Krieg in Europa: wie wahrscheinlich ist ein Flächenbrand?

von Gerhard Spannbauer (krisenvorsorge)

Vor wenigen Wochen warnte Paul Craig Roberts, ehemaliger stellvertretender Schatzminister der Regierung Ronald Reagan, die Öffentlichkeit davor, dass Washington einen dritten Weltkrieg durchaus als Option sehe. Bei der Einschätzung solch gewagter Aussagen sollte man nicht nur die konkreten Hinweise und Indizien (die es in diesem Falle leider reichlich gibt) prüfen, sondern auch einige grundsätzliche Überlegungen anstellen – wie z.B. die Folgende:

Die vom “zivilisierten Westen” zu verantwortende teilweise oder völlige Zerstörung von sieben Staaten, die gleich zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Unterstützung der westlichen Medien stattgefunden hat, beweist, dass die führenden Politiker der westlichen Welt völlig ohne Moral, Gewissen und menschliches Mitgefühl sind.

Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung kann einem bei der Zusammenschau der zuletzt erfolgten Maßnahmen des Westens ziemlich mulmig werden. Vieles davon nimmt dann das Aroma von Kriegsvorbereitungen an, so manches unter den folgenden Punkten, die Paul Craig Roberts und andere Quellen (siehe Verlinkungen weiter unten) aufzählen, ist kaum zu glauben:

– Laut P.C.Roberts haben die USA im Jahr 2010 ihre Kriegsdoktrin dahingehend geändert, dass US-Atomwaffen nicht mehr nur der Abschreckung und Vergeltung dienen, sondern auch bei einem “präemptiven” Angriff eingesetzt werden können. Danach sollen neokonservative Berater wie bspw. das Council on Foreign Relations der Regierung eingeredet haben, dass die strategischen Atomwaffen Russlands in einem desolaten Zustand und nicht mehr einsatzbereit seien, sprich durch einen Überraschungsangriff ganz leicht ausgeschaltet werden könnten. Nun glauben politische Kreise in Washington nach Roberts’ Ansicht tatsächlich, “einen Atomkrieg gewinnen zu können und betrachten ihn als d a s Mittel zur Ausschaltung Russlands und Chinas und zur Sicherung der Weltherrschaft der USA.

– Washington ist 2002 vom Anti-Ballistic Missile Treaty (ABM-Vertrag) mit Russland einseitig zurückgetreten und entwickelt jetzt gemeinsam mit der NATO einen Raketenabwehrschild in Osteuropa. “Gleichzeitig dämonisiert Washington Russland und dessen Präsidenten mit schamlosen Propagandalügen, um die Bevölkerungen der USA und ihrer (europäischen) Marionettenstaaten auf einen Krieg mit Russland einzustimmen.“, so Roberts.

– NATO-Generalsekretär Rasmussen schlägt im Interview mit der spanischen Zeitung El Pais kräftig auf die Kriegstrommel: “Wir werden die Tatsache zur Kenntnis nehmen müssen, dass uns Russland jetzt wieder als Gegner betrachtet“. Zuvor hatte schon sein Stellvertreter Alexander Vershbow Russland zum Feind erklärt und hinzugefügt, die Steuerzahler in den USA und in Europa müssten mehr Geld für die Modernisierung der Streitkräfte “nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan” herausrücken. Gleichzeitig rüstet die NATO die Streitkräfte ihrer Mitgliedsstaaten in Ost- und Mitteleuropa und die der Ukraine auf und verlegt Militär bis an die russische Grenze.

– Das US-Verteidigungsministerium erarbeitete einen Gesetzesentwurf, der in guter alter Manier der Tatsachenverdrehung den Namen “Russian Aggression Prevention Act 2014″ trägt und nun dem Kongress und Senat zur Abstimmung vorliegt. Mit diesem Gesetz würde u.a. die Ukraine ein offizieller Alliierter der USA, womit dann auch die Beistandsverpflichtung der NATO-Länder in Kraft treten würde. Diese sollen die Beistandverpflichtungen der europäischen Staaten, die den I. und II. Weltkrieg auslösten, noch in den Schatten stellen. Das Gesetz dürfte es Russland massiv erschweren, weiterhin die Füße still zu halten und seine relativ gelassene Haltung aufrecht zu erhalten – die bislang der einzige Weg war, die Ausweitung des Krieges zu verhindern.

