Mythen der Demokratie – oder das, was wir dafür halten … Teil 1

von Susanne Kablitz (Quelle)

In den westlichen Gesellschaften begann der Demokratisierungsprozess mit der Französischen Revolution und löste Stück für Stück in blutigen Kriegen und Schlachten den bis dahin herrschenden Absolutismus ab. Seit dem ersten Weltkrieg ist dieser Prozess abgeschlossen und es herrscht seit Jahrzehnten das, was der Wirtschaftswissenschaftler Christoph Braunschweig  als die „demokratische Krankheit“ (1) identifiziert.

Die Demokratie hat sich von einer zweckmäßigen und  rechtstaatlichen Gesellschaftsform zu einer modernen Religion entwickelt. Wer sie in Frage stellt oder gar für die Verwerfungen der letzten Jahrzehnte in den Fokus rückt, wird überaus schief angesehen, mögliche Diskussionen sind weitestgehend tabu. Nahezu niemand macht die Demokratie für unsere Schwierigkeiten der letzten Jahre verantwortlich, ganz im Gegenteil – wenn, dann ist nur die aus den Fugen geratene „Freiheit“ der Auslöser und Brandstifter der Auswüchse. Spätestens, wenn man in diesem Zusammenhang noch das Unwort „Kapitalismus“ in die Gesprächsrunde einwirft, dem man in seiner Ursprungsform  wohlwollend gegenüber steht, kann man froh sein, wenn man nicht mit mühsam höflichen, aber deutlichen Nachdruck gebeten wird, die Räumlichkeiten möglichst umgehend aber unbedingt demütig und peinlich berührt zu verlassen.

Was sind das also für Synapsen in unseren Köpfen – grundsätzlich ein Wunderwerk der Evolution -, die ganz offensichtlich Purzelbäume schlagen – entweder in positiver Richtung Demokratie oder in ganz negativer Richtung Kapitalismus? Was ist das überhaupt – Demokratie? Und was bedeutet Kapitalismus – der Echte, nicht dieses verkrüppelte Ungetüm, das von den meisten dafür gehalten wird? Warum sind wir dem einen so freundlich gesonnen und möchten das andere am liebsten in die ewigen Jagdgründe schicken?

Demokratie ist für die meisten Menschen gleichbedeutend mit Gerechtigkeit.

Jeder wahlberechtige Bürger steht dem anderen gleich, jede Stimme hat das gleiche Gewicht, die einzelne Stimme ist ebenso viel wert wie die andere, egal ob sie ein Reicher, ein Armer, ein Kluger, ein Dummer abgibt. Dies entspricht unserem Verständnis von Freiheit, Gleichheit, Einheit und Gerechtigkeit.

Zudem herrscht immer noch die feste Überzeugung, und das trotz besseren Wissens, dass einzig Demokratien in der Lage sind Frieden zu garantieren. Dagegen scheint nur die Diktatur zu stehen – und um diese zu vermeiden, ist jedes Mittel recht, selbst wenn der Preis dafür unerhört hoch ist.

So auch das Schicksal des „Kapitalismus“ – ja, das ist dieses finstere, menschenverachtende und geldverschlingende Ungeheuer, dass von habgierigen Bonzen, die den Hals nicht vollkriegen und andere Menschen an der Kette auf allen Vieren durch die Fabrikhallen schleifen und bei Bedarf die Peitsche zum Einsatz bringen, dazu benutzt wird, noch den allerletzten Cent aus andern, vor allem aus absolut wehr- und hilflosen Menschen herauszupressen. Ein vor allem politisch korrektes Bild, das wir uns da zusammengeschustert haben, aber entspricht es auch der Wahrheit? Nun eins nach dem anderen; beschäftigen wir uns zunächst einmal mit der in edle Bilder gehüllten Demokratie.

Ist diese – so wie wir sie derzeit erleben –  wirklich „das Gelbe vom Ei“? Und ist unsere Demokratie noch gerecht?

