Regionalwährungen

Von Michael Winkler

Vielleicht haben sie sogar schon damit bezahlt: Chiemgauer, Regios, Engel… Dieses regional gültige Geld gibt es mittlerweile in zahlreichen Versionen. Dahinter steht keine Notenbank, und es ist auch kein gesetzliches Zahlungsmittel. Es ist aber durchaus legal, und ja, es ist richtiges Geld, denn es erfüllt die Funktion als Tauschmittel. Regionalgeld könnte beispielsweise der Bioladen Hungerhaken herausgeben, das die Eltern von Schulkindern erwerben, damit ihre Sprößlinge nicht bei der Bäckerei Zuckersüß oder der Metzgerei Wohlbeleibt ihr Pausenbrot einkaufen. Natürlich sind selbst die Kinder von Frau Müslizwang intelligent genug, um ihre Hungerhaken bei ihren Mitschülern gegen richtiges Geld einzutauschen, um hin und wieder bei Zuckersüß & Wohlbeleibt schmackhaftes Essen zu konsumieren.

Im Folgenden geht es nicht um die nur in einem einzigen Geschäft gültigen Hungerhaken. Es geht auch nicht um ein Regionalgeld, das gerade in zwei Geschäften und einem Gasthaus in Mittelmietraching-City angenommen wird. Die Region sei ungefähr ein Landkreis bis hin zum Regierungsbezirk, also zwischen 100.000 und einer Million Einwohner, mit mindestens 200 Akzeptanzstellen. Damit sind wir auf ein wirklich wichtiges Wort gestoßen: Akzeptanz. Wenn ich Ihnen als Geschäftsinhaber gesetzliche Zahlungsmittel auf den Tresen lege, also derzeit Euros, dann MÜSSEN Sie diese als Bezahlung akzeptieren. Sie müssen, denn in jedem Schein, in jeder Münze steckt ein Polizeiknüppel, der Sie zur Annahme verpflichtet. Dieser Knüppel fehlt beim Regionalgeld, das wird nur dann zum Zahlungsmittel, wenn Sie dieses Geld AKZEPTIEREN. Sie erklären sich freiwillig bereit, dieses Geld zahlungshalber anzunehmen.

Regional bedeutet, daß nach einer halben Stunde Fahrtzeit keine Akzeptanzstellen mehr auftauchen. In Nordoosterstedt werden Sie keinen finden, der Ihre Chiemgauer annimmt, schließlich müßte der Akzeptierende 800 Kilometer fahren, um dieses Geld wieder auszugeben. Wobei das natürlich freiwillig ist, denn wenn die Inhaberin des örtlichen Batik-Ladens regelmäßig ihre Verwandten in Südbayern besucht, darf sie gerne ein Schild ins Schaufenster stellen, daß sie Chiemgauer akzeptiert.

Welchen Sinn hat das Regionalgeld?

Hier müssen wir zwischen normalen Zeiten und Notzeiten unterscheiden. In normalen Zeiten gibt es überall genug Zentralbankgeld, das Regionalgeld ist ein zusätzliches Zahlungsmittel. Die Idee dahinter ist, daß das Geld in der Region bleibt, weil es nur in der Region ausgegeben werden kann. Zentralbankgeld hingegen fließt aus der Region wieder ab. In Notzeiten hingegen ist das Zentralbankgeld knapp, deshalb geben regionale Institutionen wie Stadtverwaltungen ihr eigenes Geld heraus. Als 1923 die Gelddruckereien kaum mehr mit der Produktion noch höherer Scheine nachkamen, gaben viele Städte ihr eigenes, inflationsstabiles Notgeld heraus, um selbst zahlungsfähig zu bleiben.

Ich möchte jetzt zwei Begriffe einführen: Regio und Globo. Der Regio sei das in der Region gültige Geld, das 20 oder 50 Kilometer weiter schon nichts mehr wert ist, oder allerhöchstens gegen einen Abschlag in das dort gültige Regionalgeld getauscht werden kann. Der Globo sei das überregionale Geld, wobei das nicht heißen muß, daß er zugleich in Los Angeles, Paris und Tokio gültig ist, sondern nur, daß damit in benachbarten Regionen gleichwertig bezahlt werden kann. Es ist nicht zwingend erforderlich, daß der Globo gesetzliches Zahlungsmittel oder Zentralbankgeld ist, ich möchte jedoch beides voraussetzen.

