Hurra, die Zahl ist weg!

Tageskommentar 31. 07. 2013: fortunato,
Hurra, die Zahl ist weg!

von fortunato (fortunanetz)

Kenneth Rogoff stellte sich die Frage: Ist Staatsverschuldung gefährlich? Daraus entstand seine Hypothese, dass ein Staat, dessen Staatsschuldenquote höher als 90 Prozent ist, sein Wirtschaftswachstum gefährdet.

Später wurde bei näheren Untersuchungen seiner Berechnungen festgestellt, dass das verwendete Excel-Sheet fehlerhaft war. Daraus entwickelte sich eine heftige öffentliche Debatte. Zuletzt brachte ‚DIE ZEIT‘ dazu einen Artikel, allerdings Monate nachdem die Debatte in der amerikanischen Öffentlichkeit stattfand.

Die Argumentationslinie die der Artikel dem Leser unterschiebt ist folgende: Rogoff hat mit seiner Staatsquote von 90 Prozent den Staaten eine falsche Vorgabe gemacht, denn die Zahl stimmt nicht. Damit hat Rogoff eine Sparpolitik zu vertreten, die wissenschaftlich nicht haltbar ist. Implizit wird damit behauptet: ‚Alles gar nicht so schlimm. Wir können ruhig mehr Schulden machen, weil der Herr Professor sich verrechnet hat.‘

Das Tolle an Rogoffs Excel-Tabelle ist dabei, dass nach der Fehlerkorrektur die Zahl ’90 Prozent‘ verschwindet, und sich keine neue Zahl errechnen lässt. Hurra, die Zahl ist weg! Die Staatsschuldenquote ist nicht ersatzweise bei 80 oder 100 Prozent kritisch, sondern es gibt da gar keinen kritischen Punkt…. Na dann ist doch alles gut! Nur weil es keine Kennzahl mehr gibt kann ich machen was ich will. Gehe ich zum Arzt und er sagt: Tut mir Leid, mein Blutdruckmessgerät funktioniert gerade nicht und schon habe ich keinen hohen Blutdruck mehr. Also ab jetzt, weil die Messmethode nicht stimmt, nur noch fressen, saufen, faulenzen, TV gucken und vor allem: kein Sport und immer spät ins Bett gehen. Es ist sooo einfach: Keine Messzahl, kein Problem… und basta!

Auf diesem Niveau agieren die Verfechter einer Politik des verstärkten Schuldenmachens. Dabei müsste doch gerade die Information, dass keine neue Zahl erscheint, wenn man die Tabelle korrigiert und von den Fehlern befreit, hellhörig machen. Besagt sie doch nichts anderes als dass exakt dieses Modell wie Rogoff es entwickelte, bei korrekter Anwendung kein Ergebnis bringt, also vermutlich falsch aufgebaut wurde. Das kann aber an vielem liegen: Die Rechenmethode war nicht richtig, das Datenmaterial gibt kein gutes Ergebnis her, die Hypothesen stimmen nicht, etc. Aus dem traurigen Desaster von Rogoffs Theorie kann man lediglich entnehmen, dass falsch gerechnet wurde. Mehr Erkenntnisgewinn ist wirklich nicht drin.

Nun zeigt sich in der Praxis, dass auf eine Kennzahl zur Staatsschuldenquote keine Rücksicht genommen wird, wenn es darum geht, einem Staat eine Empfehlung dafür auszusprechen, ob er Einsparungen vornehmen soll oder nicht. Aktuell sieht man das an den gänzlich unterschiedlichen Empfehlungen des IWF für Griechenland und die USA. Derzeit gibt der IWF Gelder für Griechenland frei, weil das Land angeblich damit begonnen hat, seinen Beamtenapparat zu verschlanken. Das bedeutet harte Maßnahmen und die sind ein weiteres Signal dafür, dass die Einsparungen fortgeführt werden sollen. Im Fall Griechenland besteht der IWF auf den beschlossenen Einsparungen. Zur selben Zeit frohlockt der IWF, die US-Wirtschaft könnte im Jahr 2014 wieder Fahrt aufnehmen. Wie der IWF zu dieser Einschätzung kommt, ist in dem Artikel nicht begründet. Es steht zu befürchten, dass das alles genau so Kaffeesatz-Leserei ist wie Merkels ‚Der Aufschwung kommt an.‘ aus den Jahren nach 2008, mitten in der schwersten Wirtschaftskrise. Interessant ist aber, dass ausgerechnet bei den USA der IWF davor warnt, das Land könnte durch zu viele Einsparungen den Aufschwung gefährden. Diese Empfehlung gab der IWF übrigens schon einmal im Jahr 2011. Da warnte er auch vor dem Sparwahn!

Da schaut man doch verdutzt! Beide Länder, Griechenland und die USA sind hoch verschuldet! Griechenland liegt derzeit bei einer Staatsschuldenquote von 182 Prozent und die USA bei 112 Prozent. Beide Länder liegen über der falschen kritischen Marke von 90 Prozent, ja sie gehören sogar zu den 15 am meisten verschuldeten Ländern der gesamten Erde! Und dennoch verlangt der IWF im gleichen Atemzug von dem einen Land harte Sparmaßnahmen und das andere Land warnt er davor, zu viel zu sparen…. Offensichtlich macht eine Kennzahl wie die von Rogoff errechnete in der Praxis keinen Sinn.