Folgt man der wahlberechtigten Mehrheit in unserem Land, dann sieht es ganz danach aus. Mindestens 51 Prozent der Menschen haben also übereinstimmende Meinungen und Ansichten, die grundsätzlich durch die jeweiligen damit beauftragten Repräsentanten ausgeführt und umgesetzt werden sollten. Was ist aber mit dem Rest der Bevölkerung, die diese Meinungen nicht vertreten? Besteht die (immerhin noch erhebliche) Minderheit aus Ungläubigen? Irren? Linken Anarchisten oder gar Rechtsradikalen?

Parlamentarische Demokratie, so wie sie uns vertraut ist, erlaubt es dem Einzelnen eine Stimme abzugeben, die einer bestimmten Partei zugutekommt für die ein paar Auserwählte ihr Konterfei zur Verfügung stellen und somit diese Partei repräsentieren. Sie haben also nur einmal in vier Jahren die Möglichkeit, eine solche Entscheidung zu treffen. Nach der Stimmabgabe sind Sie aus dem Spiel. Sie haben keine Chance mehr, Ihren Unmut über nicht eingehaltene Versprechen wirksam Geltung zu verschaffen.

Dabei sind Sie noch auf der glücklichen Seite – gehören Sie doch zu denen, die grundsätzlich (zumindest zu Beginn) mit den Inhalten einverstanden waren. Wie fühlen Sie sich aber auf der Minderheitenseite? Sie müssen nun für etwas einstehen, was Sie ganz und gar nicht wollen, was Sie nicht für richtig halten, was Sie verachten.

Aber nicht einmal die “Gewinner” können sich richtig freuen –  fordert die besondere Form unseres Parlamentarismus ihre faulen Kompromisse; sie schwächt die Handlungsfähigkeit, Macht und Kompetenzen der Gewählten. Im Strudel ihrer Dynamik zerstören die erzwungenen Koalitionen Vertrauen und Prinzipien und verwischen bezogene Position.

Die klaren Entscheidungen der Bürger verkümmern zu Winkelzügen auf den politischen Schachbrettern der elitären Macher. Die Demokratie als Instrument eines Statismus, dem sie nur noch als Alibi dient. Der Wille des Volkes – verraten durch seinen eigenen Wächter. Oder wie es der Verfassungsrechtler Carl Schmitt eleganter formulierte: “Der Volkssouverän verschwindet in der Wahlkabine”.

Eine interessante Frage wäre, ob in einer Volksabstimmung noch eine Mehrheit für unsere parlamentarische Demokratie stimmen würde, also für das gegenwärtige System der Verhältniswahl und Parteienrechts – vorausgesetzt dem Wähler wäre die genaue Sachlage und bessere Alternativen bekannt. Erstaunlicherweise akzeptieren wir bis jetzt diese perversen und selbsttäuschenden Zustände. „Wir leben schließlich in einer Demokratie und wo es demokratisch zugeht, müssen Freiheit und Gerechtigkeit herrschen”.

Bei der Demokratie hört die Freiheit der Minderheit auf, vor allem dann, wenn die Mehrheit für blanken Unsinn stimmt. Nun kann man argumentieren, dass die überwiegende Mehrheit nicht irren kann, weil ja die breite Masse eher richtige als falsche Entscheidungen trifft. Was aber passiert, wenn die breite Masse durch eine bestimmte Mehrheit repräsentiert wird, die über die Entscheidungen, die sie trifft, entweder falsche Informationen hat oder manipuliert wurde oder das Ausmaß der daraus folgenden Konsequenzen nicht überblicken kann oder will?

Was geschieht, wenn die Mehrheit klare Vorteile auf Kosten der Minderheit genießen darf; wie ohnmächtig fühlt sich die Minderheit, wenn sie hilflos mitansehen muss, wie ihre Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen herabgewürdigt und als vernachlässigbar gekennzeichnet werden? Ist ein solches System wirklich gerecht? Bewerten wir diese Frage immer gleich, egal ob wir auf der Mehr- oder auf der Minderheitenseite stehen?

Dieser erste von insgesamt drei Teilen entstand in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit einem der Autoren von “alphachamber”, dem ich hier meinen aufrichtigen Dank ausspreche!

(1)     Die demokratische Krankheit; Christoph Braunschweig, ISBN 978-3-7892-8343-7

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