazifizierung betrachte ich nicht so sehr die diversen Nazikrawalle, so bedauerlich und abzulehnen diese auch sind, und schon gar nicht die Bewegung gegen TTIP und dergleichen, der freiweg das Etikett „rechts“ verpasst wird, sondern eine Entwicklung, in der militärische Einsätze im Ausland, Waffenlieferungen in Krisengebiete, Mithilfe bei der Errichtung von Anhaltelagern und was sonst noch als Nazigrauslichkeiten bis vor kurzem verpönt und tabu war, neuerdings wieder offen verhandelt und als unabdingbar hingestellt und finanziert werden, ohne dass über mögliche Alternativen auch nur nachgedacht wird. 

Ob das nun Christen, Sozis, Grüne, Linke oder Nazis machen, ist egal.

Erstmals erschienen am 1.5.2016 auf antikrieg.com. (Sieht so aus, als würde der Artikel immer aktueller:-))

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5 Kommentare

  1. Ja, das hat was!  

    Zu wissen, daß man nicht allein ist, in seinem Denken, seiner Sicht der Welt!

    Deshalb sind wir ja, u.a., hier. Wenn uns sonst keiner mag …

    "Gleich und Gleich gesellt sich gern", und wenn es nur der Geist ist!

  2. Jürgen
    nee, lass mal. Mach weiter so. So finde ich mich allenfalls bestätigt in meinen Gedanken. In meiner Nähe gibt es eh keinen,der so denkt und fühlt wie ich.

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