Redaktion politonline
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der immer noch von seinem islamischen Großreich in Afrika und Asien träumt, ist wie der Mann, der jeden Tag eine Brücke überquert, um zur Arbeit zu gehen. Eines Tages ist die Brücke verschwunden, aber er geht immer noch an die gleiche Stelle, um sie zu überqueren. Mit anderen Worten, er leugnet die Realität. Als die Briten, die Regierung Obama und die NATO den Krieg gegen Syrien begannen, benutzten sie Erdogan, sein Bündnis mit den Muslimbrüdern und derart unwahrscheinliche Freunde wie Saudi-Arabien und die Emirate, um die syrische Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen.
Sie alle waren überzeugt, dass Assad innerhalb weniger Wochen weg wäre, genauso wie der libysche Staatschef Gaddafi. Doch ist dies nicht geschehen und wird auch nicht geschehen, vor allem aufgrund der direkten militärischen Beteiligung Rußlands. Das Spiel ist aus, auch wenn Erdogan das offenbar nicht wahrhaben will. Seit die syrische Armee Ende Januar ihren Vorstoß verstärkte, so viel wie möglich von der Provinz Idlib zurückzuerobern, brach die Türkei demonstrativ ihre im Rahmen des Sotschi-Abkommens eingegangene Verpflichtung, die dortigen, unter ihrem Einfluß stehenden terroristischen Gruppen daran zu hindern, Syriens Zivilbevölkerung und Streitkräfte oder die russischen Streitkräfte vor Ort anzugreifen. Was die NATO-Verbündeten betrifft, so haben sich diese geweigert, die türkische Intervention in Syrien zu unterstützen. Dass türkische Soldaten, die unauffällig unter der Flagge von al-Qaida, Jabhat al-Nusra und Hayat Tahrir al-Scham in Syrien wirkten, getötet worden sind, ist nicht als zwingender Grund für die Umsetzung von Artikel 5 der NATO-Charta angesehen worden, da kein türkisches Hoheitsgebiet angegriffen wurde. Darüber hinaus ist Präsident Trump offensichtlich nicht daran interessiert, sich an einem Krieg gegen Rußland zu beteiligen. [1]
Daraufhin verlegte sich Erdogan darauf, die Flüchtlinge in der Türkei als Waffe zu benutzen, um die NATO und die EU zu erpressen, damit sie seinen Traum unterstützen. Aber auch das ist nach hinten losgegangen. So blieb ihm nur, sich wieder an Putin zu wenden, da dieser der einzige Staatschef zu sein scheint, der einen Plan zur Bewältigung der Lage hat. Die beiden Präsidenten trafen sich am 5. 3. in Moskau. Wie es in ›Hurriyet Daily News‹ hieß, drängte Putin seinen türkischen Amtskollegen unter anderem dazu, die Vereinbarungen von Sotschi umzusetzen. Ein Waffenstillstand ist nun mehr oder weniger in Kraft, was bedeutet, dass Rußland und Syrien ihre Eroberungen der jüngsten Offensive nicht aufgeben, und dass der Kampf gegen die terroristischen Gruppen in der Enklave, einschließlich der noch von der Türkei unterstützten, fortgesetzt wird. Der wichtigste Teil des Abkommens betrifft die Öffnung der Autobahnen M5 und M4, eines der Hauptziele der syrischen Offensive. Inzwischen hat die syrische Regierung mit der vollen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Rückendeckung Rußlands die Kontrolle über den Großteil ihres Staatsgebiets wiedererlangt.
