Mehltau

von Michael Winkler (453. Pranger)

Bezeichnung für verschiedene durch Pilze hervorgerufene Pflanzenkrankheiten. Die Echten Mehltaupilze (Erysiphales) gehören zu den Schlauchpilzen. Sie überziehen Blätter, Stengel und Früchte mit einem dichten Myzel und daran gebildeten Konidien. (c) wissenmedia GmbH, 2010

Was das Lexikon nicht sagt: Mehltau sieht einfach schmutzig aus, wie die Hinterlassenschaft von Vögeln oder die Arbeit einer ganzen Horde Spinnen. Er überzieht die Pflanzen und läßt diese nach und nach eingehen. Damit möge der Botanik genug getan sein, darüber mögen sich berufenere Leute auslassen.

Mein Mehltau ist die lähmende Schicht, die Merkeldeutschland befallen hat. Eine bleiern gewordene Zeit wälzt sich träge dahin, nichts geht wirklich voran, und wenn, wird es eine Änderung zum Schlechteren. Die Unfähigkeit der Politiker lastet drückend auf dem Land, die Schwüle wie vor einem Gewittersturm macht jede Arbeit zur Qual. Wir sehen alle die Wolken des Unwetters am Horizont, ganz langsam, kaum merklich, kommen sie näher. Sollen wir Blitz und Hagelschlag fürchten, oder den Wolkenbruch als Erlösung herbeisehnen, der die staubige Luft reinigen wird?

In Merkeldeutschland ist das Leben freudlos geworden, eine Gedankenpolizei aus Gutmenschen und Justiz kontrolliert jegliche Regung von Patriotismus. Der Schuldkult ist Staatsreligion geworden und wird von der Inquisition gnadenlos durchgepeitscht. Heerscharen von Spitzeln und Denunzianten nehmen die Menschen die letzten Freiheiten. Der allgegenwärtige „Kampf gegen Rechts“ ist der gnadenlose Kampf gegen die letzten verbliebenen Bürgerrechte.

Die neueste Forderung des Brüsseler Kommissariats zur Gedankenlenkung heißt „Toleranz“. Wer es wagt, etwas gegen Frauen, Juden, Schwule, Ausländer und Wellensittiche zu haben, soll seine Intoleranz im Inquisitionsgefängnis büßen. Auf Gedankenverbrechen folgt nicht der Tod, Gedankenverbrechen sind der Tod. Diese Art der Freiheit ist Sklaverei, die bewußt herbeigeführte Unwissenheit ist die Stärke jener abgehobenen Schicht, die glaubt, daß ihr gelingt, was bisher immer versagt hat: die Erschaffung eines neuen Menschen.

Die Gleichschaltung des Denkens hat nie funktioniert, gleichwohl hat jeder totalitäre Staat versucht, sie einzuführen. Die Kirche hat damit angefangen, aus einer Religion, die einmal den Sklaven die Freiheit und die himmlische Glückseligkeit versprochen hatte, ein brutales Herrschafts- und Unterdrückungssystem werden lassen. Inquisition und Hexenverfolgung sind heute wieder allgegenwärtig, nicht zur höheren Ehre Gottes, sondern zur höheren Ehre des weitaus zweifelhafteren Staates.

Die französischen Revolutionäre wollten den neuen Menschen herbeimorden, ebenso die Kommunisten. Immer hat sich die Natur, die Unabhängigkeit des Menschen als mächtiger erwiesen. Hitler, Franco, Salazar, Mussolini – nichts ist von ihren stolzen Erziehungskonzepten geblieben. Mochten Pol Pot und Mao Tse-Tung ihre Völker im Blut ertränken, die Umerziehung ist fehlgeschlagen. Der Islam hat es nur vermocht, Terroristen heranzubilden, die Glauben heucheln, um ihre Brutalität, Gewalt und Primitivität zu rechtfertigen.

Das heutige System der Spitzel und Gedankenkontrolleure ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Der Gender-Wahnsinn ist ein Auswuchs der Dekadenz, nicht des geistigen Fortschritts. Niemand bezweifelt, daß es in den Fünfziger Jahren ein Gleichberechtigungs-Problem gegeben hatte, als Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes kein Konto eröffnen oder einen Führerschein erlangen konnten. Aber daß diese Gerechtigkeit heute durch Frauenquoten, „Girl’s days“ und allseitige Bevorzugung weiter gefördert wird, kann niemand begreifen, der sich noch Reste eines gesunden Menschenverstands bewahrt hat.