Sie können folglich in allen Geschäften der Region mit Globo bezahlen; wenn Sie verreisen, benötigen Sie unbedingt Globo als Zahlungsmittel. Für die meisten Bankgeschäfte und den Versandhandel sind Sie auf Globo angewiesen, Pendler in die Region möchten in Globo entlohnt werden. In der Region gibt es zahlreiche Akzeptanzstellen, sie können, mit einigen kleineren Einschränkungen, Ihre Einkäufe komplett in Regio abwickeln. Im Prinzip halten Sie es dann so wie viele unserer türkischen Mitbürger, die mitten in Deutschland in türkischen Läden einkaufen, zu türkischen Friseuren gehen und in türkischen Lokalen ihren türkischen Kaffee oder Tee trinken. Höchstens die Behörden sind altmodisch genug, um auf Bezahlung in Globo zu bestehen.

Von unseren türkischen Mitbürgern lernen wir so, wie das Geld in den eigenen Reihen gehalten wird. Die Geschäfte werden mit eigenen Landsleuten abgewickelt, wo immer es möglich ist. Der Regio in Ihrem Geldbeutel erlegt Ihnen die gleiche Disziplin auf. Sie gehen zum Bäcker Zuckersüß und zum Metzger Wohlbeleibt, weil diese Regio akzeptieren, während der Supermarkt Transworld auf Bezahlung in Globo besteht. Zuckersüß kauft sein Mehl von der örtlichen Mühle, die wiederum bei ortsansässigen Bauern einkauft. Wohlbeleibt geht zum lokalen Schlachthof, der ebenfalls die hiesigen Bauern als Lieferanten hat. Transworld hingegen bezieht seine Aufbackwaren aus einer 300 km entfernten Fabrik, sein Fleisch wird 500 km entfernt abgepackt und seine Wassertomaten sind 1.000 km weit gereist.

Schwundgeld

Geld besitzt zwei Funktionen: Zum einen ist es Tauschmittel, dient also zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen, zum anderen ist es Schatzmittel, das als Ersparnisse für spätere Zeiten aufbewahrt wird. Weizen eignete sich als Tauschmittel, selbst wenn ein neues Auto mit einer Lastwagenladung bezahlt werden müßte, als Schatzmittel ist er weniger geeignet. Selbst wenn Weizen sicher vor Mäusen und anderen Schädlingen aufbewahrt würde, verlöre er doch über die Jahre an Gewicht und damit an Wert. Das ideale Schatzmittel ist deshalb Gold, weil das problemlos sogar über Jahrtausende herumliegen kann.

Werden Tauschmittel angespart, also als Schatzmittel dem Umlauf entzogen, führt das schließlich zu einer Geldknappheit, besagen viele Lehrbücher. Die vorgeschlagene Lösung besteht darin, das Schatzgeld wieder als Tauschgeld in Umlauf zu bringen. Das bevorzugte Mittel dafür ist der Zins. Heutzutage ist der positive Zins üblich. Ich bringe mein Geld zur Bank, bekomme einen Schuldschein, der meinetwegen Sparbuch heißt, und erhalte Jahr für Jahr Zinsen für mein dort gelagertes Geld. Natürlich lagert mein Geld nicht wirklich im Banktresor, es wurde von der Bank ebenfalls verliehen, also wieder in Umlauf gesetzt. Der Entleiher bezahlt der Bank dafür Zinsen, deutlich höhere, als ich sie erhalte.

Denkbar ist allerdings auch ein Negativzins, bei dem mein Geld an Wert verliert, genauso wie der Weizen durch Austrocknung an Gewicht. Das beliebteste Beispiel dafür sind die „Brakteaten“ des Mittelalters. Das waren dünne Münzen, zumeist aus Silberblech, die nach einer gewissen Zeit für ungültig erklärt wurden (= „verrufen“). Nach jeder Verrufung erhielt der Geldbesitzer für vier alte Brakteaten drei neue, sein Geld verschwand ihm folglich unter den Fingern. Das so gewonnene Metall behielt die Obrigkeit als Steuern. Bei bis zu vier Verrufungen pro Jahr sicherte das dem Staat beträchtliche Einnahmen.

Was machen Sie am 28. März, wenn Sie wissen, daß Ihnen am 1. April ein Viertel Ihres Geldes abgenommen wird? Sie verfallen in einen Kaufrausch! Alles Geld muß raus, und jeder, bei dem Sie einkaufen, wird sich anstrengen, das Geld ebenfalls loszuwerden. In der schönen Theorie erhöht sich somit die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Jene Theoretiker erklären, daß die Prachtbauten des Mittelalters dank der Brakteaten entstanden sind. Nachdem diese durch Dauergeld ersetzt worden sind, sei die Bautätigkeit eingeschlafen und die Glanzzeit des Mittelalters zu Ende gegangen.

