Von Peter Schwarz (wsws)
Das gesamte neue Bundeskabinett traf sich am Wochenende im Schloss Meseberg, 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Die zweitägige Klausur im Gästehaus der Bundesregierung hat inzwischen Tradition. Offiziell dient sie dem „Kennenlernen“ und dem „Teambuilding“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vize Olaf Scholz (SPD) nach dem Treffen erklärten. Tatsächlich ging es darum, die militaristische und arbeiterfeindliche Linie, auf die sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt haben, zu konkretisieren und zu verschärfen.
Das zeigten schon die Gäste und Themen des ersten Tages. Als Gäste waren zuerst DGB-Chef Reiner Hoffmann und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und dann Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geladen.
Beim Treffen mit Hoffmann und Kramer ging es darum, die enge Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Unternehmerverbänden und Regierung zu vertiefen, die in den vergangenen zwanzig Jahren dafür gesorgt hat, dass Deutschland zu einem der ungleichsten Ländern Europas mit einem riesigen Niedriglohnsektor, wachsender Armut und unhaltbaren Zuständen im öffentlichen Sektor geworden ist.
Dieses korporatistische Bündnis wird nun vor dem Hintergrund heftiger Streiks, erst in der Metall- und Elektroindustrie und nun im öffentlichen Dienst, sowie einer Machtprobe zwischen Regierung und Arbeiterklasse im benachbarten Frankreich erneuert, um den Widerstand gegen Sozialabbau und Militarismus zu lähmen und zu unterdrücken.
Die DGB-Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände hatten von Anfang an eine Neuauflage der Großen Koalition unterstützt, die in der Bevölkerung verhasst ist und in der Bundestagswahl abgewählt wurde.
Was Hoffmann und Kramer in Meseberg mit der Regierung genau besprochen und vereinbart haben, wurde nicht bekannt. Vor der Presse forderte der DGB-Chef die Regierung aber auf, ihr reaktionäres Programm, das rechteste seit 1945, möglichst rasch in die Tat umzusetzen. „Sie müssen sich jetzt zusammenraufen und mit der Arbeit beginnen“, sagt er bei seiner Ankunft im Schloss.
Kramer mahnte die Regierung, den Sparkurs weiterzuführen. Die günstige Wirtschaftslage halte nicht auf Dauer, sagte er. „Die Zinswende steht an, Protektionismus in immer mehr Ländern gefährdet unseren Export, Steuersenkungen in den USA und anderen Ländern werden Investitionen umleiten.“ Die Unternehmen bräuchten noch mehr Flexibilität.
Das zweite Thema war eng mit dem ersten verbunden. Die Regierungsklausur fand inmitten der intensivsten Kriegsvorbereitungen gegen die Atommacht Russland seit der Kuba-Krise statt. In den vergangenen Wochen haben die USA und ihre Verbündeten einen Anschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und einen angeblichen Giftgasangriff im syrischen Duma systematisch benutzt, um Russland unter Druck zu setzen und einen Angriff auf Syrien vorzubereiten, der leicht in eine militärische Konfrontation zwischen den beiden führenden Nuklearmächten der Welt münden kann. US-Präsident Donald Trump bedroht Russland inzwischen in einer Sprache, wie man sie seit Hitler und Goebbels nicht mehr gehört hat.
Diese Kriegsvorbereitungen dienen dazu, die westlichen imperialistischen Interessen im Nahen und Mittleren Osten durch eine militärische Eskalation zu verteidigen, nachdem die Kriege im Irak, Libyen und Syrien zu einem Debakel geführt haben. Und sie verfolgen das Ziel, die wachsenden sozialen Konflikte im Innern der USA und Europas nach außen zu lenken. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Regierung einen Krieg entfacht, um der Gefahr eines sozialen Aufstands zuvorzukommen.
Der Besuch von Nato-Generalsekretär Stoltenberg in Meseburg diente zweifellos dazu, die Kriegsvorbereitungen gegen Syrien und Russland zu koordinieren. Aber auch darüber gelang nichts an die Öffentlichkeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) hatten allerdings bereits in den Tagen davor deutlich gemacht, dass sie ein militärisches Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens vorbehaltlos unterstützen.
„Dass solche Giftgasangriffe stattfinden und das wiederholt, ohne dass für diese abscheuliche Verbrechen jemand zur Rechenschaft gezogen wird, ist eigentlich ein nicht haltbarer Zustand“, sagte Maas am Dienstag. Dabei deutet alles darauf hin, dass es sich um eine gezielte Provokation handelt. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass der Angriff überhaupt stattgefunden hat, geschweige denn, dass die syrische Regierung oder Russland dafür verantwortlich sind.
Es gelte nun, den Druck auf Moskau aufrechtzuerhalten, sagte der deutsche Außenminister. Russland verhalte sich nicht konstruktiv. „So kann es nicht weitergehen.“
Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert hatte den angeblichen Giftgaseinsatz schon am Montag als „abscheulich“, „menschenverachtend“ und Verstoß „gegen elementare Regeln des humanitären Völkerrechts“ bezeichnet und erklärt: „Das darf nicht ungesühnt bleiben.“
Die Kanzlerin selbst behauptete am Mittwoch: „Es gibt schwere Indizien, die in Richtung des syrischen Regimes zeigen. Auf der Grundlage werden dann auch die weiteren Bewertungen durchgeführt werden.“ Am Dienstag hatte sie nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko betont: „Wir brauchen eine sehr, sehr deutliche Sprache.“
Staatssekretär Niels Annen (SPD), der im Außenministerium für den Nahen Osten zuständig ist, sagte der Bild-Zeitung, die mit angeblichen Bildern von Giftgasbomben hysterisch für Krieg hetzt, ein „Business as usual“ ließen die Bilder aus Duma nicht zu. „Die Verantwortlichen für dieses Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Auch die Grünen haben sich in den Chor der Kriegshetzer eingereiht. Die grüne Außenpolitikerin Franziska Brantner forderte die Große Koalition auf, „endlich eine aktive Syrien-Politik zu betreiben, um der vom Assad-Regime durch Giftgas und andere Waffen bedrohten Zivilbevölkerung zu helfen“. Von den Angriffen seien auch Kinder betroffen, das dürfe „die Bundesregierung nicht länger hinnehmen“.
Die Meiden beteiligen sich ebenfalls an der Kriegspropaganda. So gibt ein Kommentar von Stefan Kuzmany auf SpiegelOnline unumwunden zu, dass „es keine unabhängige, also von allen Seiten anerkannte Untersuchung des Angriffs auf Duma“ gebe, und dass Trump mit erschreckender Verantwortungslosigkeit „einen Krieg der Großmächte“ provoziere. Dennoch befürwortet er einen Militärschlag: „Und trotzdem kann man zu dem Schluss kommen, dass ein solcher Angriff jetzt nötig und richtig ist: zumindest als symbolischer Akt.“
Vor vier Jahren, anlässlich des 100. Jahrestags des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, hatten zahlreiche Medien und Politiker die These unterstützt, Deutschland sei ohne eigene Schuld in den Ersten Weltkrieg hineingeschlittert, die Christopher Clark in seinem Buch „Die Schlafwandler“ wieder aufgewärmt hatte. Heute marschieren sie bewusst und mit offenen Augen in eine Katastrophe hinein, die das Überleben der Menschheit in Frage stellt.
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