Papiergeld ist periodisch zum Crashen verdammt (VI)

Briefe eines Bankdirektors an seinen Sohn

SECHSTER BRIEF

Berlin, 11. Januar 1921

Es hilft nichts, lieber James, wir müssen wieder ein wenig rekapitulieren. Also: Geld ist ein Bezugsrecht auf Güter. Dieses Bezugsrecht entsteht, wenn jemand etwas liefert oder leistet, mithin wenn beispielsweise ein Arbeiter dem Arbeitgeber sein Erzeugnis aushändigt; durch die Lieferung entsteht ein Anrecht auf eine gleichwertige Gegenleistung, also ein Güter-Bezugsrecht, und diesesBezugsrecht heißt „Geld“. Hat der Leistende oder Liefernde sein Anrecht auf Gegenleistung geltend gemacht, hat also unser Arbeiter für sein Geld ein Paar Stiefel, Nahrungsmittel, Zigarren usw. eingetauscht, so ist der wirtschaftliche Vorgang des Austauschs von Leistung und Gegenleistung beendet, und das Bezugsrecht, das den Austausch vermittelt hat, ist erloschen.

Eigentlich müsste sonach viele tausend Mal am Tage Geld entstehen und wieder vergehen. Denn jede der unzähligen Leistungen im täglichen Verkehrsleben lässt ein Bezugsrecht auf Güter, Geld genannt, neu ins Leben treten, und jede der ebenso unzähligen Gegenleistungen vernichtet dieses Bezugsrecht wieder. Der menschliche Verkehr ist aber viel zu praktisch, um ein so umständliches Verfahren anzuwenden. Das würde ein höllisch komplizierter Verkehr sein, bei dem jeder Verkauf eines Brötchens zur Herstellung von Geld, und jeder Ankauf einer Rolle Garn zur Vernichtung von Geld führen würde. Vielmehr hilft sich der Verkehr in der Weise, dass er das Bezugsrecht, das im Gelde dargestellt ist, gewissermaßen objektiviert, dass er es zu einem selbständigen Instrument des Güteraustausches macht, welches ruhig fortbesteht, auch wenn das subjektive Bezugsrecht seines jeweiligen Inhabers erlischt. Dann ist es nicht nötig, Geld neu zu schaffen, sobald der Arbeiter seinen Wochenlohn erhält, und es wieder zu vernichten, sobald er Stiefel und Lebensmittel dafür kauft. Der beabsichtigte Zweck lässt sich viel bequemer erreichen, indem man das nunmehr zu einem selbständigen Verkehrsinstrument gewordene Geld immer aus der Hand desjenigen, dessen Anspruch erlischt‘ in die Hand seines Gegenparts überträgt, der einen entsprechenden Anspruch erworben hat.

Jeder Verkäufer erhält also vom Käufer kein neugeschaffenes Geld, sondern Geld, das längst fix und fertig ist und einen Güteranspruch verkörpert, der ebenfalls seit langem existiert. Mit anderen Worten: Man lässt das Geld wandern. Es entsteht nicht und vergeht nicht, sondern zirkuliert.

Das ist die Regel. Diese Regel muss aber doch wohl ihre Ausnahmen haben, denn schließlich kann es sich mit dem Gelde nicht anders verhalten wie mit allen anderen Dingen, die sämtlich einen Anfang und ein Ende haben: Einmal muss jedes konkrete Geldzeichen ebenso wie das in ihm verkörperte abstrakte Bezugsrecht notwendig entstanden sein. Aber welches sind die Umstände, unter denen es entsteht?

Wir müssen uns hier sorgfältig davor hüten, die augenblicklich in Deutschland und anderen Staaten herrschende Geldpraxis etwa als Vorbild anzusehen. Die mechanische Gelderzeugung in diesen Ländern hat mit der Entstehung des wirklichen, echten Geldes, die stets eine organische ist, nicht im entferntesten etwas zu tun. Das Geld, das unsere Notenpressen ausspeien, ist nachgeahmtes Geld; etwa wie die Aktien, die ein unredlicher Gesellschaftsdirektor drucken lässt, und denen keine entsprechende Zunahme des Gesellschaftsvermögens gegenübersteht, nachgeahmte Aktien sind. Beiden, dem Gelde sowohl wie den Aktien, fehlt die wirtschaftliche Entstehungsursache, die allein sie zu echten Dokumenten stempelt. Dass der Verkehr der Unrechtmäßigkeit der Ausgabe weder in dem einen noch in dem anderen Falle merkt, sondern das Geld genau wie die Aktien unbesehen als „vollwertig“ ansieht, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich hier wie dort um Falsifikate handelt. Da Geld nicht ein Güteranspruch schlechthin, sondern ein Güteranspruch von ganz besonderer Art ist und unbedingt zur Voraussetzung hat, dass ihm eine gleichwertige Leistung vorangegangen ist, so sind die Papierscheine, welche die Notenpressen ohne wirtschaftliche Ursache, einfach auf Staatsbefehl, ins Leben setzen, alles andere eher als „Geld“.

