Ich bin es nicht gewesen

Tageskommentar 02. 08. 2013: fortunato,
Ich bin es nicht gewesen

von fortunato (fortunanetz)

Kennen sie das auch? Kleine Kinder spielen zusammen und natürlich rennen sie wie wild durch die Wohnung. Plötzlich fällt eine Vase herunter und zerschellt am Boden. Der Vater kommt herein und schaut mit ernstem Blick auf das Szenario, in dessen Mitte ein Scherbenhaufen auf dem Boden liegt. Sein Blick wandert von der Vase zu den Kindern, die um den Glassplitterhaufen stehen und prüft jedes einzelne Kind streng. Es herrscht Stille im Raum. Da tritt ein kleines Mädchen etwas hervor und sagt: ‚Ich bin es nicht gewesen!‘ Und von dem Moment an wissen sie, wer es gewesen ist…. Das ist nämlich bei kleinen Kindern meistens so: Das schlechte Gewissen oder die Angst vor Entdeckung treibt sie zu einer Äußerung, in der Hoffnung sich auf diese Weise zu entlasten oder eine irgendwie geartete Vorwärtsverteidigung aufzubauen. Und daran erkennt man dann den Schuldigen.

Wirklich erwachsene, schuldige Personen reagieren anders. Sie wissen darum, dass es besser ist zu schweigen und nur auf Fragen zu antworten, die gestellt werden und dann mit Fakten und nicht mit leicht durchschaubaren Behauptungen zu argumentieren. Wer viel lügt, produziert schnell Widersprüche in seiner Argumentation und hat dann ein Problem.

Nachdem bekannt wurde, dass die amerikanische NSA gerade in Deutschland besonders viel spioniert, behauptete unsere Kanzlerdarstellerin ‚Ich weiß von nichts‘ und damit sagt sie auch, wie ein kleines Mädchen: ‚Ich bin es nicht gewesen.‘ Natürlich hat sie sich beteiligt, das sagt dieser Satz nämlich! Daher stand sofort im Raum, dass die Bundesregierung sich womöglich selbst an den Resultaten der Bespitzelung der Deutschen durch die NSA bediente. Abgesehen davon stand zudem der Vorwurf im Raum, die Bundesregierung schützt die Privatsphäre seiner Bürger nicht und sie achtet auch die dazu gehörigen Gesetze nicht, sei es das Grundgesetz oder das Post- und Fernmeldegesetz. Und um sich von diesen Vorwürfen rein zu waschen, behauptete Frau Kanzler wie ein kleines Mädchen: ‚Ich habe nichts gewusst.‘

Als dies nicht wirklich von der Bevölkerung positiv aufgenommen wurde, bequemte sie sich zu der Erklärung, dass die NSA nicht mit der Stasi verglichen werden dürfe und dass Geheimdienste in demokratischen Ländern gut und richtig und auch notwendig seien. Vielleicht denkt Frau Merkel ja auch, dass Geheimdienste für ‚demokratische‘ Länder gut und notwendig sind, für undemokratische Staaten aber nicht? Es fällt schwer, ihrer Logik auch nur in irgend einer Weise zu folgen.

Die kritischen Themen, was nun mit unseren Grundrechten ist und wo sie geblieben sind vermied sie tunlichst anzusprechen. Aber auch das hat nicht wirklich dazu beigetragen, irgend jemanden zu überzeugen. Danach schickte sie ihren Innenminister Friedrich in die USA und der erhielt dort eine Backpfeife allererster Güte gleich mehrfach. Einmal wurde ihm vom NSA Chef mitgeteilt, dass die USA tun was sie tun und sie es nun Herrn Friedrich (und damit den Deutschen) mitgeteilt haben. Und der Ex-NSA Chef setzte noch eines drauf, indem er öffentlich über die angebliche Unwissenheit der deutschen Regierung lachte.

In seiner Not entdeckte Herr Friedrich dann ein Supergrundrecht, nämlich die Sicherheit. Welche Sicherheit er damit meinte bleibt unklar. Meinte er die Sicherheit der USA, der Politkaste in Deutschland, bestimmter Bevölkerungsgruppen oder die Sicherheit aller? Außerdem übersieht Herr Friedrich andauernd, dass ein (Super)Grundrecht auf Sicherheit gar nicht existiert, weil man nicht garantieren kann, was es nicht gibt.


