Reichtumspyramide: Mehr Millionäre mit immer größeren Geldvermögen

von Fred Schmid (isw)

Welt: 2.158 Milliardäre / 42 Millionen Millionäre – 736 Millionen Bettelarme / 805 Millionen Hungernde.

Im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums veröffentlichte die Welt-Entwicklungsorganisation Oxfam den Bericht „Public Good or Private Wealth?“ (Gemeinwohl oder Privater Wohlstand?). Die Vermögensverteilung ist außer Kontrolle geraten, stellt Oxfam fest, was sich in den enormen Vermögenszuwächsen in den Händen weniger Superreicher und Unternehmen einerseits und in der weltweiten Unterfinanzierung von Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherung niederschlägt.

Und nicht zu vergessen, die Ärmsten dieser Welt. Zwar hat die Armut weltweit abgenommen – insbesondere durch die erfolgreiche Armutsbekämpfung in China – aber nach wie vor lebt jeder zehnte Erdenbürger (2015: 736 Millionen Menschen; Oxfam) in extremer Armut; er muss mit weniger als 1,90 Dollar pro Tag auskommen. 800 Millionen Menschen können sich nicht satt essen, sie hungern und sind lebensgefährlich unterernährt. Ein Bruchteil des Vermögens der Reichen und Superreichen würde ausreichen, um absolute Armut, Hunger und Seuchen in der Welt zu beseitigen und Kindern und Jugendlichen eine zukunftsweisende Bildung und Berufsausbildung zu geben.

Die Oxfam-Berechnungen zur globalen Vermögensungleichheit stützen sich beim Vermögen auf Erhebungen der Schweizer Großbank Credit Suisse in ihrem jährlichen „Global Wealth Report“. Darin findet sich die „Globale Vermögenspyramide“, aus der hervorgeht, dass es 2018 an der Spitze 42 Millionen Millionäre, Multi-Millionäre und Milliardäre – jeder mit einem Gesamtvermögen von mehr als einer Million US-Dollar – gab, insgesamt 0,8 Prozent der Weltbevölkerung (gegenüber 2017 ein Anstieg um 17 Prozent). Diese 0,8 Prozent besaßen insgesamt 44,8 Prozent des Gesamtvermögens auf der Welt (Credit Suisse Global Wealth Databook 2018): 142 Billionen Dollar (eine Zahl mit 12 Nullen); im Durchschnitt 3,4 Millionen Dollar).

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Nach den Erhebungen von Oxfam besaßen 2017 44 Superreiche so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 2018 verfügten 26 Personen über ebenso viel Vermögen wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung – das sind 3,8 Milliarden Menschen. Das Vermögen der Milliardäre wuchs 2018 um 900 Milliarden US-Dollar, täglich um 2,5 Milliarden Dollar (Oxfam-Factsheet, 21.1.19). Allein mit dem Zuwachs ließe sich der Tagessatz für jeden extrem Armen von 1,90 Dollar auf 5,30 Dollar fast verdreifachen – die globale Armut wäre beseitigt. Das Vermögen der Milliardäre ist von 2017 auf 2018 um 12 Prozent gewachsen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung verlor dagegen 11 Prozent, oder 500 Millionen Dollar am Tag. Eine andere Schweizer Großbank – UBS – hat sich auf die Analyse der Milliardärs-vermögen spezialisiert und gibt dazu, zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft pwc, den jährlichen Bericht „Billionaires insigths“ (Milliardärs-Einblicke) heraus. Danach gab es 2017 weltweit 2.158 Milliardäre, die ein Gesamtvermögen von 8,9 Billionen (8.900 Milliarden) Dollar ihr Eigen nannten. Ihr Vermögen hat sich gegenüber dem Jahr 2000 versechsfacht; gegenüber 2007, dem Jahr vor der Weltwirtschaftskrise, ist es mehr als eine Verdoppelung.

Capgemini wiederum, eine der größten Unternehmens- und Vermögensberatungsfirmen, veröffentlicht jährlich einen Bericht zur Entwicklung des globalen Geldvermögens: World Wealth Report. Erfasst werden dabei die sogenannten HNWI-Personen (High Net Worth Individuals) mit einem anlagefähigen Geldvermögen von mehr als einer Million Dollar. Danach gab es 2017 weltweit 18,1 Millionen HNWIs mit einem gesamten Geldvermögen von 70,2 Billionen Dollar; jeder Dollar-Millionär nannte damit fast 4 Millionen US-Dollar sein Eigen (2010: 10,9 Millionen HNWI mit 42,7 Billionen Dollar) (World Wealth Report 2018, Juni 2018). „Anlagefähiges Geldvermögen“, das sind die Gelder, die zu den volatilen Finanzmärkten führen, die Geld- und Immobilienblasen bewirken, an den Aktienbörsen Booms und Crashs auslösen und das ganze Wirtschaftssystem immer mehr zu einem Spekulations-Casino verkommen lassen.





