Junckers Plan: Schlösser, auf Sand gebaut?

Viktoria Issajewa (Stimme Russlands)

STIMME RUSSLANDS Kaum hatte Jean-Claude Juncker seinen Posten als Chef der Europäischen Kommission angetreten, machte er sich an die Erfüllung seiner Wahlversprechungen. Sein Hauptprojekt, der neue Plan für die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Wachstums der Europäischen Union, wurde dieser Tage publik gemacht. Die Grundidee besteht in der Errichtung eines europäischen Fonds für strategische Investitionen unter Heranziehung von Mitteln in Höhe von 315 Milliarden Euro, was nach Vorstellungen der Ideologen des Projekts zur Gesundung der europäischen Wirtschaft führen und ihr einen Entwicklungsauftrieb verleihen soll.

Aber die Wirtschaftswissenschaftler wie auch ein bedeutender Teil der europäischen Deputierten verhalten sich diesem Projekt skeptisch gegenüber und ziehen die Effizienz der erwähnten Maßnahmen in Zweifel. Der französische Ökonom Charles Sannat kommentierte die wirtschaftliche Situation in Europa und umriss in einem Interview eventuelle Auswege aus der Krise.

Jean-Claude Juncker hat seinen Plan für die Sanierung der europäischen Wirtschaft präsentiert. Er schlägt vor, einen Fonds für strategische Investitionen zwecks Stimulierung der Wirtschaft der Europäischen Union zu einzurichten. Was wird nach Ihrer Ansicht danach folgen?

„Meiner Ansicht nach nichts. Neulich sah ich mir alte Dokumente durch und stieß auf einen Plan für die Stimulierung der europäischen Wirtschaft aus dem Jahre 2008, welcher Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro vorsah. Heute sehen wir ein ähnliches Bild, doch in der Tat geschieht nichts. Erinnern wir uns an die FESF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität), das MFS, den ersten Plan von Barroso aus dem Jahre 2008 und dann an den nächsten ähnlichen Plan aus dem Jahre 2010, der die Beschaffung von 130 Milliarden Euro vorsah. Ein Resultat ist ausgeblieben. Addiert man 200 und 130 Milliarden, so bekommt man den Betrag des neuen Projekts von 2014. Dennoch wird nichts geschehen. Tatsächlich wird die Europäische Union 20 Milliarden Euro bis 2020 aufbringen können.

Seit der Krise von 2008 beschäftigt die Fachleute die Frage der Suche nach den Wegen aus der Krise. Es werden zwei Wege betrachtet. Der erste sieht die Transformation Europas zu Vereinigten Staaten Europas vor, das heißt zu einem einheitlichen Staat auf der Ebene der Gesetzgebung, der Verwaltung, einen Staat mit einem einheitlichen Einkommenssteuersatz, und so weiter. Der zweite Weg führt aber zum unausbleiblichen Zerfall Europas kraft der riesigen Unterschiede zwischen den nationalen Wirtschaften. Im Augenblick überwiegt die Kraft der gegenseitigen Abstoßung. Heute werden wir uns dessen bewusst, dass sich der Moment der Wahl unentwegt nähert, und die Anhänger der Vereinigung werden die Illusion des normalen Funktionierens der europäischen Wirtschaft bis zuletzt unterstützen.

Das vereinigte Europa ist unbedingt eine sehr schöne Idee, aber Europa, wie wir es heute sehen, ist nicht imstande, als etwas Ganzes zu funktionieren. Und nach meinen Schätzungen wird Europa, bevor Sie auch nur irgendein Resultat der Investitionseinspritzungen sehen, mit einer tiefen Krise konfrontiert sein, welche zum Zusammenbruch des Systems der einheitlichen Währung führen wird.

François Hollande hat 2010 Angela Merkel überzeugt, sich dem Abkommen anzuschließen, das eine jährliche Aufbringung eines Prozents des europäischen Bruttoinlandsproduktes für die Lösung von Problemen der Eurozone und die Sicherstellung eines Auswegs aus der Krise erfordert, doch hat das nichts bewirkt. All das sind lediglich Versprechungen und Tricks. Somit wird auch in Zukunft kein Wunder geschehen, denn wir haben 28 Länder mit unterschiedlichen Wirtschaftsmodellen, mit unterschiedlicher geopolitischer Lage und verschiedenen Interessen, das heißt 28 Länder, die in keiner Frage eine Lösung zu finden vermögen werden, die alle zufrieden stellen würde.“

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