Den Geldtheoretikern entgeht dabei regelmäßig, daß ab 1350 die Pest in Europa gewütet hat. Um große Kathedralen zu bauen, benötigt man zunächst Landarbeiter, die genügend Nahrungsüberschuß erzeugen, um die Bauleute zu ernähren. Wenn ein Viertel oder gar die Hälfte der Bevölkerung wegstirbt, bleiben diese Überschüsse aus, die Städte leeren sich, die Bauvorhaben werden eingestellt. Ich gehe deshalb davon aus, daß nicht die Gier der Kapitalisten, sondern schlicht die Pest für dauerhaftes Geld gesorgt hat.

Heute läßt sich Schwundgeld in beliebiger Stückelung erzeugen. Ein Prozent Wertverlust pro Monat, der durch Einkleben einer Marke auf einen Geldschein wieder ausgeglichen wird, wird bei einigen Regiogeldern praktiziert. Was tun Sie als Wirt, wenn Ihre Gäste am Abend des 31. März bei Ihnen munter draufloszechen? Gelten vor Mitternacht andere Preise? Berechnen Sie den Aufpreis ab einer Stunde vor Ladenschluß, weil Sie dann keine Chance mehr haben, das Geld zum alten Preis loszuwerden? Verkaufen Sie die Wertmarken, die diese Scheine wieder vollwertig werden lassen?

Ganz nebenbei: Die heutigen Globo, ob sie nun Euro, Dollar oder Yen heißen mögen, sind Schwundgeld. Zwar gibt es keine Wertmarken, doch dafür Inflation. Wenn das halbe Pfund Butter statt 1,19 nun 1,29 kostet, ist die Butter nicht wertvoller geworden, sondern der Wert des Geldes ist verschwunden. Es passiert heimlich, eben demokratisch. Selbst die offiziellen Zahlen gestehen das ein: Sie erhalten auf Ihr Sparbuch 0,6% Zinsen und die offizielle Inflation beträgt 2,3%. Ihr Schatzmittel zerfällt folglich.

1. Konvertierbare Regio

Sie gehen zu einer Akzeptanzstelle und tauschen Ihre Globo in Regio. Mit denen können Sie in der Region bezahlen, und wenn Sie die Region verlassen, tauschen Sie Ihre Regio wieder in Globo zurück.

Die Regio sind damit Folklore-Geld, das Sie als Einheimischer benutzen wie Ihren Trachtenanzug, um sich als zugehörig auszuweisen. Urlauber können damit Einheimische spielen. Kleinere Scheine, ein bis zehn Regio, werden als Urlaubsandenken mitgenommen, die Wahrscheinlichkeit, daß sich Sammler die komplette Serie nach Hause legen, schwindet mit der Höhe des Nennwerts. Bei Zwanzigern gäbe es sicher Interessenten, bei Tausendern hört die Liebe ebenso sicher auf.

Sie haben nun eine parallele Währung, die jedoch keine wirklichen Vorteile bietet. Für die Akzeptanzstellen ist es leicht, sich zum Regio zu bekennen, da sie jederzeit in Globo wechseln können. Wenn der Kurs auf 1:1 festgelegt bleibt, kann jede Firma weiterhin in Globo fakturieren, selbst wenn sich in den Registrierkassen nur Regio stapeln. Einen richtigen Grund, zu normalen Zeiten mit Regio zu bezahlen, gibt es nicht.

1.1 Konvertierbare Regio – Schwundgeld

Jeder Depp, der sich Regio andrehen läßt, will diese schnellstens wieder loswerden, bevor die nächste Abwertung zuschlägt. Was zunächst für eine Erhöhung der Geldumlaufgeschwindigkeit sorgt, bewirkt mit der Zeit die Auflösung der Regio. Neben der heimlichen Inflation der Globo schlägt die gezielte Inflation der Regio zu; wer also auf finanziellem Gebiet kein absoluter Masochist ist, wird dieses Regionalgeld schnellstens wieder abschaffen und nie mehr anrühren.