Geld, das heißt ein wirtschaftlich berechtigter Güteranspruch, entsteht immer dann und nur dann, wenn jemand etwas geleistet, die Gegenleistung aber noch nicht in Empfang genommen hat. Es ist identisch mit dem Rechtsanspruch auf die ausstehende Gegenleistung. Das Bestehen eines solchen Rechtsanspruchs muss freilich von irgend Jemand konstatiert, formell beglaubigt werden, und normalerweise ist niemand besser befähigt, die Beglaubigung vorzunehmen, als die mit dieser besonderen Aufgabe betraute Behörde eines Rechtsstaats. Aber das ist auch die einzige Hilfe, die der Staat bei der Entstehung des Geldes leisten kann und darf. Seine Fähigkeit und seine Befugnis gehen lediglich dahin, einen ohne sein Zutun im Verkehr neu entstandenen Anspruch zu beglaubigen und ihm die äußere Form vorzuschreiben, in die er sich kleiden soll (Metall-, Papier- oder Buchgeld, kleine oder große Abschnitte usw.). Einen Güteranspruch zu schaffen ist er weder befugt noch im Stande.

Die Regierung ist, um es drastisch auszudrücken, immer nur die Hebamme, die den neuen Weltbürger in Empfang nimmt und für das Leben vorbereitet, niemals die Mutter, die ihn zur Welt bringt. Am besten erkennen wir die Umstände, unter denen das wirkliche, Verkehr-geborene Geld entsteht, an Hand eines konkreten Vorgangs aus dem täglichen Leben.

Der Arbeiter, der eine Lohnforderung von 200 Mark hat und von seinem Arbeitgeber das entsprechende Bezugsrecht auf Güter in der gewohnten Form von Geld verlangt, wird in der Regel mit „wanderndem Gelde“ befriedigt. Der Arbeitgeber händigt ihm Zahlungsmittel aus, die er selbst erhalten hat, als er sein Fabrikat (z.B. Äxte) an einen Händler verkaufte; dieser hat sich das Geld seinerseits durch Veräußerung eines Lagervorrats (z.B. von Holz) verschafft, und zwar von einem Handwerker, dem es als Bezahlung für eine abgelieferte Arbeit (etwa einen Tisch) zugeflossen ist. Aber auch der Vorgänger des Handwerkers war nicht etwa der körperliche oder geistige Urheber des Geldes. Er war nur ein Glied in einer langen, langen Kette von Personen, unter denen das Geld zirkulierte, bis es eines Tages in seine Hände kam. Jede einzelne von diesen Personen hat das Geld empfangen, als sie etwas leistete, und hat es wieder fortgegeben, um die Gegenleistung in Gestalt irgendwelcher Güter dafür einzutauschen. Oder anders ausgedrückt, sie hat es empfangen, als sie produzierte, und es fortgegeben, als sie konsumierte. Man kann den Weg, den das Geld genommen hat, durch zahllose Stadien der Erzeugung und des Verbrauchs zurückverfolgen, aber schließlich wird der Weg sich irgendwo im Nebel verlieren. Man wird nur höchst selten jenen Punkt finden, an dem das Geld seine Wanderung begonnen hat, die Stätte, an der es geboren wurde.

Neben diesem normalen Hergang gibt es aber auch eine andere Möglichkeit. Der Arbeitgeber, der dem Arbeiter und Zehntausend seiner Kollegen je 200 Mark schuldet, ist nicht im Stande, den Leuten das Geld zu geben. Er besitzt zwar „Kapital“, nämlich Fabrikräume, Maschinen, Vorräte u. dergl., aber kein Bezugsrecht auf Güter, kein „Geld“. Er hat in der letzten Zeit nichts verkauft, d.h. nichts geleistet, und besitzt daher zur Zeit auch keinen Anspruch auf Gegenleistung, den er den Arbeitern abtreten könnte.

