North Stream, der »Balken« in Trumps Auge

d.a. Man hat sich daran gewöhnt, dass die Hegemonialmacht USA die Welt nach ihrem eigenen Konzept, seien es Regimewechsel oder Revolutionen nach der Art des arabischen Frühlings, zu lenken resp. zu beherrschen gedenkt, wobei der Rückgriff auf Sanktionen gegen ungefügige Staaten das jeweils erpresserischste Mittel darstellt. Zu diesem Zweck haben die USA den Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA) erlassen [das Gesetz, Amerikas Widersachern mittels Sanktionen entgegenzutreten]. Dieses erteilt der US-Administration den Auftrag, Entitäten, also Staaten und Instanzen, die mit Konzernen des russischen Verteidigungssektors in namhaften Handel treten, zu bestrafen. Nicht, dass sich dagegen auch nur eine einzige Stimme in der UNO erhoben hätte, geschweige denn aus der Wirtschaft. Die Anwendung dieses Erlasses hat sich soeben erneut im Fall Iran gezeigt, wobei erschreckend ist, dass sich die europäischen Konzerne dem US-Sanktionsdiktat fast ausnahmslos und ohne Widerspruch unterwerfen.

Nicht so in Indien, wo Verteidigungsminister Nirmala Sitharaman die USA am 14. Juli wissen liess, dass amerikanischen Gesetze resp. das im Jahr 2017 erlassene CAATSA eine Sache der USA seien und nichts mit Indien zu tun hätten. Indien weigert sich daher, sich bezüglich des geplanten Kaufs des russischen Langstrecken-Boden-Luft-Raketen-Systems S-400 zur Verteidigung seines Luftraums den angedrohten US-Sanktionen zu beugen. Die Regierung in New Delhi hat daher die Botschaft an Washington übermittelt, dass die Sanktionsandrohung keine Wirkung auf ihren Entscheid haben wird: »Wir haben einer Abordnung des US-Kongresses erklärt, dass der CAATS-Erlass lediglich ein US-Gesetz und kein UNO-Gesetz darstellt.« Der Abschluss des Kaufs wird im Herbst erwartet und soll auf einem Treffen zwischen Premierminister Narendra Modi und Präsident Putin diesen Oktober unterzeichnet werden.

Was nun US-Sanktionen angeht, so trachtet Washington danach [2], auch die Gaspipeline Nord Stream 2 damit zu belegen. Wie nicht anders zu erwarten, war diese ein Diskussionspunkt des US-Präsidenten beim NATO-Gipfel in Brüssel. Bereits am 6. Juni stand Washington kurz vor der Einführung von Sanktionen  gegen europäische Unternehmen, die sich am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2, die Erdgas aus Russland über die Ostsee in die EU liefern soll, beteiligen. Zu diesen gehören neben den deutschen Energieunternehmen Wintershall und Uniper auch der französische multinationale Konzern Engie, der britisch-niederländische Öl- und Gasriese Royal Dutch Shell und der österreichische Energiekonzern OMV; die Leitung hat der staatliche russische Energiekonzern Gazprom.

Trump hat nun den Bau der Gaspipeline in Brüssel erneut kritisiert. »Ich bin sehr besorgt über die Pipeline, ich mag die Pipeline nicht«, sagte er. [3] Letzteres ist schon ein einmaliger Standpunkt, als ginge es hier um mögen oder nicht mögen. Ferner: »Wir müssen herausfinden, was mit der Pipeline los ist.« Was soll mit dieser los sein, der Bau nimmt der Projektplanung entsprechend seinen Fortgang. Daneben bezeichnete Trump Deutschland wegen seiner Abhängigkeit bei Gaslieferungen als Gefangenen Russlands: Das Land zahle Milliarden an Russland für Gas und verlange dann, vor Russland beschützt zu werden. Trump warnte davor, dass die Abhängigkeit von Moskau durch Nord Stream 2 noch größer werde. Nun strömt seit dem 6. 9. 2011 sibirisches Erdgas in die deutsch-russische Ostseepipeline. Will man dies nun als Abhängigkeit bezeichnen, so ist diese bislang ungestört und ohne irgendwelche Komplikationen verlaufen.

Im Prinzip dürfte es Trump durchaus klar sein, dass nicht wir vor Russland zu beschützen sind, sondern Russland vor der USA, die unentwegt einer erfundenen Bedrohung durch dieses Land das Wort redet, denn niemand anderes als die NATO stationiert in den baltischen Ländern und in Polen NATO-Bataillone, obwohl Russland mehrmals deutlich gemacht, dass es die Annäherung von Truppen und Infrastruktur der NATO an Russlands Grenzen als eine Bedrohung seiner Sicherheit betrachtet. Dies geschieht, obwohl der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg [4] schon am 4. 11. 2016 dargelegt hatte , dass den Ländern der Allianz von Seiten Russlands keine Gefahr droht und dass man mit Moskau konstruktive Beziehungen aufbauen muss. Er betonte damals erneut, dass sich die Allianz nicht im Kalten Krieg mit Russland befindet, dass jedoch »unsere Partnerschaft noch nicht auf jenem Niveau ist, das wir nach dem Kalten Krieg erreichen wollten.« Bereits zuvor, am 28. Oktober 2016, hatte Stoltenberg erklärt, dass die NATO nicht nach einer Konfrontation mit Russland strebe und keinen neuen Kalten Krieg wolle, und dass die 4.000 zusätzlich geplanten Militärangehörigen in Osteuropa keinen Konflikt provozieren, sondern einen solchen abwenden sollen. Wie er ferner darlegte, könne die Allianz Russland nicht isolieren und sollte auch nicht versuchen, dies zu tun.