2. Nicht-konvertierbare Regio

Der Tausch in den Regio ist eine Einbahnstraße, Sie können das Geld nur ausgeben, aber nie mehr zurücktauschen. Der Regio ist damit das schlechtere Geld, denn mit Ihren Frankfurter Regio können Sie womöglich nicht einmal in Offenbach einkaufen. Und der Weg von Ulm nach Neu-Ulm führt ebenfalls über eine Währungsgrenze. Bei den Herren Zuckersüß & Wohlbeleibt ist der Regio beliebt, denn sie können den größten Teil ihres Geschäftes damit abwickeln. Wer einmal auf den Regio hereingefallen ist, geht nicht mehr zu Transworld.

Der Regio verdrängt den Globo aus dem Wirtschaftskreislauf, da bevorzugt mit Regio bezahlt wird, wo immer das möglich ist. Betrachten wir jedoch das Autohaus Schröttle, werden die Grenzen des Regio offenbar. Es ist völlig egal, ob Herr Schröttle seine Neuwagen aus Wolfsburg oder Südkorea bezieht, er muß sie mit Globo einkaufen. Mit Regio in der Kasse kann er wenig anfangen, sie höchstens für den Eigenbedarf oder als Arbeitslohn auszahlen. Seine Autos, deren Ersatzteile und was immer von außerhalb zugeliefert wird, gibt er nur gegen Globo ab. Das Möbelhaus Holzwurm hält es ebenso und selbst die Tabakwarenhandlung Sargnagel benötigt überregionale Zahlungsmittel.

Der Einbahnstraßen-Regio ist Folklore-Geld, das zusätzlichen Aufwand verursacht. Enthusiasten werden es sicher gerne nehmen, doch angesichts der Nachteile sollten vernünftige Leute davon die Finger lassen.

2.1 Nicht-konvertierbare Regio – Schwundgeld

Das ist die schlechteste aller Welten. Sie werden die Regio nicht mehr los, und sie verschimmeln auch noch unter Ihren Händen. Spenden Sie Ihre Globo lieber dem örtlichen Waisenhaus, als sie auf diese Weise zu vernichten.

3. Wertstabile Regio

Ich habe gerade nachgesehen: Der Ankaufspreis eines Edelmetall-Händlers für eine Unze Gold (Krüger-Rand) beträgt 1.280,- Euro, für eine Unze Silber (Philharmoniker) 22,60 Euro. Beides wäre eine wunderbare Preisbasis für einen stabilen Regio. Der „Silberkreutzer“ mit 1/20 Unze Feingehalt hätte einen Tageswert von 1,13 Euro, der „Goldbatzen“ mit einem Feingehalt von 1/100 Unze einen Tageswert von 12,80 Euro. Umlaufen könnten beide als Münzen oder als Papiergeld, das in Metall getauscht werden kann.

Damit stoßen wir mit dem Regio in einen Grenzbereich vor. Gold und Silber gelten weltweit, der Regio wäre damit ein echtes Weltgeld, das international akzeptiert werden könnte. Es bliebe nur die Frage der Glaubwürdigkeit. Der rote Schein aus Mittelmietraching verbrieft soviel Gold wie der gelbe Schein aus Palermo und der blaue aus Bengasi. Wollen Sie wirklich Geldscheine annehmen, auf denen ausgewiesene Menschenfreunde wie Josef Stalin oder Pol Pot abgebildet sind? Die Amerikaner hatten Anfang des 19. Jahrhunderts eine gangbare Lösung: Ihre Dollars waren regionale Papierwährungen, die jederzeit in Gold eingetauscht werden konnten. Für einen Reisenden war es jedoch alles andere als ratsam, sein Gold in Dollars zu wechseln, denn die galten nur im Bereich der lokalen Bank. Einen halben Tagesritt entfernt mußte man die Dollars in die lokalen Scheine umtauschen, zu 80% des Wertes. Eine Stadt weiter benötigte man wieder andere Dollars. Das Gold hingegen behielt seinen Wert, landesweit.

Gold und Silber werden an Börsen gehandelt und unterliegen somit einer gewissen Manipulation. In den letzten zehn Monaten haben wir einen geringfügig schwankenden stabilen Goldpreis gesehen, in den letzten zehn Jahren hat sich der Preis allerdings mehr als verfünffacht. Andersherum ausgedrückt: Der Wert des Euro und des Dollar sind auf weniger als 20% gefallen. Gehen wir von dieser Basis aus, wird der wertstabile Regio immer wertvoller.