– Politikerstatements, die einen Krieg für wahrscheinlich erklären, werden derzeit auch in den Mainstreammedien herumgereicht. So wird ein Vertrauter Putins in der FinancialTimes mit der Aussage zitiert, dass das Yukos-Urteil gegen die russische Regierung im Lichte der geopolitischen Auseinandersetzung um die Ukraine unerheblich sei, denn „es wird einen Krieg in Europa geben. Glauben Sie wirklich, dass das dann noch eine Rolle spielt?“. Auch Frank-Walter Steinmeier wird mit der Aussage zitiert, dass der Frieden in Europa in Gefahr sei. Dem Spiegel sagte er, die Entwicklung in der Ukraine könne zu unvorhersehbaren Folgen “für ganz Europa” führen.

“Optimistische” Beobachter nehmen an, dass all diese Drohkulissen “nur” auf einen Putsch gegen Putin hinarbeiten und ein Krieg nach erfolgtem Regime Change obsolet sei. Andere sagen, der unersättlich gewordene Militärisch-Industrielle-Komplex der USA wolle gefüttert werden und ein Krieg sei allein deshalb schwer zu verhindern. Und die Pessimisten reden gar vom Wunsch der USA nach einem Atomkrieg – zum Einen, weil die NATO mit einer “konventionellen” Offensive keine Chance gegen Russland habe, zum Anderen, weil US-Militärs das zu Ende führen wollten, was in der Operation Northwood 1963 noch misslungen ist.

Zwar können wir die Wahrscheinlichkeit insbesondere für Letzteres nicht wirklich einschätzen, doch es ist sicher keine Übertreibung oder Panikmache, wenn wir nun zusammenfassend feststellen, dass die Gefahr eines Flächenbrandes enorm hoch ist. Viele wiegen sich in falscher Sicherheit, weil sie glauben, dass unsere politischen und wirtschaftlichen Eliten ja nun so durchgeknallt auch wieder nicht seien, um so eine Katastrophe zuzulassen. Darauf sollte man sich aber lieber nicht verlassen – denken wir nur an das Eingangszitat von Paul Craig Roberts. Auch Guido Grandt weißt nicht umsonst auf folgendes hin: “Vor dem Hintergrund, dass nicht nur die USA faktisch Pleite ist, sondern auch die meisten Mitgliedsländer der EU mit den höchsten Staatsverschuldungen seit Gründung zu kämpfen haben, scheint der “Big Bang” unausweichlich, um all diese Probleme lösen zu können. Die vergangenen Kriege haben gezeigt, dass sich Politiker nie gescheut haben, diese Mittel anzuwenden.” Hinzu kommt, dass der Dollar als Weltleitwährung kurz vor dem Untergang steht und man in Washington vermutlich glaubt, dies mit der gezielten Schwächung Russlands verhindern bzw. verzögern zu können.

Wahrscheinlich ist schon so mancher Krieg auch deshalb nicht verhindert worden, weil die Bevölkerungen die “Durchgeknalltheit” ihrer Führungsriegen unterschätzt haben. Statt diesen Fehler wieder zu begehen, sollten wir uns also lieber an den Schlachtruf einer besonders durchgeknallten ehemaligen US-Regierung in abgewandelter Form halten: statt “wer nicht für uns ist, ist gegen uns” heißt es nun: “wer nicht aktiv gegen diesen Krieg einschreitet, ist für ihn”. Die Zeit, aus der Lethargie aufzuwachen und aktiv etwas zu tun, ist jetzt. Allein schon ein virtuelles Statement im Internet kann ein erster Schritt sein. Der nächste Schritt wäre, auf die Straße zu gehen, massenhaft Präsenz zu zeigen und unmissverständlich deutlich zu machen, dass kein einziger psychisch einigermaßen gesunder Mensch diesen oder einen anderen Krieg will.

Erfolg ist damit zwar nicht garantiert, doch wenn wir gar nichts tun, werden wir hinterher wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr bekommen, der nächsten Generation zu erzählen, dass man das ja alles nicht wissen konnte.

 

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