Jawohl Frau Merkel, wie sie wünschen …

Laut dem Wirtschaftwissenschaftler Sawwas Rompolis ist die Katastrophe in Griechenland das Ziel des Memorandums und nicht etwa nur ein unliebsames Ergebnis.

In Griechenland mag viel über die zeitliche Verlängerung der Umsetzung der Memorandums-Verpflichtungen geredet werden, die Regierungspartner mögen sich gegenseitig darüber in den Haaren liegen, wann diese zu diskutieren sei, aber es ist mehr als offensichtlich, dass diese Diskussion des Inhaltes entbehrt.

Genau dies schrieben wir zum ersten Mal nicht als die Regierung Samaras das (schwarze) Schicksal des Landes übernahm, sondern bereits zu der Zeit, als Venizelos – das Finanzministerium mit dem Ziel übernehmend, ebenfalls Neuverhandlungen zu führen – die unverschämten niedrigeren Funktionäre der Troika “herauswarf”. Um sie dann monatelang anzubetteln, zurückzukehren und ihr gottgefälliges Werk fortzusetzen … .

Warum entbehrt jedoch die Diskussion des Inhaltes? Allgemein gesagt, weil die europäischen “Partner”, Gläubiger und Aufseher Griechenlands darauf beharren, keinerlei “Zugeständnis” wenn schon nicht an die griechische Gesellschaft, so zumindest an die ihnen gefälligen Regierungen zu diskutieren?

Die Katstrophe ist keine ungewollte Folge, sondern Ziel des Memorandums

Noch schlimmer, sehen sie nicht die Ergebnisse der bisherigen Umsetzung des – laut des Ansicht der meisten Analytiker der Welt missglückten – wirtschaftlichen Rezepts des Memorandums? Und trotzdem, ihre Ergebnisse sind offensichtlich. Betrachten wir sie mittels einer zusammenfassenden Beschreibung, die der Wirtschaftswissenschaftler Sawwas Rompolis in einem Interview mit der Zeitung “Die Zeit” darlegt:

  1. Das BIP ist seit 2008 um insgesamt 22% gesunken – ein um 10% höherer Satz als jener, den die öffentlichen Gläubiger Griechenlands vorsahen. Gleichzeitig sind die Löhne um bis zu 30% gesunken. Wird auch die Erhöhungen der direkten und indirekten Steuern einbezogen, sank das durchschnittliche Familieneinkommen in Griechenland im Verhältnis zu 2008 um 50%. Die Kaufkraft ist auf das Niveau der zweiten Hälfte der 70er Jahre geschrumpft.
  2. Das durchschnittliche Nettoeinkommen in Griechenland “belief sich 2008 auf 1.200 Euro, nun liegt es bei 700 Euro“.
  3. Hinsichtlich der angeblichen Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung mittels der umgesetzten Politik der “internen Abwertung”:
    Der Fall Griechenlands beweist, dass dies erwiesenermaßen falsch ist. Während die Produktivität in der Periode des Höhepunktes von 2005 bis 2008 um 6% stieg, sank sie in der Krisenperiode seit 2008 bis 2011 um 5,6%. Und obwohl die Lohnkosten in Griechenland um 8% sanken, stieg die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands nicht an. Das Gegenteil trifft zu: Das Volumen der Produktion in Griechenland nahm um 12% ab.
    Während die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft nicht zunimmt, die Arbeitslosigkeit ohne Grenze sprunghaft ansteigt und jährlich 60.000 Unternehmen schließen, wachsen inmitten einer internen Abwertung die Unternehmensgewinne an, manchmal sogar imposant. Warum?
  4. Während in der Konjunkturphase 2005 – 2008 die Unternehmensgewinne konstant blieben oder bestenfalls einen leichten Anstieg verzeichneten, steigen sie seitdem kontinuierlich in die Höhe. (…)
    Die verbleibenden Unternehmen konzentrieren höhere Gewinne. Anstatt wegen der niedrigen Löhne die Preise zu senken, wandelten die Unternehmen die niedrigen Arbeitskosten in eine Erhöhung ihrer Gewinne um. Dies ist der wirkliche Grund, warum die Preise in Griechenland nicht sinken. Für den Arbeitnehmer ist diese Politik auf vielerlei Weise katastrophal, da er sieht, dass sich sein Einkommen konstant verringert, während die Preise weiterhin steigen und er obendrein gezwungen ist, noch mehr Steuern zu zahlen.
    Zusätzlich betreffen Teilzeitbeschäftigung, Zeitarbeit, illegale und unversicherte Beschäftigung inzwischen 50% aller Beschäftigten. Es handelt sich um ungefähr 900.000 von den insgesamt 1,8 Mio. Arbeitnehmer des privaten Sektors. Die Arbeitslosenquote wird außerdem bis Ende des Jahres auf 25% steigen.
    Solange die Troika ihre eigenen Fehleinschätzungen nicht eingesteht, wird sich nichts ändern. Derweilen trägt sie 70% der Verantwortung für die heutigen Probleme in Griechenland, die griechische Seite dagegen bestenfalls 30%.

