Öffentlich-rechtliche Merkelei

oder wie ein Gedicht wahre Gesichter zeigt

Von Dieter Braeg

Jeder, der in Deutschland eine Wohn-Andresse hat, darf einen Zwangsbeitrag von 17,50 Euro bezahlen, mit dem das „öffentlich-rechtliche Fernsehen“ sein Auskommen bestreitet, ohne von denen, die da die Beiträge zahlen, auch kontrolliert zu werden.

Im Grundgesetz – das schon kurz nach Inkrafttreten mehr als nur beleidigt wurde durch Nichteinhaltung – steht:

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

Seit Böhmermanns Gedicht lautet der zweite Absatz des Grundgesetzes: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre „und in der Anweisung der Kanzlerin/Kanzler von Deutschland“.

Frau Merkel hat beim Amtsantritt, ohne rot zu werden, Folgendes geschworen: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Nun hat Merkel nicht Gott sondern der Teufel geholfen. Bei der Weltuntergangsaffäre per Schmähgedicht prallen zwei komplett unterschiedliche Gesellschaftssysteme aufeinander. Nach unserem „Verständnis“ ist die Meinungsfreiheit viel höher anzusetzen als das Kränkungserlebnis des Recep Tayyip Erdogan. In der Türkei ist das anders – dort billigt man einem hohen Politiker mehr Schutzwürdigkeit zu als einem einfachen Staatsbürger.

Einige von Jan Böhmermanns „Werken“ seien hier erwähnt: Im Jahr 2005 erfindet

Böhmermann eine Hörfunk-Sen­dung mit dem Titel „Lukas´ Tagebuch“, in der der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski verulkt wird. Podolski versucht, bei Gericht eine Einstwei­lige Verfügung zu erwirken, um die Ausstrahlung der Sendung zu verhindern – und scheitert.

2009 gründet Böhmermann den „Ersten Türki­schen Karnevalsverein Deutschlands“ – auch dies ist ein Schwindel, der ernst genommen wird und für Auf­sehen sorgt.

Im selben Jahr mimt der Satiriker einen an Schweinegrippe erkrankten Patienten und täuscht mehrere TV-Sender.

Ab 2013 moderiert Böhmermann die politisch-satirische Late-Night-TV-Sendung „Neo Magazin Roy­ale“, laut Eigendefinition „Deutschlands einzige ernstzunehmende Unterhaltungsshow“, und nicht nur der „Stinkefinger“ des ehemaligen griechischen Finanzministers gehört zu einem seiner Meisterwerke.

Nun hat die Schmäh-Dichterei eine lange Tradition. Marcus Tullius Cicero (106-43 v. Chr.), ein Vorläufer von Jan Böhmermann, meinte zum Konsul Lucius Calpurnius Piso: „Du Schandfleck, du Schmutz, du Kot.”

Na gut, in diesem Land der Unschuldsvermutung, die meist bei Wirtschaftskriminalität – oder wenn Politikerinnen und Politiker strafverfolgt werden – zur Anwendung kommt, gab ’s die für Böhmermann bisher nicht. Also gilt wohl auch in Deutschland: „Ein Satiriker, der irgendwas verfasst, was Merkel/Erdogan nicht passt, sitzt morgen schon im Knast.“

Ob die nun eingeschaltete Justiz das aushält und nicht selbst nach einem nicht Erdogan-genehmen Urteil in Strafverfahren verwickelt wird?

Ach ja, im Jahre 1997 rezitiert Erdogan eine veränderte Version eines Gedichtes von einem pan-türkischen Aktivisten: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

Erdogan wurde damals wegen Aufstachelung zur Gewalt zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt worden. Er sitzt nur vier Monate im Gefängnis.

Warum hat Erdogan nicht auch gereimt? Etwa:

„Der Schwanz vom Böhmermann

Ist kleiner

als meiner!“

 In diesem Zusammenhang bitte ich, den seit Jahren bei YouTube stehenden Beitrag mit dem Titel „Zukünftige Nationalhymne“ von mir anzuschauen und anzuhören:

 https://www.youtube.com/watch?v=FFlt_nINblU

 Dieter Braeg (scharf-links)

 

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