Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Berger

Interview mit Herrn Prof. Dr. Wolfgang Berger
(BUSINESS REFRAMING GmbH Institut für Organisation und Humanes Management)

Dieter Sordon:
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wolfgang Berger,
in den 1960er Jahren führten Sie Forschungsarbeiten am Institut für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Um welche Themen ging es da im Wesentlichen?

Prof. Dr. Berger:
Unter der Leitung meines damaligen „Meisters“ Prof. Friedrich Edding ging es um die ökonomische Bewertung der Bildung. Ich muss gestehen, dass ich mich von diesem Forschungsansatz wegentwickelt habe und in der Ökonomisierung aller Lebensbereiche inzwischen eine Fehlentwicklung sehe.

Dieter Sordon:
Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Prof. Dr. Berger:
Bildung dient der Entwicklung von Menschen – dem Sinn unserer Existenz auf dieser Welt – und wir sollten bei ihr alle ökonomischen Bewertungen ausblenden. Den Sinn unseres irdischen Seins können und dürfen wir nicht in Geld messen.

Dieter Sordon:
Schwerpunktmäßig befassen Sie sich heute mit Innovationen in Unternehmen. Als Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologe bin ich der Meinung, dass langfristig nur die Unternehmen erfolgreich sein werden, die ihre Mitarbeiter in wesentliche Entscheidungsprozesse mit einbinden und ihnen damit auch Verantwortung übertragen. Das altmodische Oktroieren von der Managementetage nach unten ist nicht mehr zeitgemäß. Erfolgreiche Unternehmen brauchen verantwortungsvolle Mitarbeiter, die wichtige unternehmerische Entscheidungen mitzutragen haben. Nur so lassen sich motivierte Mitarbeiter an ein erfolgreiches Unternehmen binden, was letztendlich zu einer geringen Fluktuationsrate führt und somit zu erheblich geringeren Personal(beschaffungs)kosten. Zufriedene und motivierte Betriebsangehörige sind das höchste Gut eines erfolgreichen Unternehmens.
Wie ist Ihre Meinung als Philosoph und Ökonom dazu?

Prof. Dr. Berger:
Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine gesundheitsschädliche Belastung durch die Arbeit an erster Stelle darauf zurückzuführen ist, dass die Menschen ihre Aufgaben und die Art ihrer Durchführung nicht selbst gestalten können. Wenn das dann noch mit Leistungsdruck verbunden wird, entsteht eine toxische Verbindung, die bei Männern verstärkt zu Herzinfarkten und bei Frauen zu Depressionen führt. Obwohl die Arbeitsbelastung in höheren Hierarchiestufen meist zunimmt, sind die Chefs in der Regel gesünder. Sie können über sich selbst bestimmen.
Es ist der gleiche Zusammenhang in den Unternehmen, in unserem Gemeinwesen und auch in den Familien: Wenn wir denen von einer Entscheidung Betroffenen keine Möglichkeit geben, an den Entscheidungen mitzuwirken, die sie tangieren, ziehen sie sich entweder zurück oder protestieren. In der Politik kommt so die hohe Wahlabstinenz zustande oder auch heftiger Widerstand, wie z. B. bei Stuttgart 21 oder jetzt bei den Geheimverhandlungen zum TTIP – dem transatlantischen Freihandelabkommen.

Dieter Sordon:
Sie sind Befürworter von „fließendem Geld“ (umlaufgesichertes Geld), mit dem sich vor unserer Zeit Pierre-Joseph Proudhon und später Silvio Gesell beschäftigt haben. Das derzeitige staatliche Zinszwangsgeldsystem führt unweigerlich zu ausufernden Staatsverschuldungen, sowie zur „Umverteilung von unten nach oben“, oder wie Ihr Kollege von der Wissensmanufaktur Andreas Popp meint: von fleißig nach reich.

Der Mehrheit der Gesellschaft ist „fließendes Geld“ wenig bekannt. Beim „fließenden Geld“ kommen häufig die Gegenargumente wie: dann kann ich ja für zukünftige Investitionen nicht sparen oder, Kredite für z.B. den Kauf einer Immobilie sind dann ja nicht möglich.

Würden Sie bitte kurz erläutern, welchen Vorteil „fließendes Geld“ gegenüber dem Zinszwangsgeld hat und damit diese Gegenargumente widerlegen?




Prof. Dr. Berger:
Heute kann durch Arbeit kaum noch jemand reich werden. Seit mehr als einem Jahrzehnt sinken die Nettoeinkommen sogar in den reichen Ländern. Reich werden kann nur jemand, der sein Geld für sich arbeiten lässt. Geld kann aber gar nicht arbeiten. Die leistungslosen Einkommen aus dieser Reichtumsvermehrung müssen von denen erwirtschaftet werden, die als Unternehmer oder als Arbeitnehmer arbeiten. Dabei ist der Zins gar nicht mehr der entscheidende Faktor. Das höchste „Arbeitseinkommen“ in 2013 hatte der Hedgefonds-Manager Mr. James Simon mit 3,5 Milliarden Dollar. Das sind zehn Millionen an jedem einzelnen Kalendertag. Er verdient so viel, weil er das Geld der Leute, die es ihm zur Vermehrung anvertraut haben, vervielfacht hat – weit über das, was mit Zinsen erzielbar ist. Bei fließendem Geld vermehrt sich Geld nicht mehr von selbst. Reich werden kann man dann nur noch durch Arbeit, die anderen nützt – also durch realwirtschaftliche Tätigkeiten, nicht mehr durch finanzielle Tricks und Transaktionen.