Warum beharren sie also? Ganz einfach, weil – wie wir viele Male erklärt haben – diese Katastrophe das Ziel des Memorandums und nicht etwa das “ungewollte” Ergebnis ist. Die zentralen Prioritäten sind zwei:

  • Die Absicherung der Kredite um jeden Preis und über einen möglichst langen Zeitraum, auch wenn die vollständige Verpfändung der Wirtschaft, des Vermögens und der selbigen Griechen notwendig sein wird.
  • Die Umwandlung – in völliger Entsprechung zu dem obigen Ziel – des griechischen Volkes in Arbeitssklaven, ohne Rechte, den Launen der Gläubiger unterworfen und eingeschlossen in Sonderwirtschaftszonen, sogar auch wenn diese Praxis die nationalen Themen untergräbt und verpfändet, wie im Fall Thrakiens oder – zukünftig – auch der Inseln der Ägäis.

Ungefähr so interpretiert wird auch der … Orakelspruch Merkels bezüglich einer Lösung des griechischen Problems bis zu den kommenden Wahlen in Deutschland.

Europa, Deutschland und Griechenland steht ein heißer Herbst bevor

Sehen wir jedoch etwas aufmerksamer über dieses “Orakel” hinaus, das wir bald vor uns finden werden. Außerdem kann es hauptsächlich deswegen sehr bedeutsam sein, weil sich der Zeitraum zwischen den amerikanischen und deutschen Wahlen für unser Land möglicherweise als besonders kritisch erweisen wird, jedoch kommt erst der … September, der angesichts der drohenden Entwicklungen und zahllosen Anhängigkeiten vielleicht sehr … heiß sein wird.

Die Wahrheit ist, dass wir zeitweise alle gezwungen waren, uns mit verschiedenen realen oder erfundenen Grenzen und Meilensteinen zu beschäftigen, jedoch ist vorzuziehen bis dort zu schauen, wohin unsere … Sicht reicht.

Grundsätzlich zeichnet sich sowohl für Griechenland als auch für die Eurozone und Deutschland selbst der September 2012 als heiß ab, weil erwartet wird, dass gegen Mitte jenes Monats der Oberste Verfassungsgerichtshof in Deutschland sein Urteil über die Legitimität der Ratifizierung (durch den deutschen Bundestags) des Fiskalpakts und des ständigen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verkünden wird. Dort wird entschieden werden, ob die deutsche Regierung den Bundestag über Fiskalpakt und ESM angesichts der Tatsache ausreichend informiert hat, dass ein großer Teil der Verantwortung für die Erstellung des Etats von dem Bundestag nach Brüssel transferiert wird.

Pakt und ESM mögen somit im Parlament mit einer deutlichen und großen Mehrheit ratifiziert worden sein, jedoch werden die Richter vielleicht den berüchtigten (sei es auch unzureichenden …) “Schutzwall” in Brand setzen, dessen für den 1. Juli geplante offizielle Inbetriebnahme gezwungenermaßen verschoben wird.

Diese Verschiebung ist aus einer Reihe sehr signifikanter Gründe offensichtlich kritisch:

  1. Von diesem Mechanismus hängt die Realisierung des zweiten griechischen “Hilfspakets” ab, das so wie so an einem seidenen Faden hängt. Sein eventueller Zusammenbruch hätte Folgen von unbekannter Ausdehnung und Stärke. Einmal ganz abgesehen davon, dass niemand über Merkels wirklichen Wunsch bezüglich des Urteils des Verfassungsgerichts sicher sein kann – aber das gehört zu einer anderen Geschichte.
  2. Von dem selben Mechanismus wird die Deckung Spaniens entschieden, das sich bereits in dem Teufelskreis seines eigenen inoffiziellen Memorandums befindet, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo ihm ein weiteres höchstoffizielle Memorandum droht.
    Aus Deutschland wird bereits signalisiert, dass die Rekapitalisierung der spanischen Banken als Endbürgen den spanischen Staat haben wird, der sich bereits im Wirbelsturm der Arbeitslosigkeit, am Rand der Rezession und der grenzenlosen Privatisierungen befindet, mit der spanischen Gesellschaft ein weiteres Mal am Rand der Explosion.
    Wenn der ESM im Vorliegenden – sei es auch mit seinen eingeschränkten und unzureichenden Möglichkeiten – nicht funktionieren wird, werden die internationalen Märkte Spanien als seitens der Eurozone völlig ungedeckt betrachten, mit unvorhersehbaren Folgen.
  3. Etwas Analoges gilt auch mit dem italienischen Problem als gegeben, da sich in unserem Nachbarland die Probleme mit einem explosiven Rhythmus kumulieren.

