Jetzt bleibt nur eins: Sich von den angelsächsischen Machteliten lösen

von Willy Wimmer (zeit-fragen)

Zeitlich käme es genau hin. Einhundert Jahre nach dem historischen Enthauptungsschlag gegen Deutschland durch England, die Vereinigten Staaten und Frankreich in Versailles will England die europäische Entlassungsurkunde. 1919 hatten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs mit dem Diktat von Versailles eine Saat für den nächsten grossen Krieg gelegt. 2019 führt uns wieder an die europäischen Abgründe.
Ist diese Sorge in London derart virulent, dass gleichsam als Rache – von wem auch immer – London das deutsche Schicksal des Jahres 1919 treffen könnte – nun von seiten der Rest-EU? Anders konnte am 29. März 2017, dem Tag der Übergabe des Scheidungsbriefes aus London in Brüssel, ein denkwürdiger britischer Kommentar in einer Nachrichtensendung des ZDF1 nicht gewertet werden. Ein distinguierter Gesprächspartner von der Insel, dem man auch ohne jeden zweckdienlichen Hinweis den «Professor» abgenommen haben würde, liess sich zum Brexit einvernehmen.

Versailles war das Trauma, nicht mehr und nicht weniger

Um den aktuellen Hinweis auf Versailles zu verstehen, muss man das historische Versailles unter die Lupe nehmen.
Kundige und international hoch angesehene Gesprächspartner lassen sich heute in vertrauter Gesprächsrunde so vernehmen, dass die europäische Geschichte der letzten 200 Jahre eine einzige angelsächsische Lüge sei. So weit muss man nicht gehen, aber amerikanische Quellen sprechen in aller Offenheit darüber, wie die US-amerikanische Haltung dem Kontinent gegenüber in den Jahrzehnten seit der deutschen Reichsgründung 1871 im Spiegelsaal ebendieses Schlosses in Versailles gewesen sei. Unter allen Umständen habe man eine enge Zusammenarbeit zwischen den kontinentalen Mächten Deutschland und Russland verhindern wollen.
Damit schloss man in Washington nahtlos an die britische Einstellung dem Kontinent gegenüber an, die nach der Niederlage Napoleons alles daran setzte, die «Heilige Allianz» des russischen Zaren und des österreichischen Kanzlers zur friedlichen Konfliktbeseitigung auf dem erneut verwüsteten Kontinent zwecks eigener Interessen zu hintertreiben.
Folgerichtig griffen die USA und Grossbritannien zur überkommenen römischen Methode des «teile und herrsche!».
Es war ein Historiker aus dem Commonwealth, der den neuen Weg zur Beurteilung der Ereignisse geöffnet hat, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geführt haben. Bei Christopher Clark und dann bei anderen war von «deutscher Alleinschuld» aus gutem Grund keine Rede mehr, auch wenn er zielgerichtet die britische Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges schamhaft herunterspielte.
Diejenigen, die auf britischer Seite alle Bemühungen, sich des aufstrebenden Deutschlands zu entledigen, orchestrierten, stehen heute im historischen Rampenlicht wie die Herren Milner und Rhodes2, deren Verantwortung unbezweifelbar ist, was die Initialzündung für diese «europäische Urkatastrophe» anbelangt.
Keine Entscheidung der damaligen Mittelmächte – Deutschland und Österreich-Ungarn, später auch das Osmanische Reich und Bulgarien – sollte relativiert oder beiseite geschoben werden. Allerdings macht der heutige Blick für die Gesamtentwicklung eines klar und deutlich: Die Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges muss auf den Schultern gesucht werden, die diese Verantwortung auch getragen haben, und da ist das politische London in erster Linie zu nennen.
Sykes-Picot und der darauf folgende amerikanische Kriegseintritt trugen im Verlauf des Ersten Weltkrieges nicht nur dazu bei, die Kriegsmaschinerie der Mittelmächte entscheidend zu schwächen. Sie legten auch die Ursache, jenseits jeder Verantwortung für den Ausbruch dieses Krieges, den «europäischen Modellstaat» Deutschland in die Hölle zu stossen und Österreich dabei gleich mit. Nicht vergessen werden sollte dabei, dass mit dem in Sarajevo hingemordeten Thronfolger die für Europa hoffnungsvollste demokratische, soziale und europäisch denkende Führungspersönlichkeit beseitigt worden war. Das nennt man «Enthauptungsschläge» für Nationen, ein Modell, das die angelsächsische Welt seither auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus mit Erfolg wieder und wieder angewendet hat und anwendet.
Aktuell verschlägt es einem den Atem, wenn in diesen Tagen auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am 3. April 2017 in dem von angelsächsischen Anwaltskanzleien und sogenannten «Nicht-Regierungsorganisationen» durchsetzten Berlin deutsche Politiker den alliierten Streitkräften attestieren, im vergangenen Jahrhundert immer auf der richtigen Seite gestanden zu haben. Im übrigen könne man ihnen deshalb viel verdanken.
Dieses merkwürdige Lob lässt ausser Betracht, dass seit Napoleon Krieg das angelsächsische Geschäftsmodell für den Rest der Welt ist und wir in diesen Tagen sehen, wie auch ein neuer amerikanischer Präsident die angelsächische Rolle definiert: Es seien die aussergewöhnlichen Nationen, deren gottgebenes Recht darin besteht, sich die Welt untertan zu machen, auch wenn sie auf Nationen wie Russland, China, Indien, Brasilien und Iran stossen, nachdem Deutschland dem Schicksal zugeführt werden konnte, das mit dem Namen «Versailles» und Adolf Hitler zutreffend beschrieben werden kann.
Das sind nicht nur die Untoten der Vergangenheit. Bevor wir aus der Rolle, in die wir geraten sind, in den nächsten und dann vielleicht für uns endgültigen Krieg getrommelt worden sind, machen sich in Deutschland Kräfte auf, das durch die Entente-Mächte geschaffene Weltbild – koste es, was es wolle – aufrechtzuerhalten. Sie nennen sich «Antifa» und unternehmen alles, das durch die Angelsachsen Deutschland gegenüber geschaffene künstliche Weltbild aufrechtzuerhalten. Sie brauchen das «Feindbild Deutschland» um ihrer eigenen Existenz willen und liegen damit bestens auf Nato-Kurs.