Was den amerikanischen Präsidenten angeht, so unterstützt dieser die Regimewechsel-Operation nicht und die NATO ist nicht in der Lage, sich auf neue Abenteuer einzulassen. Diese neue Realität müssen Präsident Erdogan und seine katarischen und britischen Unterstützer erst noch begreifen, aber Putin dürfte seinen Teil dazu beitragen, es ihnen zu verdeutlichen. [2]
Zu obigem Abkommen hat Scott Ritter, der u.a. von 1991 bis 1998 als Waffeninspektor der UNO amtete, folgendes dargelegt: Im Laufe einer Woche, nämlich vom 27. Februar bis 5. März, hatte sich die syrische Provinz Idlib in ein geopolitisches Pulverfaß verwandelt, das die türkischen und russischen Militärs in einen direkten Konflikt zu ziehen drohte. Am 1. März startete die Türkei eine Großoffensive, die als Operation ›Spring Shield‹ bezeichnet wurde und an der Tausende türkischer Soldaten an der Seite von Anti-Assad-Formationen kämpften. Diese Operation verlief bald im Sande; nicht nur der türkische Vormarsch wurde gestoppt, sondern die syrische Armee konnte mit Unterstützung der Hisbollah und pro-iranischer Milizen einen Großteil des in den früheren Kämpfen verlorenen Territoriums zurückerobern. Vor die Wahl gestellt, entweder weiter zu eskalieren und sich den russischen Streitkräften direkt zu stellen oder eine Niederlage auf dem Schlachtfeld hinzunehmen, flog Erdogan stattdessen nach Moskau. Das neue Zusatzprotokoll, das am Freitag, dem 6. März, um Mitternacht Moskauer Zeit in Kraft trat, stellt eine strategische Niederlage für Erdogan und das türkische Militär dar; denn als zweitgrößte, nach höchsten westlichen Standards ausgerüstete und ausgebildete ständige Streitmacht der NATO sollte der nach 9 Jahren ununterbrochener Kämpfe erschöpften syrischen Armee mehr als gewachsen sein. Die syrischen Streitkräfte kämpften jedoch zusammen mit ihren Verbündeten die Türken bis zum Stillstand. Zudem erwiesen sich die von den Türken ausgebildeten und ausgerüsteten Anti-Assad-Kämpfer auf dem Schlachtfeld als Enttäuschung. Einer der Hauptgründe für das türkische Scheitern war die Tatsache, dass Rußland den Luftraum über Idlib kontrollierte und den Türken den Einsatz von Flugzeugen, Hubschraubern und – bis auf eine einzige 48-Stunden-Periode – Drohnen verweigerte, während es offenbar seine eigenen Flugzeuge zusammen mit der syrischen Luftwaffe einsetzte, um sowohl das türkische Militär als auch die verbündeten Anti-Assad-Kräfte zu bekämpfen, obwohl keine Seite offiziell bestätigt hat, dass die Russen die Türken bombardieren, denn das wäre eine Katastrophe für die Gespräche gewesen. Letztendlich waren die Anti-Assad-Kämpfer gezwungen, sich in sogenannten ›Beobachtungsposten‹ zu verstecken, stark befestigte türkische Garnisonen, die im Rahmen des Abkommens von Sotschi eingerichtet worden waren, und sich dort mit den türkischen Streitkräften zu vermischen, um sich vor weiteren Angriffen zu schützen. Die Operation ›Spring Shield‹ erwies sich als eine herbe Niederlage für die Türken und ihre Verbündeten.
Gemäß den Bestimmungen des ursprünglichen Abkommens von Sotschi sollte das türkische Militär die Entfernung schwer bewaffneter Anti-Assad-Kräfte, darunter auch Hayat Tahrir al-Sham (HTS), eine ausgewiesene Terrororganisation, aus sogenannten ›Deeskalationszonen‹ überwachen. Das Versagen bei der Erfüllung dieser Aufgabe, verbunden mit fortgesetzten Angriffen auf syrische Stellungen durch HTS-Kämpfer, war der Anlaß für den Angriff der syrischen Armee in Idlib. Das Zusatzprotokoll, das jetzt in Moskau ausgehandelt worden ist, »bekräftigt« das türkische und russische »Bestreben«, »alle Formen des Terrorismus zu bekämpfen« und »alle terroristischen Gruppen in Syrien auszuschalten«. Gemäß dem Zusatzprotokoll werden die neuen Zonen der Deeskalation durch die Frontlinien in ihrer jetzigen Form definiert, wodurch die mühsam errungenen Fortschritte der syrischen Armee gesichert werden, jedoch Erdogan, der versprochen hatte, die Syrer wieder auf die Positionen zu bringen, wie sie zur Zeit des ursprünglichen Abkommens von Sotschi bestanden haben, in Verlegenheit gebracht wird. Darüber hinaus wird die Autobahn M4 nun durch eine 12 km breite Sicherheitszone (6 km auf jeder Seite) gepuffert und gemeinsam von der Türkei und Rußland patrouilliert, was eine sichere Durchfahrt für den Nutzfahrzeugverkehr garantiert. Diese Patrouillen beginnen am 15. März, was den Türken zehn Tage Zeit gab, um die Evakuierung der Anti-Assad-Truppen aus diesem Korridor zu überwachen – und sie damit nördlich der M4-Autobahn zurückzudrängen, was zunächst das Ziel der syrischen Offensive war.