Außer den dramatischen Kürzungen, die sich seitens der Regierung Monti gemäß den Auflagen der Eurozone und des IWF zur volkswirtschaftlichen “Angleichung” mit einem unverminderten Rhythmus fortsetzen werden, sind bei Italien noch zwei weitere Faktoren hinzuzufügen:

  • Die Möglichkeit einer außergewöhnlich organisierten gesellschaftlichen Explosion angesichts der Tatsache, dass die italienischen Gewerkschaften sehr viel mehr als andere in der Kunst des Kompromisses in dem “speziellen” italienischen Rahmen bewandert sind, jedoch allen ihre Dynamik bekannt ist, wenn die Dinge über die Grenze hinaus unter Druck gesetzt werden. Die italienische Tradition ist immer lebendig, wie auch die allbekannten italienischen … Besonderheiten.
  • Die Möglichkeit einer großen politischen Krise angesichts der Tatsache, dass Monti sich nicht besonders stabil fühlt, da er – trotz des Unsinns, der in griechischen Medien geschrieben wurde – bei dem letzen Eurogipfel bereits als von Merkel besiegt (wenn nicht gar vollständig mit ihr geeinigt) verzeichnet worden ist.

Es ist kein Zufall, dass Berlusconi sich wieder politisch drohend mittels seiner und befreundeter Medien meldete, die seine dynamische Rückkehr vorauszeichnen. Zur selben Zeit gestaltet sich das Klima bis sogar … eurofeindlich, genährt auch von dem ehemaligen Premierminister selbst, und scheint reichlich bedrohend für die politischen Entwicklungen in der nächsten Zeit und gleichzeitig eine Zeitbombe an den Fundamenten der deutschen Politik bezüglich der … Rettung der Eurowährung zu sein. In einem solchen Klima wäre ein Versagen im ESM eine wirkliche Bombe in den wie auch immer gearteten Gewissheiten über die Möglichkeit zur Bewältigung der Krise.

Wer kann sich wiederum im Rahmen dieser Unbeständigkeit über die Position Griechenlands im Eurosystem sicher sein, über seine Bedeutung als europäisches und weltweites Problem, aber auch den Willen der “Partner”, ihm – sei es auch rein politische – Atemzüge zu gewähren? Vielleicht ist dies ein weiterer Grund, aus dem Merkel, aber auch der IWF vorziehen, jegliche Beschlüsse über Griechenland so weit wie möglich hinauszuschieben und sich für den Druck auf “Reformen” zu entscheiden.

Auch wenn bezüglich der Haltung und Entscheidungen der Gläubiger und Aufseher Griechenlands die Interpretationen sozusagen selbstverständlich sind, stellt sich jedenfalls die Frage, mit welchen Plänen sich das griechische politische System und speziell die Drei-Parteien-Regierung bewegt. Wie bisher scheint, wählt unsere Regierung leider die völlige Anpassung, ohne zu zeigen, über einen ausgearbeiteten alternativen politischen Plan zu verfügen, der geeignet ist, den europäischen Druck und die völlige Weigerung der Gläubiger zu kompensieren, Griechenland auch nur die elementare Atemluft zu geben … .

Rendezvous zu den ersten Herbstregen

Außer dem Beschluss der Eurozone und des IWF über die Zahlung der nächsten Tranche von 31 Mrd. Euro sind unter den Anhängigkeiten, von denen erwartet wird, dass sie in den September geschoben werden oder bis dahin gelöst werden müssen, folgende zu vermerken:

  1. Von dem bereits jetzt miesen unternehmerischen Klima wird erwartet, dass es sich weiter verschlechtern wird, angesichts der Tatsache, dass erwartet wird, dass die Rezession im dritten – dem sommer- und touristischen – Quartal auf historisch einmalige 9% hochschießen und viele Unternehmen an den Rand des Überlebens führen wird.
  2. Die obige Tatsache, die automatisch neue dramatische Entscheidungen auf Ebene der Beschäftigung herbeiführen kann, in Kombination mit der unkontrollierten Arbeitslosigkeit und der Absicht der Regierung, ein Drittel der Kosten der 11,5 Mrd. Euro des neuen mittelfristigen Rahmenprogramms (zuzüglich des “schwarzen Lochs”) wieder einmal den Steuerzahlern aufzubürden, erscheint als asymmetrische Bedrohung sowohl für die Wirtschaft als auch die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft.
  3. Parallel werden die Entwicklungen laufen, die sich auf die Rekapitalisierung, aber auch das endgültige Schicksal der Banken beziehen, welcher Faktor in hohem Maß nicht nur die Kontrolle der Banken, aber auch die Handhabung der Kredite und Hypotheken und die Folgen bestimmen wird, welche diese für Kreditnehmer – Konsumenten, aber auch die Unternehmerlandschaft des Landes haben wird.
    Die Bombe der Agrarbank wurde bereits aktiviert, mit Folgen, die noch nicht mit Sicherheit abgesehen werden können.

Quelle: griechenland-blog

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