Putin hatte seinerseits in einem Interview mit der Bloomberg Businessweek vom 16. 9. 16 [5] hinsichtlich der Frage, ob Russland seinen Einfluss geographisch auszudehnen gedenke, folgendes gesagt: »Ich denke, alle nüchtern denkenden Menschen, die wirklich mit Politik zu tun haben, verstehen, dass die Idee von einer russischen Bedrohung, z.B. des Baltikums, vollständige Idiotie ist. Sollen wir wirklich gegen die NATO kämpfen? Wie viele Leute leben in der NATO? Etwa 600 Millionen, korrekt? Und in Russland gibt es 146 Millionen. Ja, wir sind eine größere atomare Macht. Aber glauben Sie wirklich, dass wir dabei sind, das Baltikum mit nuklearen Waffen zu erobern? Was für ein verrücktes Zeug. Das ist der erste Punkt, aber bei weitem nicht der Hauptpunkt. Wenn Sie an die Krim denken, versuchen Sie, nicht zu beachten, dass es der Wille des Volkes, das auf der Krim lebt – wo 70 % ethnische Russen sind und der Rest russisch spricht, als sei es seine Muttersprache – war, sich Russland anzuschliessen. Im Westen will man nicht einmal versuchen, dies zu verstehen. Und was die Ausdehnung unserer Zone des Einflussbereiches angeht, so hat es mich 9 Stunden gekostet, von Moskau nach Wladiwostok zu fliegen. Das ist in etwa dasselbe wie von Moskau durch ganz Ost- und Westeuropa und über den Atlantik nach New York. Glauben Sie, dass wir uns ausdehnen müssen?«

Alexander Gruschko, der Ständige Vertreter der Russischen Föderation bei der NATO in Brüssel [6], hatte am 6. 4. 16 ausgeführt, dass er davon überzeugt sei, dass ernsthaft denkende NATO-Experten nicht an eine russische militärische Bedrohung glauben: »Die gesamte Geschichte des Prozesses der europäischen Sicherheit nach dem Kalten Krieg zeugt davon, dass es gerade Russland war, das die führende Rolle beim Aufbau eines Systems der kollektiven Sicherheit gespielt hatte.« Bezüglich des Wunsches der USA, ihre führenden Positionen in Europa zu festigen, wurde, wie er sagte, das Schüren von Mythen über eine imaginäre russische Bedrohung zum Instrument. Gruschko zufolge wird Russland kein passiver Beobachter bleiben. »Wir realisieren konsequent militärische Massnahmen, die unserer Ansicht nach für den Ausgleich der verstärkten NATO-Präsenz erforderlich sind, und die, nebenbei gesagt, durch nichts gerechtfertigt werden könnte. Selbstverständlich wird die Antwort asymmetrisch sein, (…..) nicht zu kostspielig, aber maximal effektiv.«





Nun hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini Mitte Juni ein Ende der gegen Russland gerichteten Sanktionen verlangt und der EU mit einem Veto gedroht. »Wir haben«, sagte er am 7. 6., »eine klare Position hinsichtlich der Sanktionen. Wir schliessen ein italienisches Veto nicht aus.« Die Sanktionen gegen Russland schädigen unsere Bauern. Die Landwirtschaft hat Milliarden-Verluste erlitten. Die Sektoren Design und Handwerk sind ebenfalls betroffen. Wir hatten sehr viel in den russischen Markt exportiert, und jetzt ist dieser Export auf Grund der russischen Gegensanktionen blockiert. Italiens Minister für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio, erklärte: »Die italienische Yes Sir-Ära muss enden und eine neue Ära anfangen, in der wir einige Nein auszusprechen beginnen.« Die Aufhebung der Sanktionen ist im übrigen im Programm der italienischen Regierungskoalition verankert. Offensichtlich alarmierten die Äusserungen Salvinis Jens Stoltenberg. Laut ihm »müssen wir mit Russland einen politischen Dialog beibehalten, aber die Sanktionen sind notwendig.« Diese Feststellung entspricht so gar nicht seiner vorherigen Sichtweise. Im übrigen bleibt es völlig unverständlich, wieso sich die G-7-Mitglieder bei ihrem Treffen in La Malbaie in Kanada vom 8. bis 9. Juni konträr zu Trumps Vorschlag, Russland wieder aufnehmen, dagegen aussprachen. »Doch da sei Merkel vor«, so Klaus Hartmann [7], denn »vor allem für Merkel war der Vorstoss von Trump ein Affront. Die Kanzlerin ist in den vergangenen Jahren in dieser Frage so etwas wie die Wortführerin der Europäer gewesen.« Zufrieden schrieb die Süddeutsche Zeitung: »Merkel schließt, wie die anderen Europäer, eine Rückkehr Rußlands wegen der Annexion der Krim vehement aus. »Folglich blieb der US-Präsident in der Russland-Frage auf dem Gipfel isoliert.«