Obwohl als Waffenstillstandsabkommen ausgestaltet, ist das Zusatzprotokoll, das der Moskauer Gipfel zwischen Putin und Erdogan am 5. März hervorgebracht hat, ein kaum verhülltes Instrument der Kapitulation. Die syrische Regierung hat mit ihrer Offensive alles bekommen, was sie suchte, und die Türken und ihre assadfeindlichen Verbündeten lecken ihre Wunden in einer stark reduzierten Idlib-Tasche. Abgesehen von der Verhinderung eines direkten Konflikts zwischen der Türkei und Rußland bringt das Zusatzprotokoll wenig, was die Situation vor Ort ändert. Die Türkei steht immer noch vor der Aufgabe, die von ihr als Verbündete begrüßten HTS-Kämpfer zu entwaffnen, und die humanitäre Krise, die durch Hunderttausende von Flüchtlingen ausgelöst wurde, die durch die früheren Kämpfe vertrieben wurden, bleibt bestehen. In vielerlei Hinsicht ist das Zusatzprotokoll wie sein Vorläufer, das Abkommen von Sotschi, ein Arrangement, das zum Scheitern verurteilt ist, weil es nur eine unhaltbare Realität aufrechterhält, die erst dann gelöst werden kann, wenn das gesamte syrische Territorium wieder der Kontrolle der syrischen Regierung untersteht. [3]
Es bleibt ferner abzuwarten, ob das jetzt in Moskau zwischen Erdogan und Putin geschlossene Waffenstillstandsabkommen etwas an Erdogans Provokationen gegenüber Griechenland, wo dieser praktisch Flüchtlinge und Migranten zynisch als Waffe mißbraucht, ändern wird. Als grobe Erpressungstaktik werden sie über die Landesgrenze und auf die griechischen Inseln gedrängt, um die EU und die USA zu zwingen, seine scheiternden geopolitischen Ziele zu unterstützen. Die griechischen Behörden haben mit Fotos und Videos dokumentiert, wie die Flüchtlingsoperation von türkischen Polizeikräften und Grenzschützern inszeniert worden ist. Nur 4 % der Flüchtlinge sind Syrer, viele sind Afghanen, Pakistanis, Zentralasiaten und Afrikaner, die schon länger in der Türkei leben. Die türkische Polizei eskortierte sie bis zum Grenzzaun und versuchte sie sogar mit Tränengas an der Rückkehr in die Türkei zu hindern. Parallel dazu lief eine grobe Desinformationskampagne, sogar von Erdogan selbst, der behauptete, die Grenze sei offen und die Griechen hätten Migranten bei dem Versuch, sie zu überqueren, getötet. Die Flüchtlingskrise als Waffe ist aber nur eine Seite der provokativen türkischen Politik gegenüber Griechenland. Seit Monaten überfliegen türkische Maschinen griechische Inseln und verletzen griechischen Luftraum, und es läuft eine große Kampagne gegen die ›AWZ‹, die ›Ausschließlichen Wirtschaftszonen‹ Griechenlands und Zyperns im östlichen Mittelmeer [Seerechtliche Zonen nach Art. 55 des Seerechtsübereinkommen der UNO]. Die Türkei hat mit der libyschen Regierung in Tripolis – deren Herrschaft allerdings nicht über die Vororte von Tripolis hinausgeht – ein Abkommen geschlossen, das gegenseitige ›AWZ‹ definiert. Obwohl das Abkommen international nicht anerkannt wird und von Griechenland, Zypern, den USA, der EU und Rußland verurteilt wurde, entsandte die Türkei Bohrschiffe in diese Gewässer. [2]