In der Region entwickelt sich ein paralleles Preissystem, so wie es aus Grenzgebieten zwischen zwei Währungen bekannt ist. Die Geschäfte zeichnen in Globo und in Regio aus. Auf Zehn-Jahres-Sicht sind bei Zuckersüß & Wohlbeleibt die Globo-Preise immer wieder angestiegen, während die Regio-Preise gefallen sind. Inflation in Globo, Deflation in (Edelmetall-)Regio. Das schlechtere Geld verbleibt als Tauschmittel im Umlauf, das bessere wird als Schatzmittel gehortet. Im Endergebnis wird damit genau dem zuwider gehandelt, wofür der Regio gedacht gewesen war, weil eben der Globo zirkuliert und nicht die inflationssichere lokale Währung.

3.1 Wertstabile Regio – Schwundgeld

Ja, Sie können durchaus einen Rettungsring aus solidem Blei gießen, nur wird dieser leider keinen Ertrinkenden über Wasser halten. Einen Silberkreutzer, der eine 20tel Unze Silber garantiert, mit Wertmarken zu versehen, ist reichlich schwachsinnig. Also, haken wir diesen Punkt ab.

4. Notgeld

Bisher habe ich stabile Verhältnisse vorausgesetzt, obwohl wir derzeit eher in stabilisierten Verhältnissen leben. Erich Honecker hat den Fall seiner Mauer erlebt, und Kohl, Genscher und Waigel werden hoffentlich noch die Dankbarkeit des Volkes über ihren Euro erleben. Die Frage ist nicht, ob es den Euro zerbröselt, sondern in welcher Form das geschieht. Die größere Fraktion rechnet mit einem „Haircut“, bei dem Guthaben und Schulden abgewertet werden. Der Umtausch würde so wie 1948 oder wie 1990 erfolgen. Meiner Ansicht nach gehen wir 1:1 aus dem Euro, mit einem Umtausch wie 1998 bzw. 2002, allerdings mit einer nachfolgenden Hyperinflation und Totalrasur wie 1923.

Damit stoßen wir auf den Punkt, an dem es um die Glaubwürdigkeit des Regio geht. Bisherige Regio-Systeme leiten ihre Kaufkraft zumeist aus der Unterlegung mit Globo ab. Die Ausgabestelle hortet für jeden Regio einen Globo, das Regionalgeld ist somit durch das Globalgeld gedeckt. Das Globalgeld hingegen ist mit gar nichts gedeckt. Die umlaufende Menge steht in keiner Relation zu Werthaltigem. Allerhöchstens könnte man sagen, der Euro sei mit US-Dollar gedeckt, und der US-Dollar durch die US-Army, die US-Navy und die US-Air Force.

Der Regio kann im Fall eines Haircut oder einer Rasur die Zentralbank-Währung zumindest zeitweise ersetzen. Der wertstabile, mit Edelmetall unterlegte Regio von Haus aus, der rein papierene Regio dann, wenn das Vertrauen in ihm erhalten bleibt. Notgeld-Regio sind Einbahnstraßen-Regio, sie dürfen nicht in den Globo2 oder Globo3 umgetauscht werden, solange die Verhältnisse noch im Fluß sind.

Das Wichtigste bei den Regio ist die Akzeptanz, wenn alle der Meinung sind, daß diese Regio gültiges Geld sind, funktionieren sie weiterhin als gültiges Geld. Es besteht allerdings die Gefahr, daß das stabilere Notgeld gehortet wird, während Globo2 und Globo3 umlaufen.

Natürlich ist es schwer, eine Prognose für Zeiten zu erstellen, die durch massive Umbrüche nicht vorhersehbar sind. Das Notgeld wird aller Wahrscheinlichkeit keinen Ewigkeitsbestand haben. Der Staat wird dieses Geld schließlich einziehen, zu welcher Konditionen läßt sich nicht vorhersagen. Da der Staat involviert ist, dürfen Sie davon ausgehen, daß die Konditionen sehr schlecht sein werden. Um ein Zahlenbeispiel zu geben: 2,50 Euro = 1 Pfund Butter = 2,50 Regio werden in der ersten Währungsreform zu 2,50 Regio = 1 Pfund Butter = 2,50 Neue Mark. In der zweiten Währungsreform werden aus 2,50 Regio = 1 Pfund Butter = 2.500.000 Neue Mark nunmehr 2,50 Regio = 1 Pfund Butter = 2,50 Supereuro. Danach erzwingt der Staat den Umtausch zu 2,50 Regio = 1 Supereuro.

Mit Regio-Notgeld kämen Sie somit besser durch die Währungsreformen. Allerdings nur dann, wenn die Leute hinter dem Euro genügend Rückgrat besitzen, um diesen Regio durchzuhalten. Wenn dahinter Wirbellose vom Typ deutscher Politiker stehen, verlassen Sie sich lieber direkt auf Gold und Silber. Das Metall kann kein Staat außer Kurs setzen.