Die geschlechtliche Präferenz ist Privatsache, niemand sollte deswegen eingesperrt werden. Bei einem Zärtlichkeiten austauschenden Paar auf einer versteckten Parkbank drücke ich gerne ein bis zwei Augen zu, wer beim Bummeln durch die Stadt Händchen halten will, soll das ebenfalls tun. Aber intensive Schmusereien in der Öffentlichkeit gefallen mir nicht, egal, welchen Geschlechtern die beiden angehören. Es ist ebenso unsinnig, die Abweichung zur Norm hochstilisieren zu wollen. Und es ist eine Abweichung, rein biologisch, da gleichgeschlechtliche Partner nicht zur Erhaltung der Art beitragen, mithin eine Art, bei der dies zur Norm wird, zum Aussterben verurteilt ist.

Toleranz heißt zu akzeptieren, daß ein Anderer eine eigene, von meiner Meinung abweichende Ansicht hat. Solange er das mit friedlichen Mitteln tut, darf er diese Meinung auch vertreten. Ich bin nicht verpflichtet, ihm zuzuhören, ich bin nicht verpflichtet, über diese andere Meinung zu diskutieren. Und ich bin nicht verpflichtet, dieser Meinung eine Plattform zu geben, auf der sie verbreitet werden darf. Ich darf diese Meinung sogar aktiv bekämpfen, solange es eine Auseinandersetzung mit geistigen Mitteln ist, ich darf sie jedoch nicht unterdrücken.

Der Zar ist in Moskau, und Moskau ist weit, hieß es früher in Rußland. Heute sitzt der Zar in Brüssel, räumlich nur einige Stunden entfernt, von der Realität der Menschen jedoch Welten. Das ist eine Institution, die Gurkenkrümmungsradien beschließt, dicke Wälzer mit 50.000 Worten über Karamelbonbons verfaßt und Glühbirnen verbietet. Was einstmals das Zusammenleben der Völker Europas vereinfachen sollte, ist zum Regelungsmoloch verkommen, der sich selbstverliebt in alles einmischt, was sich oft schon seit Jahrhunderten bewährt hat. Aus gelebter Vielfalt wird somit erzwungene Einfalt, Europa zur gesichtslosen Einheitswüste reguliert. Wie einst in der DDR, wo in Jena die gleichen genormten Plattenbauten hochgezogen wurden wie in Schwerin.

Das Einzige, was der Bundestag in absehbarer Zeit noch selbst beschließen wird, ist die Erhöhung der Abgeordneten-Diäten. Inzwischen werden 90 Prozent der Gesetze in Brüssel beschlossen, die das dafür überdimensionierte und viel zu teure deutsche Parlament nur noch in nationales Recht umformatieren muß. Dank der EU besitzt Schleswig-Holstein eine Seilbahnverordnung und Österreich vermutlich ein Gesetzeswerk für den Küstenschutz und Vorschriften über die Hochseefischerei.

  In Merkeldeutschland geht alles nur noch zäh und schleppend voran. Ob Elbphilharmonie, der Bahnhof Stuttgart 21 oder der Berliner Pannenflughafen – alles zieht sich lang und länger, sprengt schließlich jeden noch so großzügig erdachten Kostenrahmen. Wir haben Glück, daß verkorkste Projekte wie die merkelhafte Energiewende noch nicht ins Chaos geführt haben. Dahinter stecken ein paar tüchtige Leute, die weder der Politik noch den Wirtschaftsführern angehören, sondern in der mittleren Führungsebene still, fleißig und verläßlich arbeiten.

Die namhaft gewordenen Manager, Middelhoff und Ackermann, Mehdorn und Löscher, „Ron Sommer“ und Schrempp, Wiedeking und Cromme, haben sich ihre Bekanntheit mit ihren Fehlleistungen verdient. Sie haben ihren Unternehmen geschadet und Arbeitsplätze vernichtet. Sie haben die Erneuerung verhindert und Entwicklungen, die ihren Unternehmen Marktvorteile gebracht hätten, einfach nur blockiert. Dafür waren sie allesamt politisch korrekt und haben brav ihren Diener vor der Kanzlerin gemacht.