In einem in Damaskus geführten Interview des russischen Journalisten Jewgeni Primakow mit al-Assad hinsichtlich der Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien erklärte dieser, dass der Kern des Problems die amerikanische Politik sei. Zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden die Vereinigten Staaten, dass die säkularen Regierungen in der Region die ihnen zugewiesenen Pläne und Rollen nicht mehr umsetzen konnten. »Natürlich beziehe ich mich auf die Länder, die Verbündete der Vereinigten Staaten waren, und nicht auf solche wie Syrien, die es nicht sind. Sie beschlossen, diese Regierungen durch Regimes der Moslembruderschaft zu ersetzen, die die Religion dazu verwenden, die Öffentlichkeit zu führen. Auf diese Weise sollten die Dinge für amerikanische und westliche Pläne im allgemeinen einfacher werden. Dieser Prozeß des ›Ersatzes‹ begann mit dem sogenannten arabischen Frühling. Zu dieser Zeit war die Türkei das einzige von der Moslembruderschaft geführte Land in der Region, und zwar durch Erdogan selbst und seine Zugehörigkeit zur Bruderschaft. Zuvor waren unsere Beziehungen zur Türkei sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich gut, wie praktizierten sogar eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet Sicherheit und Militär. Es gab überhaupt keine Probleme zwischen Syrien und der Türkei; wir haben nichts gegen sie unternommen und keine ihnen feindlichen Kräfte unterstützt. Aber Erdogans Zugehörigkeit zur Moslembruderschaft war viel stärker als all dies, so dass er zu seiner ursprünglichen Identität zurückkehrte und seine Politik gegenüber Syrien gemäß dieser Ideologie aufbaute. Es ist bekannt, dass die Moslembruderschaft die erste Organisation war, die Gewalt befürwortete und Religion einsetzte, um Macht zu erlangen. Was die Frage angeht, für was die türkischen Soldaten kämpfen, so kann sogar Erdogan selbst den Türken nicht sagen, warum er seine Armee zum Kampf nach Syrien schickt. Der einzige Grund ist die Moslembruderschaft, die nichts mit den nationalen Interessen der Türkei zu tun hat; es hängt mit seiner Ideologie zusammen und folglich muß das türkische Volk für diese Ideologie sterben.
In den letzten zwei Jahren fanden zahlreiche intensive Treffen zwischen russischen und türkischen Beamten statt, und trotz der türkischen Aggression fanden einige Treffen zwischen syrischen und türkischen Sicherheitsbeamten statt. Unser gemeinsames Ziel mit den Russen war es, die Türkei von der Unterstützung von Terroristen abzuhalten und sie an ihren natürlichen Ort zurückzubringen. Erdogan muß aufhören, den Terrorismus zu unterstützen. Dann können sich die Dinge wieder normalisieren, weil es keine Feindseligkeit zwischen den beiden Völkern gibt. Die Feindseligkeit wird durch politische Handlungen oder Maßnahmen verursacht, die auf Interessenbindungen beruhen. Auf der Ebene der syrischen und der türkischen Nation gibt es weder Differenzen noch Interessenkonflikte, so dass sich diese Beziehungen wieder normalisieren sollten. In der Türkei gibt es Gruppen syrisch-arabischer Herkunft und in Syrien Gruppen türkischer Herkunft. Diese Wechselwirkungen haben im Laufe der Geschichte bestanden; es ist nicht logisch, dass es einen Streit zwischen uns gibt. Ohne das weit verbreitete Bewußtsein des syrischen Volkes, dass das, was geschieht, das Ergebnis einer westlichen Verschwörung gegen sein Land ist, wäre Syrien möglicherweise sehr schnell umgekommen oder zerstört worden. Diese Erkenntnis führte trotz unterschiedlicher politischer Neigungen oder unterschiedlicher kultureller und sozialer Zugehörigkeiten ethnischer, religiöser oder sektiererischer Gruppen zu einer nationalen Einheit. Dieses Bewußtsein schuf die Einheit mit dem Staat bei der Bekämpfung des Terrorismus. Dies ist ein sehr wichtiger Faktor.