Die Nato überwindet die Konsequenzen aus den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen: war in our time

Die britische Premierministerin Theresa May hat die Brexit-Verhandlungen mit den europäischen Sicherheitsfragen verbunden. Dieser Zusammenhang besteht nur in einer Frage: der immer noch bestehenden britischen Militärpräsenz auf deutschem Staatsgebiet. Diese Präsenz ist heute – unbeschadet aller Abläufe seit 1945 – nur an ein Kriterium im logischen Kontext gebunden: der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union. Wenn London jetzt beschlossen hat, die EU zu verlassen, ist jeder Grund für eine britische Truppenpräsenz in unserem Land ad acta gelegt. Darüber können auch die aktuellen britischen Bemühungen nicht hinwegtäuschen, die alten Bilder aus der Besatzungszeit wieder aufleben zu lassen. Da hat man sich bemüht, die britische militärische Komponente nach amerikanischem Vorbild vom Hafen Emden dem Nato-Aufmarsch gegen Russland zuzuführen. «Nato-Panzer müssen rollen für den Sieg», anders kann das Bild nicht gewertet werden, auch nicht bei den Amerikanern, denen seit langem daran gelegen ist, Kriegsbilder nach Europa zurückzubringen.
Es ist aber nicht offenkundig das, was den Menschen nicht nur in Deutschland die gröss­te Sorge bereitet. Das Verhalten der USA seit dem verbrecherischen Krieg gegen Jugoslawien stellt die Konsequenzen aus den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen in den Schatten. Jedem, der das bezweifelt, kann nur empfohlen werden, sich die Handlungsvollmachten des jeweiligen amerikanischen Präsidenten für einen von den USA gewollten Kriegsausbruch anzusehen.
Dann muss man nur noch 1939 daneben legen, um eine Vorstellung von Hybris und Verhängnis zu erhalten. Dabei hat London, wie jeder seit dem famosen EU-Repräsentanten in Nahost, Herrn Tony Blair, weiss, beim Durchsetzen der amerikanischen Global-Kriegspläne eine Schlüsselrolle. Hier wird alles und jedes abgenickt.
Bislang konnte sich Deutschland in der einen oder anderen Kriegsfrage ducken. Das, was jetzt gegen Russland ansteht, betrifft unsere Existenz, und da hilft es nicht, sich zu ducken und mitzumachen. Da ist Kampf um die eigene Existenz angesagt [Hervorhebung durch Redaktion], und alleine schon deshalb sollte Frau May beim Brexit-Wort genommen werden. «Weg aus Europa» bedeutet: sofortigen Abzug der britischen Truppen aus Deutschland. Washington und London führen Europa und die Welt erneut an den Abgrund. Wir müssen nicht hineinspringen.

Das deutsche Verhängnis: zu oft und zu lange auf London gehört zu haben

Kurz vor den französischen Präsidentschaftswahlen kann niemand sagen, ob es beim Brexit bleiben wird oder uns aus den unterschiedlichsten Gründen das uns bekannte EU-Europa vor jeder Verhandlung in Sachen Brexit bereits um die Ohren geflogen sein wird. Neben uns können nur die Russen beurteilen, von einer amerikanischen wirtschaftlichen Nuklearwaffe getroffen worden zu sein. Was der Harvard-Ökonom G. Sachs nach dem Zerfall der Sowjetunion für die Reste der ehemals sowjetischen Wirtschaft angestellt hat, kann gerade noch mit den Auswirkungen der Lehman-Pleite 2008 für EU-Europa verglichen werden, unabhängig von der folgenden Beteiligung zum Beispiel der Bundesregierung am Aufbrechen europäischer ­Sollbruchstellen. Berlin handelt in Europa nicht wie Bonn.
Kein europäischer Staat hat Berlin oder Brüssel das Mandat erteilt, diese Staaten aufzulösen und die Souveränität der europäischen Völker der vom Finanzplatz London oder der Wallstreet bestimmten «globalisierten Ordnung» auszuliefern. Die Bürger werden von diesem EU-Europa nach Strich und Faden entmündigt und ihrer Rechte beraubt und an die Soros’ dieser Welt ausgeliefert. Das mag der City of London dienen, dem Souverän in Europa nicht. Deshalb London mit den Erinnerungen an Versailles kommen wie der eingangs zitierte «Professor»? So kann nur jemand denken, bei dem Versailles zum Instrumentenkasten seiner Politik gehört. Das wird man auch in Moskau, Peking, Teheran und – ganz aktuell – in Damaskus wissen und nicht nur dort.    •

1    Prof. Anthony Glees im Interview mit dem ZDF heute-journal vom 29.3.20172    Die britischen Politiker Cecil Rhodes und Alfred Lord Milner waren führende Vertreter des britischen Imperialismus vor dem Ersten Weltkrieg.

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