Der G7-Gipfel, vermerkte German Foreign Policy [8], ging im offenen Dissens zu Ende. Seine Zustimmung zu der gemeinsamen Abschlusserklärung, auf die sich die G7-Staats- und Regierungschefs geeinigt hatten, zog Trump nachträglich zurück. Dennoch wird das Dokument von allen anderen G7-Staaten weiterhin unterstützt. Indessen »ist eines der wenigen konkreten Resultate des Treffens, so GFP, die Einigung auf einen Rapid Response Mechanism gewesen, der explizit gegen feindliche Staaten gerichtet ist. Seine Aufgabe ist es, Formen auswärtiger Einmischung in den G7-Staaten zum einen zu verhindern, zum anderen aber, sollte es doch dazu kommen, gemeinsame Reaktionen zu koordinieren. Als Anlässe für Reaktionen werden etwa Cyberangriffe sowie Attacken wie der Nervengiftanschlag von Salisbury genannt. Darüber hinaus soll der Geheimdienstaustausch zwischen den G7-Staaten intensiviert werden. Man werde sich über die jeweiligen Politiken und die roten Linien der Mitgliedstaaten austauschen, heißt es; außerdem soll in Zusammenarbeit mit der Industrie die materielle und digitale Infrastruktur gestärkt werden. Man wolle gemeinsam an der Erkennung feindlicher Aktivitäten arbeiten, heißt es weiter; schließlich wolle man gemeinsame Antworten vorbereiten. Klar ist, dass sich der Rapid Response Mechanism vor allem gegen Rußland und China richtet. Er öffnet staatlicher Willkür Tür und Tor: Die Herkunft von Cyberangriffen etwa ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar und kann selbst von Experten in der Mehrzahl der Fälle nicht zuverlässig festgestellt werden. Behauptet jedoch ein G7-Staat, sie etwa dank seiner Geheimdienste zuordnen zu können, so würden auf G7-Ebene Reaktionen ausgelöst.«

In dem Abschlusskommuniqué wird »das unerschütterliches Bekenntnis zu allen Aspekten des beim Gipfel in Wales 2014 vereinbarten Versprechens zu den Verteidigungsinvestitionen erneuert.« Ferner: Alle NATO-Staaten, die das Ziel noch nicht erreicht haben, 2 % ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben, müssten sich noch mehr anstrengen. Dieses Ziel soll bis 2024 erreicht sein.

In Bezug auf die Krim gab die NATO Trump eine klare Positionierung mit auf den Weg: »Man habe die Annexion der Krim durch Moskau bislang nicht anerkannt und werde sie auch künftig nicht anerkennen, heisst es im Abschlussdokument.« Wie man sich selbst derart schädigen kann, spricht ganz sicherlich nicht zugunsten des Horizonts der uns regierenden Staatschefs, denen wir leider so lange ausgeliefert sein werden, bis es entsprechende Wahlergebnisse quer durch Europa möglich machen könnten, diesen Entscheid umzustossen. Nikita Chruschtschow hatte die Krim 1954 bekanntlich an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik verschenkt und erst durch den Umstand, dass sich die Ukraine von Russland löste und 1991 unabhängig wurde, entstand die Situation, dass Russland die Krim 2014 quasi zurückeroberte.

[1] https://www.rt.com/news/433013-s-400-india-us-law-sanctions/
14. 7. 18 US law doesn’t apply here: India’s defense chief resists pressure over S-400 deal with Russia

[2] https://deutsch.rt.com/international/71025-usa-wollen-europaische-firmen-mit-sanktionen-belegen/   6. 6. 18

[3] https://www.welt.de/politik/article179228966/Nato-Gipfel-Trump-warnt-EU-dass-die-Einwanderung-Europa-uebernimmt.html
12. 7. 18 Trump kritisierte erneut den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland.

[4] https://de.sputniknews.com/politik/20161104313230944-Nato-Generalsekretr-Russland-keine-Bedrohung/   4. 11. 16

[5] http://uncut-news.ch/2016/09/16/putin-gibt-hoeflich-seiner-verwunderung-ausdruck-ueber-die-westliche-bloedheit/   16. 9. 16   Paul Craig Roberts

[6] https://de.sputniknews.com/politik/20161104313230944-Nato-Generalsekretr-Russland-keine-Bedrohung/   4. 11. 16

[7] http://www.freidenker.org/?p=5252   25. 6. 18 Klaus Hartmann

[8] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7633/
11. 6. 18 Im offenen Dissens

Quelle: politonline

***********

Wandere aus, solange es noch geht!

(Visited 23 times, 1 visits today)
North Stream, der »Balken« in Trumps Auge
2 Stimmen, 5.00 durchschnittliche Bewertung (99% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*