Massenmanipulation : Großmacht Facebook

Sissy Hanuman (jasminrevolution)

Derzeit ist wieder einmal Facebook im Gespräch: Man will den Megakonzern (und andere Netzgiganten wie Google, Amazon, Apple) tatsächlich fairer besteuern (!). Wahrscheinlich ist leider, dass diese politisch ventilierten Ambitionen den gleichen Weg nehmen wie etwa das nach der Finanzkrise 2008 behauptete Vorhaben die Banken zu (re-) regulieren: In den Orkus der politischen Lügenmärchen. Netzkonzerne und insbesondere Facebook sind einfach zu wichtig, um sie ernsthaft anzugehen. Zu wichtig für zu mächtige Gruppen in den USA und in der EU. Dabei ist die ökonomische Power vielleicht sogar nur zweitrangig neben der Softpower der kulturellen und psychologischen Beeinflussung ganzer Bevölkerungen.

Facebook ist mit 80 Mia. Dollar Börsenwert ein Schwergewicht im Netz, es aber auch als gilt als größte „Nation“ der Netzwelt: Mit ca. 2,2 Milliarden „Bewohnern“ ist es weit größer als China und Indien. Eine solche Herde von Nutzern ist attraktiv für diverse Parteien. Da sind neben Marketingagenturen, Großunternehmen wie Banken, Versicherungen usw. auch diverse staatliche Stellen und Dienste, die gerne auf unsere privaten Daten zugreifen: Spätestens durch die Leaks von Edward Snowden wurde etwa das PRISM-Programm bekannt, mit dem die NSA und andere gezielt Soziale Plattformen abschöpfen. Unklar ist, in welchem Ausmaß die Netzkonzerne bei diesem Abschöpfen aktiv mitmachen oder selber Opfer von Angriffen sind (wie sie gerne ihren Kunden gegenüber behaupten).

Andere staatliche Zugriffe auf private Daten erfolgen weniger heimlich, sollen wohl eher der Einschüchterung und präventiven Erzwingung von Konformität dienen: So verlangen US-Behörden bei der Einreise Zugriff auf Social Media-Accounts -um zu prüfen welche Meinungen der Reisende vertritt? Oder will man wirklich nur Terrornetzwerke aufdecken? Auf jeden Fall ist Facebook zu einem zentralen Bestandteil staatlicher Kontrollen geworden, nachdem es seine Nutzer schon als Geschäftsmodell der Kontrolle durch Werbetreibende anheimstellt. In politischen Kämpfen, vor allem wichtigen Wahlkämpfen, fließen staatliche und privatwirtschaftliche Interessen zusammen: Welche Fraktionen, welche Branchen und Konzerne können ihre Parteien und Kandidaten am besten verkaufen? Also den Wählern am besten vormachen, ihr Kandidat würde Wählerinteressen vertreten?

Fake News und Sockenpuppen: Cambridge Analytica

Spätestens seit der rechtspopulistische Milliardär Donald Trump sich überraschend in der US-Präsidentschaftswahl 2016 durchsetzte, ist eine netzspezifische Manipulationsmethode in der öffentlichen Debatte: gezielte Meinungsmache durch den Einsatz großer Mengen an unechten Usern (Sockenpuppen), von Agenturen oder Diensten mithilfe dieser Sockenpuppen vorgetäuschte Gruppen und von diesen Gruppen oder Sockenpuppen verbreiteten Fake News. Angestrebt wird eine Vorherrschaft in Netzdiskursen, um so den Anschein einer Mehrheitsmeinung zu erwecken. Ziel ist, dass diese Fake News bzw. durch sie eingeimpfte Meinungen dann von realen Usern übernommen werden, was bekanntlich nach dem Prinzip der „Schweigespirale“ anderen Sichtweisen langsam die Luft abwürgt.

Im November 2016 sorgte ein Artikel der Schweizer Zeitschrift Das Magazin, für Aufsehen. In diesem Bericht ging es um die britische Marketingfirma Cambridge Analytica, die eigenen Angaben zufolge mit sogenanntem Microtargeting Donald Trump zum Wahlsieg verholfen hat. Das Konzept hinter dem von ihr betriebenen Politmarketing beruht auf einer Kombination aus persönlichen Facebookdaten und Daten, die mit Hilfe psychometrischer Verfahren gewonnen wurden. Daraus wurden die Persönlichkeitsstrukturen von Millionen Amerikanern ermittelt, ihre Vorlieben und Ängste analysiert und Verhaltensvorhersagen gemacht. Schließlich wurden ihnen gezielt gefilterte politische Nachrichten zugesandt, um so ihr Wahlverhalten zu beeinflussen. Aufgrund ihres Erfolges im Wahlkampf für Trump erhalte Cambridge Analytica nun Anfragen aus aller Welt und sei darüber hinaus auch an der Brexit-Kampagne von leave.eu beteiligt gewesen. Inzwischen hat der Skandal so hohe Wellen geschlagen, dass Cambridge Analytica aufgeben musste und die Polizei aktiv wurde. Man wollte schnell den Mantel des Schweigens über die Tatsache breiten, dass hier nur die Spitze des Eisbergs sichtbar geworden war und auch nur deshalb, weil diesmal ein politischer Außenseiter mit den schmutzigen Methoden Erfolg gehabt hatte. Ist Facebook -neben vielem anderen- auch eine Verschwörung?

