Offene Rechnungen

von fortunato

Nun ist der ESM ein gesetzliches Faktum. Der Spruch des Bundesverfassungsgerichtes ist ergangen und Gauck hat bereits unterschrieben. Wir wollen die vorgelagerte Entwicklung aber noch einmal kurz Revue passieren lassen:
Geraten Staaten in eine Lage, die Zweifel an der Bedienung der Staatsschulden aufkommen lassen, so besteht die Gefahr, dass aufgrund der Verschuldungssituation jener Staaten deren Bonität sinkt. Da dies aber sehr schnell dazu führen kann, dass Staatsanleihen nur noch mit einem Risikoaufschlag verkauft werden können (Zinsspread), verteuert dies unter Umständen die Schuldenfinanzierung derart, dass der betroffene Staat aus dieser Kostenfalle nicht mehr heraus kommt. Eine Entschuldung dieses Staates ist dann schon rein rechnerisch nicht mehr möglich. Der enorme Zinseffekt macht Tilgungsanstrengungen zunichte.

Im Euroraum führte die bekannte Staatsverschuldung mancher Staaten dazu, dass die Währung als Ganzes konkret in Gefahr geräten könnte. Daher wurde der EFSF geschaffen, der die Sicherheitsstandards der Staaten auf ein Niveau heben sollte, die eine als vertrauenswürdig angesehene (sinnvolle) Finanzierung der Staaten wieder ermöglicht. Auf diese Weise sollte auch der Euro gestützt werden.

Die Verschuldung verschiedener Staaten im Euro Raum ist derweil auf einem Stand nahe oder signifikant über 100 % des BIP(s) des jeweiligen Landes angekommen.

Der EFSF war mit einer Bürgschaftssumme von 440 Mrd. Euro ausgestattet.. .Im Gegensatz zu Herrn Schäubles Wunschdenken, dass wir „bloß haften“ stehen nun konkrete Zahlungen im Raum, weil die Hilfsgelder tatsächlich geflossen sind.


Zusagen zur nachhaltigen Finanzierung durch den EFSF:

Griechenland: 109 Mrd. € zugesagt
Irland: 85 Mrd. € zugesagt
Portugal: 78 Mrd. € zugesagt
Spanien: 100 Mrd. € zugesagt (wird aber vom ESM bezahlt!)
Zypern: 4 bis 10 Mrd. angefordert
Slowenien: Forderungssumme noch nicht spezifiziert.

Gesamt: ca. 382 Mrd. € zugesagt.

Quelle: Wikipedia.

Sie bemerken: Die Bürgschaftssumme des EFSF (incl. Spanien) ist schon jetzt fast ganz aufgebraucht, nämlich dann, wenn konkret gezahlt wird. Also wir haften nicht bloß! Daher haben wir offene Rechnungen!

Der ESM stellt die dringend erforderliche Anschlussfinanzierung dar. Nur so denkt die Politik, eine glaubhafte Sicherheit für den Euro bieten zu können. Es soll wieder neu nachgeschossen werden, um in fast sinnloser Weise die inzwischen sich neu abzeichnenden Löcher zu stopfen.

Auch wir teilen die Empörung über den Versuch der Bundesregierung, mit Hilfe von rechtlich fragwürdigen Formulierungen, sowie Desinformation und Beschränkung der freien Rede im Bundestag einen unglaublichen ESM Vertrag durchzupeitschen. Besonders übel vermerkten auch wir, dass der ESM eine Bank sein sollte, die das Grundkapital beliebig erhöhen könnte, die nicht nur Steuergelder einfach kurzfristig abrufen dürfte, sondern die auch noch der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein würde. Dieser Versuch ist aber in Karlsruhe an der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Nun kam der Spruch des Bundesverfassungsgerichtes, wonach die Haftungszahlungen der BRD auf maximal 190 Mrd. Euro unter allen Umständen beschränkt bleiben müssen. Jede Erhöhung über diesen Schwellenwrert bedarf der Zustimmung des Bundestages.

Es ist klar, dass vor allem die Begrenzung der Haftungszahlungen nun massive Schwierigkeiten auslösen wird. Es ist offensichtlich der von der Regierung am meisten beschwiegene Punkt! Schließlich kann sich die Bundesregierung ein Eingeständnis der mindestens teilweisen Niederlage nicht leisten. Nächstes Jahr ist Bundestagswahl!

Wie sieht die Lage nun nach dem Spruch aus Karlsruhe aus?

Der ESM hat offiziell ein Grundkapital von 700 Mrd. Euro.

In diesem Haftungs-Eigenkapital sind aber schon die Verpflichtungen aus dem EFSF eingerechnet und so kommt auch das Bundesministerium für Finanzen auf die Aussage, dass der ESM ein Grundkapital von 500 Mrd. haben wird. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das BMF die Forderungen aus dem EFSF (s. o.) schon abgezogen hat. Siehe: in der Frage: „Über welche finanziellen Mittel kann der ESM verfügen?“ erläutert wird.

Also: Der EFSF war faktisch fast schon aufgebraucht, der ESM startet daher mit formal 700 Mrd. Euro Grundkapital.

Mit dem Urteil aus Karlsruhe ist die Politik bereits jetzt in der Situation, sich ernsthafte Gedanken zu einem ESM 2.0 machen zu müssen. Womöglich muss man die ganze Tortur durch die Instanzen nochmals zu machen! Rechtstaatlich ist diese Ochsentour allerdings zu begrüßen.

Wie lange bei der aktuellen Politik das Haftungskapital des ESM ausreicht, ist zwar nicht festgelegt, aber absehbar, nämlich gerade mal so lange, wie es für den EFSF auch gereicht hat, das waren knapp zwei Jahre. Viel länger wird die Lebensdauer des ESM nicht sein können. Mit dieser Lebensdauer des ESM rechnen wir unter der Annahme, dass sich die Bundesregierung an alle Auflagen des BVerfG hält.

Wir, d. h. die Schreiber des Fortunanetzes, sind mit dieser Art der Krisenbewältigung nicht einverstanden. Dies sollte klar sein! Worin besteht denn der Nutzen, nach einem EFSF und einem ESM einen ESM 2.0 bis ESM 100.0 aufzumachen? Wir bezweifeln zudem ganz vehement, dass eine Politik, die die jeweils neu entstanden Löcher stopft, und damit nicht gestaltend, sondern lediglich reaktiv agiert, sinnvoll ist.

Die Rechnung der Bundesregierung ist also in vielerlei Hinsicht offen und daher haben wir auch noch mit dieser Bundesregierung mehr als eine offene Rechnung zu begleichen! Und zwar auf demokratischen Wege! Begleiten Sie uns! 

Quelle: fortunanetz

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