In diesem Falle bleibt dem Arbeitgeber nur die Wahl, unter dem Zwange der Zahlungspflicht nunmehr doch noch etwas zu leisten, also unter ungünstigen Bedingungen Vorräte zu verkaufen, oder Kredit in Anspruch zu nehmen, (d.h. fremde Güterbezugsrechte leihweise an sich zu bringen), oder endlich das Geld, das er nicht besitzt, zu erzeugen. Die Vorbedingungen für die Entstehung von Geld scheinen ja gegeben. Die Arbeiter haben sich durch ihre Leistung einen Anspruch auf Gegenleistung, also ein Güterbezugsrecht, geschaffen, und Geld ist, wie wir gesehen haben, nichts anderes als ein garantierter Anspruch, ein beglaubigtes Güterbezugsrecht. Damit aus dem Rechtsanspruch der Arbeiter „Geld“ wird, ist also nichts weiter nötig, als dass der Anspruch amtlicherseits als rechtmäßig anerkannt und gewährleistet wird.

Der Arbeitgeber begibt sich also zu der Stelle, die der Staat zu diesem Zwecke eingerichtet hat, und ersucht dieselbe, ihm über die Gültigkeit des Anspruchs seiner Arbeiter Dokumente auszufertigen, die dann Geld darstellen würden und zur Bezahlung verwandt werden könnten. Die Stelle aber erhebt Einwendungen. Sie erklärt dem Antragsteller, dass sie den Anspruch der Arbeiter nicht ohne weiteres anerkennen könne. Auf eine einfache Erklärung zweier Parteien hin könne sie kein Güterbezugsrecht bescheinigen. Nicht etwa aus Misstrauen, obwohl sie, wenn sie sich grundsätzlich mit solcher Erklärung zufrieden geben wollte, sofort mit unzähligen Anträgen überlaufen werden würde und viele Milliarden neuen Geldes schaffen müsste. Sondern deshalb, weil sie nichts Unmögliches bescheinigen könne. Wie solle sie wohl im Stande sein, Bezugsrechte auf Güter als rechtmäßig anzuerkennen und durch den Staatsstempel zu legitimieren, solange ihr nicht der Nachweis erbracht sei, dass die Güter, auf die der Anspruch lauten solle, auch tatsächlich vorhanden seien? Wenn sie Güteransprüche beglaubigen solle, so müsse sie die unbedingte Gewähr haben, dass die Ansprüche auch befriedigt werden könnten.

Darauf entgegnet der Fabrikant, die Güter seien vorhanden, denn die Arbeiter hätten sie soeben erst hergestellt; der Anspruch, der ihnen zu bescheinigen sei, bilde ja gerade die Gegenleistung dafür. Die Arbeiter hätten für mehr als 2 Millionen Mark Güter geschaffen und verlangten nun mit Fug und Recht die Beglaubigung ihres wohlverdienten Bezugsrechts auf andere Güter im Werte von 2 Millionen.

Aber die Staatsstelle schließt sich diesem Gedankengang nicht an. Sie meint die Frage, ob durch die Leistung derer Arbeiter wirklich Güter im Werte von 2 Millionen Mark geschaffen seien, entscheide sich erst im Moment des Verkaufs. Es könne sich dann herausstellen, dass die Güter nur den halben Wert oder überhaupt keinen Wert hätten und unverkäuflich seien. Es seien zur Zeit – um irgend eine Ziffer zu nennen – 100 Millionen Mark Geldzeichen im Umlauf. Die Inhaber dieser Geldzeichen, die stündlich wechselten, hätten einen beglaubigten Anspruch auf sämtliche gegenwärtig am Markt befindlicher Güter. Es gebe kein Mittel, in den Besitz eines dieser Güter auf andere Weise zu gelangen – abgesehen von Diebstahl – als durch die Hingabe eines Teils der existierenden 100 Millionen Mark Geldzeichen, deren Inhaber tatsächlich die allein berechtigten Bezieher jener Marktgüter seien. Wolltenun die Staatsstelle die geforderten Millionen neuen Ansprüche beglaubigen, so würden statt 100 Millionen Mark Geldzeichen deren 102 Millionen in Umlauf sein und Ansprüche auf jene Marktgüter erheben, die doch nur für 100 Millionen bestimmt seien.

