Offener Brief an den Bundespräsidenten

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Fank Walter Steinmeier!

Ihre Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit wurde in der Presse auf breiter Front gewürdigt. Erlauben Sie bitte, dass ich dem allgemeinen Lob ein paar kritische Gedanken nachschicke. Dazu habe ich aus Ihrer Rede ein paar Zitate herausgegriffen, die in Normalschrift wiedergegeben sind. Meine Gedanken zu Ihren Ausführungen sind kursiv gesetzt.Unser Grundgesetz garantiert den Schutz vor politischer Verfolgung, aus guten, in Deutschland auch historischen Gründen, an die wir uns erinnern. Doch wir werden den politisch Verfolgten nur dann auch in Zukunft gerecht werden können, wenn wir die Unterscheidung darüber zurückgewinnen, wer politisch verfolgt oder wer auf der Flucht aus wirtschaftlicher Not ist.

Der Bayerische Innenminister Herrmann nennt die Zahl jener Migranten, die wirklich ein Asylrecht beanspruchen können: es sind nur 1 Prozent.

Sie sprechen davon, daß wir uns ehrlich machen müssen – in zweifacher Weise. Das Grundgesetz nennt weder Not noch Hunger als Asylgrund. Und doch verbreiten heute die üblichen Karrieristen und Strippenzieher ihre Lügen mit einer irrwitzigen Auslegung des Artikel 16 GG. Die Bundesregierung erlaubt weit mehr als dem einen Prozent – nämlich 290.000 Flüchtlingen, ihre Familien nach Deutschland zuholen. Unter dem Gesichtspunkt, daß die Familien im Orient und in Afrika nach aller Regel wesentlich größer sind als in Europa, dürften infolge des Familiennachzugs etwa 1.4 bis 2.0 Millionen Neubürger ins Land kommen. Man sagt uns, wir müssten die finanziellen und kulturellen Folgen tragen, dies wären wir dem Grundgesetz und vor der Geschichte schuldig. Wo steht das geschrieben?

Vor der Geschichte sind wir verpflichtet, Krieg, Unterdrückung und Rassenhass zu ächten, aber nicht 99% unberechtigte Asylbewerber aufzunehmen.

Aus Angst, das Volk könnte für sich fordern, was in vielen anderen Ländern zugestanden wird, wird in Deutschland zunehmend die Meinungsfreiheit beschnitten. Nach dem jetzt in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz dürfen gesellschaftskritische Posts im Internet von privten Denunzianten aufgedeckt und zur Anzeige gebracht werden. Auf diese Weise wird von oben gespalten, aus Furcht vor den Bürgern, die zusammen für sich und ihr Land aufstehen und handeln.

Ich bin überzeugt, sagen Sie, wer sich nach Heimat sehnt, der ist nicht von gestern. Im Gegenteil: je schneller die Welt sich um uns dreht, desto größer wird die Sehnsucht nach Heimat. Dorthin, wo ich mich auskenne, wo ich Orientierung habe und mich auf mein eigenes Urteil verlassen kann.

Friedrich Schiller lässt im Tell den alten Attinghausen sagen:

„Ans Varterland, ans teure schließ dich an. Das halte fest mit deinem ganzen Herzen. Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft. Dort in der fremden Welt stehst du allein“.

Heimat hat in diesem Zusammenhang sehr, sehr viel mit Vergangenheit zu tun, und ist nicht – wie Sie erklären – ein Ort, den wir als Gesellschaft erst zu schaffen haben. Nur aus der geschichtlichen Erfahrung unserer Eltern und Großeltern und aus dem, was uns Dichter, Denker, Musiker, Handwerker und Ingenieure hinterlassen haben, können wir die Herausforderung angehen, die uns die Zukunft stellt. Von diesen hellen deutschen Seiten sprechen Sie leider nur in einem knappen Halbsatz. Ich bin sogar sicher, das diese „hellen Seiten“ unserer Vergangenheit der wesentliche Beweggrund jener Millionen sind, die in unser Land strömen.

Ich zitiere weiter aus Ihrer Rede: Für die Neuen heißt das zunächst mal, unsere Sprache zu lernen. Ohne sie gibt es kein Verstehen und verstanden werden. Aber es heißt mehr als das. Wer in Deutschland Heimat sucht, kommt in eine Gemeinschaft, die geprägt ist von der Ordnung des Grundgesetzes und von gemeinsamen Überzeugungen: Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Verfassung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau. All das ist nicht nur Gesetzestext, es ist für gelingendes Zusammenleben in Deutschland unverzichtbar, und das kann nicht zur Disposition stehen.

Danke, dass Sie diese Punkte ansprechen. Leider erleben wir tagtäglich das Gegenteil, da Polizei und Justiz gezwungen werden mehr als sämtliche Augen zuzudrücken, wenn Migranten unsere Normen und Gesetze mißachten.

Wenn man die Gesellschaft nicht nur um die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen beraubt, sondern für jederman erkennbar die Grundlagen des Sozialstaates vernichtet, die Bedingungen für eine gute Ausbildung junger Menschen beschneidet (haben Sie jemals mit einem Lehrer gesprochen, der Inklusion mit 50 oder mehr Prozent Migrantenkinder bewältigen muss?), einer Kanzlerin zuhört, die erklärt, es gebe keine Obergrenze für „Asylsuchende“, der darf wohl fürchten, dass Wohlstand nicht von ewiger Dauer ist.

Viele Menschen in Ostdeutschland spüren die Zeichen der näher kommenden Repression und Rezession vermutlich eher als viele Leute im Westen, die von Anpassung leben, um ihre Honigtöpfe zu behalten.

Argumente statt Empörung brauchen wir, das denke ich mit vielen im Lande. Nirgendwo sonst stehen sich die Meinungslager so unversöhnlich gegenüber – sogar im neuen Reichstag, wo die FDP es ablehnt, neben den Abgeordneten der AfD zu sitzen. Sie Herr Bundespräsident haben recht, wenn Sie befürchten, mit den Themen „rechts“ und „links“ werden wir die Wirklichkeit der Welt und die Möglichkeiten unseres Landes nicht überein bringen.

„Die große Mauer quer durch unser Land ist weg“ – dieser Satz stand ziemlich am Beginn Ihrer Ansprache. Sie sagten auch, am 24. September wurde deutlich: Es sind andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne Stacheldraht und Todesstreifen – aber Mauern, die unserem gemeinsamen „Wir“ im Wege stehen.

Ich hätte mir gewünscht, dass gerade für Sie die Abgrenzung von Positionen nicht größer ist als eine Mauer mit Stacheldraht und Todesstreifen, sondern in Bereitschaft zu offenem Dialog überwunden werden kann, was selbstverständlich auch die Bereitschaft voraussetzt, eigene Positionen zu hinterfragen.

Auf dem Beitragsfoto habe ich mir erlaubt, einen Satz Ihres einstigen SPD-Freundes zu zitieren.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Wolfgang Arnold

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