In der Realität sind die Maßnahmen, die bei einer Überschuldung einzuleiten sind, stark abhängig von der Bonität des Schuldners, denn diese entscheidet meistens darüber, wie hoch der Preis einer Sanierung ist und wie sie durchgeführt werden kann. Auch kleinste Schuldenbeträge sind weg, wenn der Schuldner eine schlechte Bonität hat. Große Schuldenbeträge können bei guter Bonität zurück gezahlt werden, auch wenn es manchmal länger dauert. Diese Erkenntnis dämmert jedem, der ein wenig praktisch denkt.


Bezogen auf Staaten gibt es für deren Einschätzung sogenannte Ratingagenturen. Die wichtigsten Agenturen haben ihren Sitz in den USA. Deren Tätigkeit ist darauf gestützt, dass es ein US-Gesetz gibt, das jeden Staat oder jedes Unternehmen das am amerikanischen Kapitalmarkt Geld leihen will, verpflichtet, sich einem Rating zu stellen. Da der amerikanische Kapitalmarkt der größte der Erde ist, bleibt praktisch keinem Staat oder Unternehmen eine andere Wahl als sich einem solchen Rating zu unterziehen. (Und da hilft dann so eine tolle Idee wie vor 2 Jahren von deutschen Politikern vorgetragen, eine europäische Ratingagentur zu schaffen, herzlich wenig. Sie hilft nur dabei, die Bonität von Staaten und Unternehmen festzustellen, die auf einem europäischen Kapitalmarkt Geld erhalten wollen.)

Dass Ratingagenturen eigene Maßstäbe haben um ein Land oder ein Unternehmen einzuschätzen ist bekannt. Dass jede Ratingagentur jeweils andere Maßstäbe hat und zu anderen Ergebnissen kommt, ist ebenfalls bekannt. Dabei werden nicht nur ‚harte‘ Kriterien angelegt, sondern auch politische, wie z. B. ob das Land eine demokratische Verfassung hat, die Menschenrechte respektiert, ein Rechtsstaat ist, etc. Und so kommt die USA als ‚Rechtsstaat‘ trotz Guantanamo und trotz NSA Spitzeleien und als ‚Demokratie‘ mit gerade einmal 2 sich ähnelnden Parteien und mit der ‚Wahrung der Menschenrechte‘ durch willkürliche Erschießungen von Personen im Ausland per Drohnen in den Genuss eines höchstmöglichen Ratings, und Griechenland auf maximal CCC (substantielle Risiken, gerade mal über einem Zahlungsausfall angesiedelt).

Die Einschätzung, ob ein Land sparen muss oder eher sogar nicht sparen soll, hängt daher von vielen Faktoren ab und ist letztlich eine hochpolitische Entscheidung. Eine Kennzahl wie die von Rogoff genannten 90 Prozent macht womöglich gar keinen Sinn.

Daraus können wir folgendes lernen:

a) Die Wirtschaftswissenschaften können nicht alles berechnen und festlegen.

b) Ob ein Land sparen muss oder Schulden machen darf wird nicht von einem Wirtschaftswissenschaftler entschieden, sondern von den USA und zwar hinter den Kulissen.

Ob Frau Merkel da Geld verschenken möchte oder nicht, spielt letztlich für den Entscheidungsprozess, wie man jetzt auch bei den Empfehlungen an die USA und Griechenland sieht, keine Rolle,

meint
fortunato

————————————————————–

Lieber fortunato,

schön, dass Sie dieses Thema erneut ansprechen.
Unsere System-Medien und unsere Polit-Vollpfosten wollen uns täglich einreden, dass alles im grünen Bereich ist und wir uns keine Sorgen machen müssen. Die Polit-Dilettanten haben alles im Griff. Man muss nur genug Papiergeld in Umlauf bringen und alles wird gut. Dabei verschweigen sie, dass die ganze Welt im Schuldensumpf versinkt.

Die Einzigen, die von diesen Staatsschulden profitieren, sind die Superreichen. Die Umverteilung von unten nach oben verläuft vorzüglich. Die gesamte Politkaste weiß ganz genau, dass das Schuldgeldsystem früher oder später implodieren wird. Eine Währungsreform, ein Schuldenschnitt oder was auch immer wird kommen und deshalb werden sich die Lügenbarone bis zum Tag X die Taschen randvoll füllen, um einigermaßen unbeschadet davonzukommen. Die Verlierer werden wie immer die kleinen Leute sein.

Das alles wird dann als notwendige Maßnahme verkauft, um die Bürger … zu schützen. Die Griechen, Spanier, Portugiesen …  können bereits ein Lied davon singen. Alles nur noch eine Frage der Zeit. Volksaufstände werden dann mit Waffen brutal niedergeschlagen. Einige hunderttausende Tote werden dann als Kollateralschaden, um das System aufrechtzuerhalten, in Kauf genommen.

 

(Visited 10 times, 1 visits today)
Hurra, die Zahl ist weg!
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*