Davon könne nicht einmal dann die Rede sein, wenn die von den Arbeitern neu hergestellten Fabrikate wirklich und nachweislich einen Wert von 2 Millionen Mark hätten. Allerdings würde in diesem Falle nicht nur auf der Geldseite, sondern auch auf der Warenseite ein Zuwachs um 2 Millionen eintreten. Aber das Exempel gehe dann nicht etwa auf. Die Sache verhalte sich vielmehr folgendermaßen:

Gegenwärtig steht der gesamten Gütermenge, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums an den Markt kommt, und deren Wert wir einmal auf 10 Milliarden Mark beziffern wollen, ein Gesamtbestand von Geldzeichen, d.h. von Güteransprüchen, in Höhe von 100 Millionen Mark gegenüber. Diese 100 Millionen wechseln in demselben Zeitraum durchschnittlich 100 Mal ihren Inhaber. Ist der Zeitraum abgelaufen und der Kreislauf des Geldes beendet, so haben die 100 Millionen Mark Geldzeichen 100 mal 100 Millionen Mark oder 10 Milliarden Mark Güter konsumiert. Die Rechnung geht also bis hierhin glatt auf. Treten nun aber auf der Geldseite und auf der Güterseite je 2 Millionen hinzu, so lautet die Rechnung: 10 Milliarden + 2 Millionen Güter = 100 Millionen + 2 Millionen Geldzeichen.

Es entfallen also nunmehr 10002 Millionen Mark Güter auf 102 Millionen Mark Geld, mithin auf jede Geldeinheit nicht mehr 100, sondern nur noch etwa 98 Gütereinheiten. Mit anderen Worten: Das alte Geld hat infolge der Beglaubigung der 2 Millionen Mark Arbeiter-Bezugsrechte, d. h. infolge der Schaffung von 2 Millionen Mark neuen Geldes, eine Verminderung seiner Kaufkraft erfahren.

Das kommt daher, belehrt die Staatsstelle den Fabrikanten, dass die 2 Millionen Mark neu entstandenen Güter nur einmal auf dem Markt erscheinen, hier einen einzigen Güteranspruch befriedigen und dann endgültig verschwinden, in den Konsum aufgehen. Die 2 Millionen neuen Güteransprüche dagegen, die wir beglaubigen und als vollwertiges Geld anerkennen sollen, leben gewissermaßen ewig. Sie vermitteln einen Kauf nach dem andern, treten immer von neuem mit ihrer Kaufkraft an den Markt und verrichten somit ihre Funktion nicht nur hundertmal, wie in dem eben angeführten Exempel, sondern tausendmal, hunderttausendmal, unzählige Mal. Durch die Anerkennung der 2 Millionen Mark neuen Geldzeichen würden wir also bewirken, dass nach und nach viele Milliarden neue Güteransprüche geltend gemacht werden können, während die Güter, auf Grund deren wir die Ansprüche beglaubigen sollen wie gesagt nur zur Deckung eines einmaligen Anspruchs von 2 Millionen Mark ausreichen.

Deshalb können wir, sagt die Staatsstelle, den Güteranspruch nur unter zwei Bedingungen beglaubigen. Erstens muss uns nachgewiesen werden, dass die Leistung, auf Grund deren Anweisungen auf Gegenleistungen ausgestellt, d.h. neue Bezugsrechte, neue Geldzeichen, geschaffen werden, tatsächlich Güter erzeugt hat, die 2 Millionen Mark wert sind und 2 Millionen Mark wert bleiben. Zweitens müssen diese wertbeständigen Güter uns in natura übergeben werden. Denn wenn wir von der Bevölkerung verlangen sollen, dass sie die neuen Bezugsrechte anerkenne und wertvolle Erzeugnisse dafür hingebe, so müssen wir ihr die Gewissheit verschaffen, dass sie das Bezugsrecht jederzeit gegen ein vollwertiges Gut austauschen kann. Wir müssen ihr garantieren, dass sie für 100 Geldeinheiten stets volle 100 Gütereinheiten und nicht, wie in unserem Beispiel, nur noch 98 Gütereinheiten, oder gar, wie es jetzt in Deutschland der Fall ist, armselige 6 oder 8 Gütereinheiten eintauscht. Deshalb sind die Güter, die den neuen 2 Millionen Mark Geldzeichen entsprechen, uns zu übergeben.

Wir werden dann entweder diese Güter selbst mit unserem Stempel versehen und dadurch zu Geldzeichen machen; in diesem Fall haben wir die Gewähr, dass die Güter genau so oft auf dem Markt erscheinen wie die Geldzeichen, also hundertmal, tausendmal, unzählige Male die Nachfrage befriedigen, und nicht nur ein einziges Mal; und jeder Geldinhaber weiß dann, dass er keinen Verlust erleiden kann, weil er ja den Wert, auf den das Geld lautet, in Form eines gleichwertigen Guts in Händen hat. Oder aber wir werden die Güter, um ihre Abnutzung zu verhindern, in Gewahrsam nehmen und für den Verkehr durch papierne Zeichen ersetzen. Diese laufen dann gewissermaßen in Stellvertretung der Güter um, die aber Eigentum der Inhaber jener papiernen Geldzeichen bleiben und jederzeit von ihnen abgehoben werden können. Zur Zeit gilt übrigens – sagt die Staatsstelle – nur ein einziges Gut als geeignet, den Nachweis einer vollwertigen Leistung zu erbringen und die Beglaubigung eines neuen Anspruchs auf Gegenleistung zu rechtfertigen, nämlich Gold. Und zwar aus dem rein äußerlichen Grunde, weil der maßgebende Teil des Auslands nur für dieses Metall einen festen Mindestpreis zahlt und dadurch seinen Wert garantiert.