Da eine Verschwörung eine Art kognitiver Apparat ist, der gemäß Informationen handelt, die er von seinem Umfeld erhalten hat, führt die Verzerrung und Einschränkung dieser Inputs sehr wahrscheinlich zu unangebrachten Handlungen. Programmierer nennen diesen Effekt garbage in, garbage out. Üblicherweise verläuft dieser Effekt genau anders herum; die Verschwörung ist der Urheber der Täuschung und Informationsbegrenzung. In den USA wird der Aphorismus der Programmierer manchmal auch „Fox News effect“ genannt.“ Julian Assange, Wikileaks-Manifest 2006

Dass Cambridge Analytica für Trump gearbeitet hat, ist belegt. Allerdings nahm das Unternehmen seine Arbeit erst am Ende der Vorwahlen auf und war nicht die einzige Firma, die an den Wahlkampagnen beteiligt war. Laut Firmenchef Alexander Nix wurden aufgrund der kurzen Periode oben genannte psychometrische Verfahren, die aufgrund von Facebook-Likes Persönlichkeitstypen und Einstellungen festlegen, nicht angewandt. Der Artikel auf Das Magazin hat also vermutlich unrecht, wenn man dort den Wahlsieg Trumps nur der Arbeit von Cambridge Analytica zuschreibt. Doch weist er darauf hin, dass an derartigen Methoden und in solchen Feldern gearbeitet wird und sie sich stetig verbessern.





Bislang haben Soziale Plattformen und insbesondere Facebook diese Methode heruntergespielt. Im April 2017 veröffentlichte die Sicherheitsabteilung von Facebook allerdings einen Report über derartige Manipulationen, ihr Ausmaß und die Gegenmaß- nahmen auf Seiten von Facebook. Der gewährte Ein-blick offenbarte durchaus ambitionierte Versuche, sowohl in den US-, als auch in den französischen Präsidentschaftswahlkampf einzugreifen, auch wenn Facebook das klein redet. Manipulationen, die Facebook selbst unternimmt oder für die Facebook bezahlt wird (z.B.Werbung), werden in dem (inzwischen im Netz nicht mehr auffindbaren) Report übrigens mit keiner Silbe erwähnt.

Das Netz vergisst nichts und vergibt nichts

Alles, was man jemals preisgegeben hat –gleichgültig, ob freiwillig oder unwissentlich– bleibt im digitalen Gedächtnis des Internets für immer erhalten. Die Algorithmen von Facebook etwa werten permanent die Daten aller Nutzern aus, jeder stimmt dem durch seine Teilnahme zu. Ziel ist dabei Marketing: Werbefirmen können sich Profile erstellen, um genau jenen Facebook-Nutzern persönlich abgestimmte Werbung zu schicken, die sich für ihre Produkte interessieren sollen. Natürlich gibt es weitere Datenquellen im Netz, auf die von Firmen und Diensten zugegriffen werden kann.

Scheinbar kostenlose Dienste wie die von Facebook oder Google werden mit den eigenen Daten teuer bezahlt: Die Konzerne verdienen Milliarden damit ihre Nutzerherden zu digital zu bewirtschaften. Smartphone-Apps leiten die Daten ihrer Nutzer an Werbenetzwerke weiter, ohne dass diese davon in Kenntnis gesetzt werden oder zugestimmt hätten. Die Werbenetzwerke speichern dabei die IMEI (International Mobile Station Equipment Identity, die Seriennummer des benutzten Geräts, das so immer identifizierbar ist). Mit dem Nutzungsverhalten, das über mehrere Apps hinweg beobachtet wird ergibt sich so ein Nutzungs- und Interessenprofil. Es werden freiwillige direkte Angaben, aber auch Klicks, Likes und Dislikes, Standorte, soziale Netzwerke und Beziehungen erkannt und ausgewertet, um differenzierte Profile von Menschen zu erstellen, sie einzuschätzen, zu bewerten, ihr Verhalten vorherzusagen und sie zu manipulieren.

Wer glaubt, dass es sich hierbei um scheinbar unkritische, harmlose Daten handelt, liegt völlig falsch. Interessant sind neben demografischen Daten gerade solche, die private Einblicke in das Leben von Menschen erlauben. Erfasst werden persönliche Stärken, Schwächen, Ängste, Interessen und Einstellungen, aber auch Krankheiten, Beziehungen, Kaufkraft und Kreditwürdigkeit, intime Geheimnisse, Neigungen oder Suchtverhalten. Neben Smartphones, Posts in Social Media, Online- shopping, Suchmaschinenanfragen und Surfverhalten geben auch Daten aus tragbaren Geräten (sog. Wearables) wie Fitnesstrackern profitablen Aufschluss über eine Person.

Den Wunsch, die politischen Einstellungen und Meinungen der Bevölkerung davon im großen Maßstab zu beeinflussen, gab es freilich lange vor Cambridge Analytica, Facebook oder dem Internet. Man denke nur an die bereits ausgefeilte Propagandatechnik in Nazi-Deutschland oder an das MK-Ultra Programm der CIA. Auf dem Feld der Manipulation und Gedankenkontrolle waren die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Akteuren schon immer fließend. Facebook bzw. seine „Kunden“, die wir in Wirtschaft, Politik und Staatsapparaten vermuten dürfen, hatten viele Vorläufer und Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung entsprechender Methoden der Massenmanipulation… etwa das „Nudging“, das leichte „Anstubsen“ zur psychologischen Manipulation der Motive von Menschen.

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