Danach agierte Herr Pofalla absolut geheim vor einem Bundestagsausschuss und stellte die geniale Behauptung auf, deutsche Nachrichtendienste haben sich immer an Recht und Gesetz gehalten. Es sind nur die Amerikaner, die die Deutschen ausspionieren. Es sind also immer die Anderen. Und Frau Merkel assistierte mit dem schönen Satz ‚Auf deutschem Boden gilt Deutsches Recht‘, womit sie sagen will, dass die USA das Recht nicht in Deutschland sondern nur außerhalb unserer Grenzen gebrochen haben. Dass ihre Regierung die Grundrechte andauernd aushöhlt wie nun wieder mit dem ‚Recht‘ der Polizei schon bei Ordnungswidrigkeiten PINs und TANs von Bürgern bekommen zu können ohne richterlichen Beschluss, ‚vergisst‘ sie dabei einfach zu erwähnen. Welches Recht auf Privatsphäre besteht denn noch? Wer sich näher damit beschäftigt, erschrickt darüber, was schon alles ‚rechtmäßig‘ vom deutschen Staat über die Bürger ausgeforscht werden darf.

Nachdem Pofalla fleißig behauptete, die deutschen Dienste hätten alles richtig gemacht und man sei es nicht gewesen, tauchen nun neue Enthüllungen auf. Bisher wurde in den Medien berichtet, wie die NSA an die riesigen Datenmengen kommt. Nun gibt es mit dem Bekanntwerden von XKeyscore auch Beschreibungen davon, wie die riesigen Datenbestände ausgewertet werden können. Offensichtlich ist mit dieser Software die Möglichkeit gegeben, aus den Datenmengen mögliche verdächtige Personen weltweit zu identifizieren. Dabei werden regelrechte Bewegungsprofile angelegt. Fällt eine Person aufgrund verdächtiger Worte oder Handlungen auf, kommt sie auf eine Beobachtungsliste. Neben dem Namen, der Staatsangehörigkeit, dem Wohnort, dem Standort des Gerätes mit dem auf das Internet zugegriffen wird, kann man auch sehen, welche Chats die Person geführt hat, welche Emails sie schrieb, welche Webseiten sie aufrief. Aber nicht nur der Blick in die Vergangenheit ist möglich. Es gibt auch die technische Möglichkeit in Echtzeit heraus zu finden, welchen Standort die Person aktuell hat, also in welchem Land, in welcher Stadt der Erde sie sich gerade aufhält bis hin zur genauen Straße und dem Haus. Es kann sofort gesehen werden, ob die Person gerade telefoniert oder auf das Internet zugreift. George Orwell hätte seine Freude an diesem Szenario gehabt, das schon weit über das hinaus geht, was er sich nach dem Zweiten Weltkrieg sich in seinen wildesten Träumen hatte vorstellen können.

Und nun stellt sich weiterhin heraus, dass deutsche Dienste nicht nur von dieser Software wussten, sondern dass sie diese auch nutzen. Angeblich aber nur zu Testzwecken! Wenn man all die Lügen der letzten Wochen von Merkel, Friedrich und Pofalla anschaut, frage ich mich: Wer soll das glauben? Diese Ausrede, es sei nur zu Testzwecken, erinnert mich an einen Mann der eines Tages von einem Freund seiner Ehefrau dabei erwischt wurde wie er in ein Bordell ging. Darauf angesprochen antwortete der Mann: ‚Das war nur zu Testzwecken. Ich habe ein wissenschaftliches Interesse daran gehabt.‘

Anders als die Bundesregierung, die sich dreht und windet wie ein Wurm machen es sich die USA leichter. Sie haben uns mitgeteilt was sie tun und sie tun es weiter. Und sie lachen über die angebliche Unwissenheit der Bundesregierung. Mehr noch: Sie suchen neue Leute zur Überwachung der Deutschen. Vielleicht kommt ja mal eine Arbeitsagentur in Deutschland auf die Idee, Arbeitslose zur NSA zu schicken? Wäre doch mal eine nette Variante, oder? Und die USA bauen ihre Überwachungs-Infrastruktur in den USA weiter aus und selbst in Wiesbaden-Erbenheim entsteht ein weiteres militärisches Aufklärungszentrum, sozusagen mitten in Deutschland. Nicht verwunderlich ist, dass die Bundesregierung auch davon nichts gewusst hat! Wir entnehmen daraus, dass die USA die Planung für den Bau des neuen Zentrums nicht mit der Bundesregierung abgestimmt hat. Und genau an diesem Punkt kann man sehen, wie die Verhältnisse wirklich sind. Nur Kolonialmächte machen in ihren Kolonien was sie wollen, ohne die heimische Kolonialverwaltung zu fragen,

meint
fortunato

 

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