4.1 Notgeld – Schwundgeld

Wenn gerade in Notzeiten das rettende Regionalgeld mit Negativ-Zinsen belegt wird, ist das zwar ärgerlich, kann aber nötig sein. Das Schwundgeld erhöht die Umlaufgeschwindigkeit und wirkt dem Horten entgegen. Außerdem sorgt der regelmäßige Verruf für Steuereinnahmen auf kommunaler Ebene, falls die Kommune dieses Notgeld herausgibt. Ich rede hier von extremen Zeiten, in denen die Zentralregierung weitgehend handlungsunfähig ist. Ich wohne in Würzburg, Geld aus Berlin oder aus München käme hier nicht mehr an. Der Würzburger Regio würde es der Stadt erlauben, Altenheime, Schulen und Krankenhäuser lokal zu finanzieren, durch seine ständige Entwertung.

Was in normalen Zeiten das Regionalgeld unattraktiv werden läßt, sorgt in großer Not für Abhilfe. Welches Geld würden Sie bevorzugen? Neue Mark, mit 10% Inflationsrate pro Monat, oder Würzburg-Regio, die alle drei Monate um 25% abgewertet und erneuert werden? Die Mathematik spräche für die Regio, denn mit denen besitzen Sie nach drei Monaten noch 75% Ihres Geldes, während die Neue Mark auf 72,9% gefallen ist.

Schlußbetrachtung

In normalen Zeiten sind Regio gerade einmal Folklore. Wenn eine Supermarktkette eigene Transworld-Taler herausgibt, um ihre Kunden besser an sich zu binden, ist das der gleiche Effekt. Interessant werden die Regio, wenn sie Zusatzeigenschaften als Schatzmittel erhalten, also zu einer echten Parallelwährung mit eigenen Kursen werden. Hieraus erwächst jedoch auch Gefahr: Die regionalen Silberkreutzer und Goldbatzen führen eindrucksvoll den Verfall des staatlichen Zentralbankgeldes vor und werden so leicht als unliebsame Konkurrenz empfunden. Ein paar Spinner, die sich Gold und Silber nach Hause holen und sich daran erfreuen, wie beides im Wert steigt, stören den Staat nicht weiter. Aber umlaufendes Gold und Silber, das diese Wertsteigerung in die Hirne von Hunderttausenden einbrennt, schadet dem Vertrauen ins Zentralbankgeld. Aus diesem Grund wurden im größten Hort der Freiheit, in den USA, umlaufende regionale Silberwährungen verboten.

Die Stunde der Regio schlägt während eines Umbruchs. Das oft zitierte Experiment von Wörgl, mit dem „Freigeld“ des Silvio Gsell, funktionierte während eines solchen Umbruchs. Die große Depression hatte das Deutsche Reich und Österreich voll im Griff, Banken brachen zusammen, es herrschte allgemeine Geldknappheit und Deflation. Da wirkte die Ausgabe eines Regionalgeldes Wunder, wie eine belebende Transfusion. Oder wie ein Onkel aus Amerika, der mit der Gießkanne Dollarmillionen ausstreut.

Es ist immer besser, sich auf Notzeiten vorzubereiten. Wenn das Regionalgeld schon vorhanden und bekannt ist, kann es seine Funktion im Bedarfsfall sofort übernehmen. Allerdings, und damit steht und fällt der Nutzen des Regionalgeldes, sollte man sich die Leute genau ansehen, die es herausgeben. Das lokale Tourismus-Büro ist leider keine gute Adresse dafür, denn dieses betreibt den Regio als reine Folklore. Sobald es ernst wird, geben die öffentlich Bediensteten im Fremdenverkehrsamt nach und lassen den Regio sterben. Stehen dahinter jedoch Geschäftsleute, richtige Firmeninhaber, keine angestellten Manager, dann darf man erwarten, daß diese Herrschaften in Zeiten der Not einen kühlen Kopf und genügend Rückgrat bewahren, um den Regio durchzuhalten.

Insofern lautet mein Urteil ob pro oder contra Regionalgeld: Dafür, denn es ist besser als nichts. Wer jedoch wirklich finanziell vorsorgen möchte, sollte es in Gold und Silber tun. Metall funktioniert seit 5.000 Jahren, Regionalgeld muß erst noch zeigen, was es wirklich kann.

Quelle: Michael Winkler

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