Mehltau hat sich über das Land gelegt, über ein Land, das schon lange nicht mehr regiert, sondern immer schlechter und bürokratischer verwaltet wird. In diesem Land werden Wahlen nicht nur ganz offen gefälscht, sondern das auch noch derart schlecht, daß hinterher eine Regierungsbildung schwer wird. Es sei denn, man glaubt dem Gerücht, daß Goldman Sucks der BRD eine große Koalition befohlen hat, dann haben die Wahlergebnisberichtiger das getan, was ihnen befohlen wurde.

Die Parteien sind sowieso austauschbar, und schon die Leute hinter den Parteichefs sind derart profillose mausgraue Graumäuse, daß man sich kaum deren Namen erinnert. Das mittelmäßigste Mittelmaß hat dies auch nicht verdient, denn wenn in diesem Land noch etwas funktioniert, dann trotz der Politik, nicht wegen ihr. Die Parolen sind andere, doch was uns vorgelebt wird, ist eine neue DDR, in der ein „Held der Arbeit“ heute das Bundesverdienstkreuz bekommt, das eine ein Stück Blech wie das andere, verliehen für offen gezeigte Staatshörigkeit. Oh ja, Preise haben wir genug, und sie sie werden jenen Leuten verliehen, die in aller Einfalt auf Staatslinie agieren.

Da werden Gestalten zu Philosophen und Intellektuellen hochgelobt, die allenfalls in geringem Maß zu eigenen Gedanken fähig sind. Figuren, die in der Kompanie durch den saubersten Schuhputz auffallen wollen, die also noch ein wenig intensiver nachbeten, was von staatlicher Seite erwünscht ist. Wer die ewige Schuld der Deutschen beschwört, wer unsere Herkunft und unsere Vorfahren am intensivsten beschimpft, der ist wohlgelitten, wer es wagt, das Gegenteil zu behaupten, wird von Staats wegen verfolgt.

Der angebliche Rechtsstaat benötigt Gummiparagraphen, um Dissidenten zu verfolgen. Staatsanwälte sind angewiesen, bei allen denkbaren Auslegungen stets die bösartigste zu wählen. Aber nur bei Deutschen, denn die gleichen Gestalten finden bei Ausländern immer Milderungsgründe, plädieren für ein energisches „Du, du!“, wo zehn Jahre Haft wegen Totschlags angebracht wären.

Die deutsche Kultur wird systematisch unterdrückt. Oh, ja, Wagner-Opern werden noch aufgeführt, nur spielen sie in der Kulisse eines Schlachthofs. Lohengrins Schwan ist zum Motorrad geworden, die Walküren verkleiden sich als Prostituierte, Göttervater Wotan stolpert als versoffener Obdachloser durch die Szenen. Ja, das ist originell, das nennt sich heutzutage Kultur. Regisseure, die selbst zu keinerlei eigenem Schaffen befähigt sind, ziehen wenigstens die Werke wahrer Schöpfer in den Dreck ihres eigenen geistigen Mindermaßes.

Wir bezahlen für öffentlich-rechtliches Fernsehen und Rundfunk, doch was auf diesen Sendern läuft, ist zumeist derart abgestanden, daß vereinzelt gesendete gute Filme gerne übersehen werden. Der deutsche Problemfilm ist ein Problem, weil keiner der „Filmemacher“ mehr ein Thema gefällig aufbereiten kann. Schlechte Schauspieler, häßliche Kleidung, langweilige Filmumgebungen, freche Weiber als Heldinnen, dumpfdoofe Männer als Hauptfiguren und dazu eine Handlung, die auf einer halben Seite DIN A4 beschrieben schon langweilig und ausgewalzt erscheint. Wenn man derartiges benoten möchte, dann mit Eins bis Fünf – für die Minuten, die ein durchschnittlicher Fernsehzuschauer benötigt, um zur Fernbedienung zu greifen und den Sender zu wechseln. Bei mir geschieht das meistens innerhalb der ersten Minute.