Deutschland: 200 Milliardäre, 2.183 Geld-Millionäre (in $) 2,55 Millionen arme Kinder, 4,1 Mio. Hartz-IV-Empfänger

Auch in Deutschland widerspiegelt sich die krass ungerechte Vermögens-Verteilung der Welt. Nach Berechnungen von Credit Suisse gab es allein in einem Jahr (2017) 253.000 neue Vermögens-Millionäre (Dollar-Basis): insgesamt 2,18 Millionen. Das Geldvermögen überschritt 2018 erstmals die 6-Billionen-Euro-Grenze (2018, 3. Quartal: 6.052 Milliarden): Der Löwenanteil entfiel auf die 1.365 Geld-Millionäre (auf Dollarbasis) in Deutschland (2017). Sie besaßen davon etwa die Hälfte (49 %).

Nach Oxfam verfügt das reichste Prozent der Deutschen über ebenso viel Vermögen wie die 87 Prozent der ärmeren deutschen Bevölkerung. Im internationalen Vergleich zählt Deutschland zu den Industrienationen mit der größten Vermögensungleichheit. 2017 waren 15,8 Prozent der Bevölkerung von Einkommensarmut betroffen – ein Negativrekord – und jedes fünfte Kind galt als arm.

Dafür wird der Geld-Adel immer reicher. Das manager magazin berechnet das Vermögen der 1001 reichsten Deutschen. Zum Bericht 2018 heißt es im Vorspann: „Nie zuvor gab es in Deutschland so viele Milliardenvermögen. Auf 200 Individuen und familiäre Verbünde ist ihre Zahl in diesem Jahr gestiegen. In 2001, als manager magazin diese Zahl erstmals schätzte, waren es gerade mal 69.“ (mm, Okt.,2018). In 17 Jahren also eine Verdreifachung. Doch die Zahl der Geldaristokraten ist nicht nur größer geworden, ihre Schätze haben um einiges zugenommen. 2001verfügten die zehn ultrareichsten Deutschen über 95 Milliarden Euro, 2018 waren es 199 Milliarden. Die Tabellenführung hatten 2018 die Quandts (Susanne Klatten/Stefan Quandt: BMW und anderes) mit 34 Milliarden Euro inne. Die BMW-Arbeiter machten die beiden in einem Jahr um 2.500 Millionen Euro (2017: 31,5 Mrd.) reicher: 6,8 Millionen Euro pro Tag. Ein Arbeiter, der 50 Jahre in den BMW-Werken schuftet, verdient in diesem halben Jahrhundert gerade mal 3,5 Millionen Euro (nach heutiger Lohntabelle). Noch krasser ist das Missverhältnis bei den Einzelhandelskonzernen und Discountern: Dieter Schwarz (Lidl) wurde im vergangenen Jahr um 3 Milliarden Euro reicher, + 8,2 Millionen am Tag. Dafür muss eine Beschäftigte an der Aldi-Kasse mindestens 273 Jahre arbeiten. Nach manager magazin ist die „Verdreifachung der Milliardäre Ausweis unternehmerischen Wagemuts in einem stabilen, weltoffenen und prosperierenden Land“. Der „Wagemut“ der Quandts bestand z.B. darin, dass sie dicke Aktienpakete mit in die Wiege gelegt bekamen, von denen sie jedes Jahr Hunderte Millionen Euro Dividenden kassieren: 2018 für die Geschwister zusammen: 1,14 Mrd. Euro.

Das manager magazin schreibt: „Vergangenes Jahr fühlten wir uns angesichts der Vermögensmehrung an das Märchen vom Sterntaler erinnert, wo die Münzen wie Regentropfen vom Himmel fallen“. Aber nur für die Gold-Marie – auf die Pech-Marie hagelt es Unglück und Not.

Vermögenszuwachs wegsteuern!

Das akkumulierte Vermögen der 200 Milliardäre betrug im Jahre 2018 739,9 Milliarden Euro; pro Kopf 3,69 Milliarden Euro. In Deutschland wurde die Vermögensteuer von der damaligen Kohl-Regierung ab 1997 abgeschafft (1996 letztes Jahr der Erhebung). Allein die Besteuerung der Milliardärsvermögen wäre eine ergiebige Quelle zur Finanzierung sozialer Staatsausgaben, wie Bildung, Familie, Gesundheit, Umweltschutz/regenerative Energien, usw. Bereits ein relativ niedriger Steuersatz von 5 Prozent auf die Milliardärs-vermögen würde ein Steueraufkommen von fast 37 Milliarden Euro erbringen. Er würde zu keinem Eingriff in die Vermögens-Substanz führen, sondern lediglich den weiteren Vermögensaufbau etwas verlangsamen. Selbst ein Steuersatz von zehn Prozent (Aufkommen: 73,8 Mrd.) hätte keine verteilungspolitische Wirkung, sondern würde höchstens den Zuwachs wegsteuern. Denn Milliardäre sind bei der Mehrung ihres Vermögens nicht auf die normalen Zinssätze angewiesen, sie haben dazu andere Hebel, wie Profite, Dividenden, Spekulation, Vermögensverwalter…

Der Artikel ist dem neuen isw-wirtschaftsinfo 55, April 2019, entnommen.

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