Sparen ist einfacher als heute: Sie haben absolute Kaufkraftstabilität, können also sogar für Ihr Alter sparen, was heute illusorisch ist, weil wir alle ahnen, dass der nächste Crash irgendwann kommen muss.

Die Immobilien kosten dann nur noch ein Drittel, denn beim Kauf sind 70 Prozent des Kaufpreises Finanzierungskosten. Heute bezahlen wir ein Haus oder eine Wohnung drei Mal (und brauchen dazu unser ganzes Leben). Beim fließenden Geld bezahlen wir es nur einmal – fast aus der Portokasse, weil der Finanzsektor nicht mit davon alimentiert wird.

Über www.business-reframing.de können Sie eine faszinierende vierstündige DVD bestellen, die im Detail erklärt was fließendes Geld ist, wie es in der Geschichte immer funktioniert hat und warum das auch heute eine einfache und Frieden stiftende Lösung für viele unserer aktuellen Probleme wäre.

Dieter Sordon:
Also ganz nach dem „Freigeld“prinzip von Silvio Gesell

Prof. Dr. Berger:
Silvio Gesell hat das Konzept des fließenden Geldes vor hundert Jahren in umfangreichen Veröffentlichungen analysiert. Ich übersetzte seine Ideen nur in unsere heutigen Denkmuster, Strukturen und Sprachen und nenne es „fließendes Geld“, weil das Geld in der Wirtschaft die gleiche Funktion haben sollte wie das Blut in unserem Körper und das Wasser in der Natur.

Dieter Sordon:
Was halten Sie vom „Freien Marktgeld“ (Greshamsches Gesetz)

Prof. Dr. Berger:
Ich halte verschiedene gegeneinander konkurrierende Währungen heute für nicht praktikabel. Wir brauchen ein einheitliches gesetzliches Zahlungsmittel für unsere Transaktionen.

Dieter Sordon:
Brauchen wir überhaupt Zentralbanken?

Prof. Dr. Berger:
Silvio Gesell sagt nein. Ich meine ja. Eine Währungsbehörde für einen Währungsraum ist sinnvoll und praktisch. Die EZB ist so unabhängig, dass sie fließendes Geld sogar einführen könnte, ohne die einzelnen Mitgliedsländer der Eurozone um Zustimmung zu bitten.

Allerdings braucht es noch einige andere rechtliche Anpassungen, damit fließendes Geld die segensreichen Wirkungen entfalten kann, die es immer in der Geschichte gehabt hat, z. B. eine Reform unseres Bodenrechts. Dazu brauchen wir dann die staatliche Mitwirkung in der betreffenden Währungszone.

Dieter Sordon:
Wie bitte? Die EZB ist unabhängig? Glauben Sie wirklich, dass der derzeitige Chef der EZB, Mario Draghi, ehemalige hohe Führungskraft der US-Großbank Goldman Sachs (Mitinhaber der FED), „fließendes Geld“ einführen würde? Mir kommt es eher so vor, dass die EZB nichts anderes ist als ein verlängerter Arm der FED.

Prof. Dr. Berger:
Wir dürfen es nicht an einer Person festmachen, sondern müssen die Institution sehen und da gibt es zwei Bemerkungen: Nach allen bei der Gründung der EZB festgeschriebenen Regeln ist sie in geldpolitischen Dingen tatsächlich unabhängig, aber natürlich aufgefordert sich mit ihren Eigentümern – den Mitgliedländern der Eurozone – abzustimmen und deren Interessen zu berücksichtigen.
Trotzdem halte ich es für illusorisch, dass die EZB fließendes Geld einführen könnte. Das hängt aber weniger mit Herrn Draghi zusammen, sondern mit dem Stand der ökonomischen Disziplin, in der die qualifizierten Mitarbeiter der EZB geschult und fachlich sozialisiert worden sind. Jede Wissenschaft baut auf Paradigmen auf, die jemand, der das Fach studiert und darin Karriere machen will, erst einmal glauben muss. Wenn er sie nicht glaubt, scheitert er schon an den ersten Zwischenprüfungen. Wenn er sie aber glaubt und es dann in einer Bilderbuchkarriere bis in die EZB schafft, müsste er sich selbst aufgeben, wenn er das Paradigma seiner Zunft plötzlich in Frage stellen würde. Dazu ist kaum jemand in der Lage und deshalb kommen fachliche Durchbrüche immer von Außenseitern.
Auch ich selbst war erst in der Lage, das Paradigma der Ökonomie aufzugeben und der visionären Wegweisung von Silvio Gesell zu folgen, nachdem ich damit nicht mehr meinen Lebensunterhalt verdient habe. Und Silvio Gesell war gar kein Ökonom, sondern Unternehmer. Schon deshalb wird er von Ökonomen schlicht negiert.