Im deutschen Dummfunk für Dreijährige und solche, die sich intellektuell zurückentwickeln, wimmelt es von „Spielshows“, „Talkshows“ und anderen anspruchslosen Sendungen. Ein Bildungsangebot ist praktisch nicht vorhanden, und wenn, dann ist es Propaganda, in der das Evangelium nach Guido Knopp gelehrt wird. Wenigstens bekommen wir auf diese Weise derart oft Hitler zu sehen, daß man sich langsam fragt, ob der den Krieg wirklich verloren hat.

Westerwelles Wort über die spätrömische Dekadenz wird wohl, abgesehen von den Reisen auf Staatskosten mit seinem Bettgenossen, das Einzige bleiben, an was man sich erinnern wird. Die tatsächliche Dekadenz ist nicht spätrömisch, sondern merkelhaft. Wir leben in einer Zeit der Verkrustung, des Beharrens, der beginnenden Leichenstarre eines Zeitalters, das 1945 begonnen hatte und bereits seit den 1890ern vorbereitet wurde. Die Demokratie hat gewonnen und sich überlebt, sie setzt längst keine Energie mehr frei, sondern läßt sie absterben, übergießt alles mit einen Einheitsbrei, der das Land im Mehltau versinken läßt.

Neue Gedanken? Oh, die gibt es durchaus, doch sie werden offiziell ignoriert. Gleich einem neuen Biedermeier erhalten Andersdenkende das Stigma aufgebrannt, „Nazis“ oder „Rechte“ zu sein, mit denen man nichts zu tun haben möchte, wo es gefährlich ist, überhaupt die gleiche Luft zu atmen. Offenkundigkeit beschränkt sich nicht nur auf den unantastbaren Säulenheiligen Holocaust, offenkundig ist längst alles, was zur intellektuellen Auseinandersetzung nicht mehr fähig ist. Die Demokratie ist die beste aller Staatsformen, der Staat hat für das Wohlergehen aller zu sorgen, wir kümmern uns um alle Flüchtlinge der Welt, Ausländer bereichern unsere Kultur, Deutschland ist ein Einwanderungsland und der Islam gehört zu Deutschland. Wehe, es wagt jemand zu widersprechen!

Die Diktatur der Lebensuntüchtigen verschwendet, was die wenigen, die tatsächlich noch produzieren, im Schweiße ihres Angesichts erarbeiten. Die Exporte Merkeldeutschlands werden auf Kredit finanziert, Kredite, die praktischerweise die Deutsche Bundesbank über das „Target 2 System“ gewährt. Zurückgezahlt werden diese Kredite nie, mit anderen Worten, wir verschenken, was wir ins Ausland liefern. Was heute als „Export“ bezeichnet wird, wurde früher „Tribut“ genannt, in ehrlicheren Zeiten.

Die Erstarrung über diesem Land wird schließlich aufgebrochen werden, mag es auch noch einige Zeit dauern. Gegen Pflanzenkrankheiten gibt es ein probates Mittel: Herausreißen, was befallen ist, und verbrennen, um den Pflanzen einen Neuanfang zu ermöglichen. Das wird auch bei uns geschehen. Fin de siècle, so nannte man das früher, Ende des Jahrhunderts, oder besser des Zeitalters. Der Dekandentismus wird schließlich zusammenbrechen, die „verfeinerte Kultur“ genauso. Gutmenschen können wir uns dann nicht mehr leisten, auch keine Kampfemanzen, Genderwahnsinnige und unproduktive Ausländer. Wer arbeiten möchte, wird beim Wiederaufbau dieses Landes Arbeit bekommen, wer dann jedoch nicht arbeiten möchte, wird ein altes deutsches Sprichwort kennenlernen: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

Die Zeit des Mehltaus, die Zeit des Dekadentismus, die Zeit des Fin de siècle ist schwer zu ertragen. Doch leider muß sie durchlitten werden, wir müssen den Kelch bis zur bitteren Neige leeren. Der Gewittersturm am Horizont wird über uns kommen, so sehr die Nutznießer dieser Zeit auch die Augen davor verschließen wollen. Wer den Kopf in den Sand steckt, wird vom Blitz erschlagen. Wer sein Hab und Gut sturmfest verzurrt hat, kann getrost abwarten, auf die Zeit danach, die Zeit der gereinigten Luft, die uns alle befreit aufatmen läßt.

© Michael Winkler

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