Das Volk hat unter äußerst schwierigen Umständen gelebt: Ständiger Beschuß, Sanktionen und schlechte wirtschaftliche Bedingungen. Trotzdem hat es standhaft zu seinem Land gehalten. Das liegt auch am öffentlichen Sektor, der eine wichtige Rolle beim Zusammenhalt des Staates gespielt hat. In der schlimmsten Situation wurden weiterhin Gehälter gezahlt, die Schulen weitergeführt und den Bürgern grundlegende Dienstleistungen erbracht, damit das Leben weitergehen konnte. Hinzu kommt die Tatsache, dass uns unsere Freunde unterstützt haben, insbesondere Rußland und der Iran. Sie haben uns politisch, militärisch und wirtschaftlich unterstützt. Tatsächlich ist die syrische Gesellschaft heute in Bezug auf Kohärenz und soziale Integration ihrer verschiedenen Segmente besser beschaffen als vor dem Krieg. Dies hat einen einfachen Grund: Krieg ist eine sehr wichtige Lehre für jede Gesellschaft, eine Lehre, dass Extremismus destruktiv ist und dass es gefährlich ist, den anderen nicht zu akzeptieren. Infolgedessen kamen diese Segmente innerhalb unserer Gesellschaft zusammen.
Was die Stabilität angeht, so können wir diese nicht wieder herstellen, wenn wir keine Amnestie für die gemachten Fehler gewähren; in der jetzigen Art von Krieg muß Amnestie ein zentrales Element der Innenpolitik sein. Seit Beginn des Krieges haben wir regelmäßig Amnestieverordnungen erlassen, mit denen alle begnadigt werden, die gegen das nationale Interesse vorgegangen sind. In den Gebieten, die von den Militanten kontrolliert wurden, haben wir sogenannte lokale Versöhnungen durchgeführt, die dazu geführt haben, dass der Staat Einzelpersonen legal begnadigt hat. Alle, die ihre Waffen abgeben, erhalten Amnestie, sofern sie unter der Autorität des Staates und der Rechtsstaatlichkeit zu ihrem normalen bürgerlichen Leben zurückkehren. Dieser Prozeß war sehr erfolgreich und hat die Stabilität in einer Vielzahl von Bereichen wieder hergestellt, und wir setzen diese Politik weiterhin um. Es gibt nur sehr wenige Fälle, in denen keine Amnestie gewährt werden kann, beispielsweise bei solchen, die Straftaten begangen und vorsätzlich eine große Anzahl von Menschen getötet haben. Die meisten von ihnen sind Terroristenführer. In Bezug auf die allgemeine Situation glaube ich jedoch, dass die meisten Menschen in den Staat zurückkehren wollen, weil eine große Anzahl von ihnen, die Waffen trugen, tatsächlich dazu gezwungen wurden. Sie hatten keine Wahl: Entweder du trägst Waffen oder du wirst getötet. Diese Leute sind nicht unbedingt Extremisten. Sie haben keine terroristische Vergangenheit. Dass die Begnadigungen und Versöhnungen erfolgreich waren, bedeutet nicht, dass der Erfolg hundertprozentig war; nichts ist perfekt. Einige dieser Menschen haben immer noch terroristische Neigungen und eine extremistische Ideologie und arbeiten immer noch mit extremistischen Gruppen in anderen Bereichen zusammen und führen terroristische Handlungen durch. In den letzten Wochen wurden eine Reihe von Sprengkörpern an verschiedenen Orten oder unter Autos platziert. Diese Terrorakte haben vielen Menschen das Leben gekostet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir den Prozeß der Versöhnung stoppen, sondern dass wir diese Schläferzellen herausfinden müssen. Eine Schläferzelle kann eine Reihe von Handlungen ausführen, die den Eindruck erwecken, dass eine vollständige Organisation existiert, während es sich in der Tat um eine Zelle handelt, die aus einer Gruppe von Personen besteht, durch deren Festnahme die Sicherheit wieder hergestellt werden kann. Diese Herausforderung wird bestehen bleiben, da es in Syrien immer noch Terrorismus gibt, der sich durch die Unterstützung von außen in Form von Waffen und Geld noch immer auf freiem Fuß bewegt.