Der Fabrikant zuckt die Achseln und geht. Denn Gold hat er nicht. Er muss also, um seine Arbeiter zu befriedigen, notgedrungen Lagerware mit Verlust verkaufen, d.h. sich alte, umlaufende Geldzeichen beschaffen, und auf neues Geld verzichten. Der wirtschaftliche Sinn dieses Vorgangs ist, dass nur Derjenige einen Anspruch auf eine Gegenleistung (in diesem Falle das Arbeitspensum von 10 000 Arbeitern) hat, der entweder selbst bereits etwas geleistet hat und daher Geld, d.h. einen Rechtsanspruch auf die entsprechende Gegenleistung, besitzt, oder dem ein Dritter seinen Rechtsanspruch im Wege des Kredits abtritt. Es ist ein wirtschaftlicher Unsinn, vom Staate zu verlangen, dass er die Rechtsansprüche, die sich der einzelne Geschäftsmann nicht durch Leistungen zu verschaffen versteht, also Ansprüche, die er in Wirklichkeit gar nicht hat, beglaubigen, und dem Manne, etwa gegen Wechsel, neues Geld aushändigen solle. „Rechtsansprüche“, die auf solche Weise geschaffen werden, sind in Wahrheit unrechtmäßige Ansprüche, und das Geld, das sie repräsentiert, ist Falschgeld. Es ist die Leistung, die Geld erzeugt, nicht der Staat. Der Staat hat keine andere Aufgabe, als die Entstehung des Geldes aus der Leistung durch sein Siegel zu bestätigen.

Ist es verwunderlich, lieber James, dass diese natürliche, unstaatliche Geldtheorie, die im Gelde kein Pfand und keine Anweisung, sondern ein durch Leistungen erworbenes Recht erblickt, noch niemals nach dem Sinn der Kaufleute gewesen ist? Der Kaufmann glaubt stets einen Gott-gewollten Anspruch auf noch mehr Geld, auf noch mehr Güterbezugsrechte zu haben, als er sich durch seine Leistungen erkauft hat. Er glaubt, es gebe „zu wenig“ Geld im Lande – obwohl es überall so viel Geld, d.h. so viel Rechtsansprüche auf Güter gibt, wie man sich zu erwerben verstanden hat, – und fordert daher den Staat auf, ihm gegen das Versprechen einer späteren Rückzahlung neues Geld, neue Bezugsrechte zu übergeben. Dass der Staat das gar nicht kann, weiß er nicht, und weiß leider auch sehr oft der Staat selbst nicht. Beide, Kaufmann und Staat, glauben viel mehr, dass neue Rechte, neue Bezugsrechte auf Güter entstanden seien, sobald der Staat oder seine Bank frische, dem bisherigen Gelde ähnelnde Scheine drucken lässt. In Wirklichkeit hat man aber keine neuen Rechte geschaffen, sondern man hat aus den Rechtsansprüchen, die im alten, umlaufenden Gelde verkörpert sind, Teile herausgebrochen und diese Teile den Empfängern des neuen Geldes verliehen. Man hat die Inhaber des echten Geldes um genau so viel enteignet, wie man den Inhabern des Pseudogeldes zugewendet hat. Es ist hier von keinem „Recht“ mehr die Rede, sondern nur noch von krassem Unrecht. Wirkliches Geld, das die bestehenden Rechtsansprüche respektiert und eine Vermehrung der ehrlich erworbenen Güterbezugsrechte, einen tatsächlichen Zuwachs von Kaufkraft, darstellt, kann immer nur so entstehen, wie es die apokryphe Staatsstelle in dem vorerwähnten Zwiegespräch mit dem Arbeitgeber gesagt hat: Es muss im Verkehrsleben eine Leistung erfolgt sein, aus der heraus ein Gut entstanden ist, das in sich selbst die Gewähr der größtmöglichen Wertbeständigkeit trägt. Nur derjenige Güteranspruch, der sich auf dieses besondere Gut zurückbezieht, ist echtes, vollwertiges, rechtmäßig entstandenes Geld.

In Liebe Dein alter Papa

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