Dieter Sordon:
Deutschland ist immer noch ein Besatzungsland und wie der Finanzminister Wolfgang Schäuble selbst sagte, kein souveräner Staat. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Prof. Dr. Berger:
Wenn ich die ungute große Macht sehe, die die deutsche Bundesregierung innerhalb Europas ausspielt, wird mir Angst und Bange. Von fehlender Souveränität ist da nichts zu spüren.

Dieter Sordon:
Die NATO-Osterweiterung ist ein gefährliches Spiel.
Hat Deutschland als nichtsouveräner Staat überhaupt die Möglichkeit, aus der NATO auszusteigen, um die bislang guten Handelsbeziehungen zu Russland auf Dauer nicht ganz zu verlieren?

Prof. Dr. Berger:
Nachdem der Warschauer Pakt sich aufgelöst hat, hätte sich eigentlich auch die NATO auflösen müssen, weil der Feind, gegen den sie uns schützen sollte, abhanden gekommen war. Nun ist es ein Gesetz der Verwaltungswissenschaft, dass Institutionen, die einmal da sind, auch dann weiter existieren, wenn die Gründe für ihre Existenz entfallen sind. Das ist beim Internationalen Währungsfonds in Washington D. C. so, bei der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr in Basel und auch bei der NATO. Die hohen Herren hängen an ihren mächtigen und gut dotierten Jobs.

Dieter Sordon:
Die Sanktionen gegen Russland belasten in erheblichem Maße die deutsche Wirtschaft.
Können Sie sich erklären, warum die großen Wirtschaftsbosse und vor allem die mittelständischen Unternehmen die Bundesregierung in dieser Hinsicht nicht massiv kritisieren? Schließlich geht es dabei um wirtschaftliche Einbußen im dreistelligen Milliardenbereich und um jede Menge Arbeitsplätze, sowie um zukünftige technologische Fortschritte, wodurch Deutschland technologisch in Zukunft ins Hintertreffen geraten könnte.

Prof. Dr. Berger:
Und deshalb muss nun ein neuer Feind geschaffen werden – durch einen Staatsstreich in der Ukraine und durch das Heranrobben der NATO an die russische Grenze, ganz entgegen den Zusagen und Vereinbarungen, die der Westen Herrn Gorbatchov im Gegenzug für die deutsche Vereinigung gegeben hat. Aber nachdem dann neben Herrn Gorbatchov gleich die ganze Sowjetunion entsorgt werden konnte, gilt offenbar die angelsächsische Maxime: „The winner takes it all“.

Die deutschen Unternehmer nehmen es keineswegs klaglos hin, dass die Bundesregierung nicht deutsche Interessen vertritt, wozu sie verpflichtet wäre, sondern amerikanische Interessen. Herr Grupp, der Inhaber der Trigema, greift unsere Regierung deshalb in Zeitungsartikeln scharf an und der Chef von Siemens, Joe Kaeser,  ist nach Moskau gefahren und von Herrn Kleber im ZDF auf widerliche Weise diffamiert worden.

Die Kampagne, die fast unsere gesamte Presse auf uns hernieder prasseln lässt, führt dazu, dass die Unternehmer vorsichtig geworden sind. Sie wissen, dass die Hedgefonds stärker sind. Einer von ihnen investiert jährlich das zehnfache des deutschen Bundeshaushalts. Es ist klar, dass dort die Musik gespielt wird und dass alle – auch die Politik – danach tanzen müssen. Der Finanzsektor braucht Krieg, um seine Macht über die Realwirtschaft zu erhalten.

Dieter Sordon:
Die Medien in Deutschland spielen mit ihren Lesern ein böses Spiel und sind durchweg gleichgeschaltet. Ob Print- oder TV-Nachrichten, überall hört und liest man das gleiche. Mit Pressefreiheit hat das alles nichts mehr zu tun. Befinden wir uns inzwischen in einer Medien-Diktatur, die von ganz wenigen Medienmogulen, die auch die Finanzwelt und die Politkaste beherrscht, gelenkt wird?

Prof. Dr. Berger:
Unsere Medien informieren nicht, sondern betreiben Gehirnwäsche – und das auch noch von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die wir mit Zwangsgebühren finanzieren müssen. Es gibt eine Fülle von nachgewiesenen Fakten dazu. Aber das wäre ein umfassendes anderes Thema.

Dieter Sordon:
Lieber Herr Prof. Dr. Wolfgang Berger,
ich bedanke mich für Ihre Antworten für die von mir per Mail gestellten Fragen.

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