Die Arabische Republik Syrien ist seit 2011 nicht nur von den Amerikanern und Europäern, sondern auch von der Arabischen Liga und ihren Mitgliedstaaten, einschließlich der arabischen Golfstaaten, einer streng erzwungenen Isolation ausgesetzt. Die meisten arabischen Länder haben ihre Beziehungen zu Syrien beibehalten, jedoch nicht öffentlich, aus Angst vor Druck. Der Druck des Westens – insbesondere aber auch der US-Druck auf diese Länder, vor allem auf die Golfstaaten – war jedoch so groß, dass sie ihre Botschaften in Syrien nicht wieder eröffnet haben. Was Europa angeht, so war Europa für uns tatsächlich seit mehr als zwei Jahrzehnten – und sogar schon vor diesem Krieg – auf der globalen politischen Bühne nicht mehr präsent. Europa existiert seit 2003 nach der amerikanischen Invasion im Irak nicht mehr. Europa hat sich vollständig den Vereinigten Staaten ergeben und seine Rolle beschränkt sich auf die Umsetzung dessen, was die amerikanische Regierung beauftragt. Wir haben eine Reihe von Sicherheitsbeamten aus den meisten europäischen Ländern getroffen, die vernünftig waren, aber ihren Kurs nicht ändern können. Einige haben offen gesagt: »Wir können uns nicht ändern, und unsere Politiker können ihre Politik nicht ändern, weil die europäische Politik mit der amerikanischen Politik verbunden ist«.
Was Rußland angeht, so blicken heute viele kleine Länder und sogar Länder mittlerer Stärke auf der ganzen Welt auf dieses Land und verlassen sich in hohem Maße auf seine Rolle, da es heute Rußlands Pflicht ist, das internationale Gleichgewicht in der globalen Arena wieder herzustellen. Die Präsenz der russischen Militärbasis in Syrien zielt nicht nur auf die Bekämpfung des Terrorismus ab, sondern auch auf die Schaffung eines internationalen politischen Gleichgewichts im Sicherheitsrat sowie eines militärischen Gleichgewichts in verschiedenen Bereichen, um die russische Rolle wieder herzustellen. Wir betrachten die Beziehung zu Rußland aus zwei Perspektiven: Einer Partnerschaft auf bilateraler Ebene und einer Beziehung auf der Grundlage dieser internationalen Rolle, von der wir hoffen, dass sie weiter zunimmt, wie dies seit der Machtübernahme von Präsident Putin im Jahr 2000 und der Wiederherstellung der Position Rußlands der Fall war«.
Auf die Frage, ob Assad Pläne habe, die Kontrolle über die von den Amerikanern kontrollierten Ölfelder östlich des Euphrats wieder herzustellen, ergab sich folgende Antwort: »Militärisch gesehen hat Idlib jetzt Priorität, denn durch die Befreiung von Idlib werden wir in der Lage sein, die östlichen Regionen zu befreien. Obwohl wir noch nicht in Richtung Osten vordringen, stehen wir immer noch in direkter Verbindung mit der dortigen Bevölkerung. Es gibt viel Ärger und Groll gegen die amerikanische Besatzung und gegen die Gruppen, die im Namen der Amerikaner handeln. Ich glaube, dass sich diese Wut allmählich aufbauen wird und es Widerstandsoperationen gegen die Besatzer geben wird. Es ist die nationale und verfassungsmäßige Pflicht des Staates, jede Handlung gegen eine Besatzungsmacht zu unterstützen. Mit der Zeit werden die Amerikaner keine Bevölkerung haben, die sie unterstützt, sondern eine Bevölkerung, die gegen die amerikanische Besatzung steht. Sie werden weder für das Öl noch für Terroristen wie ISIS und al-Nusra oder aus anderen Gründen in der Lage sein, zu bleiben. Gleiches gilt natürlich auch für die Türken, die den nördlichen Teil der syrischen Gebiete besetzen. Wenn sie nicht durch politische Verhandlungen abreisen, müssen sie mit Gewalt abreisen. Das werden wir tun. Dies ist auch unsere patriotische Pflicht als Syrer«. [4]
[1] https://www.merkur.de/politik/donald-trump-receperdogan-tuerkei-waffenruhe-syrien-idlib-zivilistenzr-13117152.html
[2] Strategic Alert Jahrgang 33, Nr. 11 vom 11. März 2020
Quelle: antikrieg.com
[3] http://antikrieg.com/aktuell/2020_03_08_neuesputinerdogan.htm
6. 3. 20 Neues Putin-Erdogan-Abkommen versüßt die türkische Kapitulation – Von Scott Ritter – auszugsweise –
[4] http://antikrieg.com/aktuell/2020_03_06_erdogan.htm
6. 3. 20 Erdogan unterstützt Terroristen aus seiner Bruderschaftsideologie heraus – Interview mit Jewgeni Primakow von Russlands 24 TV mit Bashar al-Assad; auszugsweise
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