Hofberichterstatter

von Michael Winkler (511. Pranger)

Bevor China zur Weltwirtschaftslokomotive aufgestiegen ist, gab es dort die „Wandzeitungen“. Da wurde die Zeitung nicht gefaltet als Beitrag für das Altpapier nach Hause geliefert, sondern als Plakataushang an die Wand geklebt. Wer Lust hatte – und es war angeraten, dazu Lust zu haben – ist stehengeblieben und hat die neuesten Worte des großen Vorsitzenden gelesen. Auf diese Weise haben eine gute Milliarde Chinesen erfahren, was sie zu denken und zu meinen hatten.

In Würzburg gab es das auch mal, ein Zeitungsverlagshaus mitten in der Stadt, das sein Tageblatt ins Schaufenster stellte, damit Passanten es kostenlos lesen konnten. Heute steht dort eine Einkaufspassage… Die Wandzeitungen sind jedoch viel älter. Am 31. Oktober 1517 hat ein gewisser Martin Luther eine Wandzeitung an eine Kirchentür in Wittenberg angeschlagen und 130 Jahre später waren deswegen zwei Drittel der Mitteleuropäer tot. Da sage noch mal einer, die Presse habe keine Macht!

Der Vorläufer der Zeitungen war die Kirche. Sie bestimmte die Meinung der Bevölkerung, ihre Priester verkündeten die kirchliche Propaganda bis ins letzte Dorf. Die Kirche beanspruchte die Wahrheit für sich, verkündete ihre Lehren mit der Autorität, die Vertreter Gottes auf Erden zu sein. Die Kirche verwahrte in ihren Klosterbibliotheken das Wissen der Welt, die Kirche beherrschte in ihren Klosterschulen das Bildungswesen. Selbst die Universitäten, die sich im ausgehenden Mittelalter konstituierten, standen unter der Kontrolle der Kirche. Luthers „Wandzeitung“ wurde nicht umsonst an eine Kirchentür geschlagen. Doch verbreitet wurde sie über eine neue Erfindung: die Druckerpresse. Erst damit wurden Zeitungen ermöglicht, wurde aus Handschriften ein Massenmedium.

So richtig los ging es mit den Zeitungen, als die Druckerpressen bezahlbar geworden sind. In Westernfilmen sieht man gelegentlich eine solche Druckerpresse, die einer Zeitung gehört, bei welcher der Inhaber zugleich Herausgeber, Chefredakteur, Drucker und Verkäufer ist. Hin und wieder sogar der Held, weil er es wagt, kritische Berichte zu drucken. Dies war früher einmal die Aufgabe der Zeitungen: die Regierung und die Vorgänge im Land zu kritisieren. Dem entgegen entwickelte sich die Hofberichterstattung. Wir hatten damals noch keine mittelmäßigen Volldemokraten, sondern fachkundige Spezialisten an der Seite der adligen Herrscher, die dem Volk neben der ganzen Kritik auch einmal die Meinung der Regierung zukommen lassen wollten. Regierungsfreundliche Zeitungen wurden mit derartigen Berichten versorgt und durften sich diverser Gunstbeweise erfreuen, zum Beispiel über Hochzeiten und andere Festivitäten berichten.

In einer Zeit, in der es noch keine Nachrichtenagenturen gegeben hatte, sorgte die Nähe zum jeweiligen Fürstenhof dafür, daß die lokale Zeitung Neuigkeiten aus aller Welt erfuhr. Eigene Korrespondenten mit Brieftauben konnte sich damals kaum ein Blatt leisten. Immerhin, die Stafetten haben damals schon funktioniert. Eine Zeitung aus Frankfurt oder Nürnberg benötigte mit der Postkutsche nur drei Tage, bis sie im fürstbischöflichen Würzburg nachgedruckt werden konnte – mit der Expertise des Lokalredakteurs ergänzt, natürlich.

Eisenbahn und Telegraphen veränderten alles. Dank der Transatlantikkabel war selbst Amerika nachrichtentechnisch nur noch Stunden von Würzburg entfernt. Die Hofberichterstatter gab es zwar immer noch, doch sie waren nur eine Stimme im großen Chor der Pressevielfalt. Im Kaiserreich wurde kaum zensiert, da durfte sogar über Kaiser, Staat und Militär gewitzelt werden. Höchstens bei Aufrufen zur offenen Revolte oder Anstiftung zu Verbrechen, Mord und Totschlag wäre die Obrigkeit eingeschritten. Die Kaiserzeit war das goldene Zeitalter der Pressefreiheit und der Pressevielfalt in Deutschland.

Nach dem Ersten Weltkrieg folgte noch ein silbernes Zeitalter. Nach Krieg und Inflation hatten viele kleine Zeitungen aufgeben müssen. Für die Konzentration im Pressewesen stehen die Namen Hugenberg in Deutschland und Hearst in den USA. Die so hervorragend gefälschten Protokolle der Weisen von Zion lieferten Anleitungen, wie man eine Zeitung unter seine Kontrolle bringt, und merkwürdigerweise wurden diese Anleitungen befolgt. Die Presse mußte sich dem Geld beugen…

Mit dem „Schwarzen Freitag“ an der Wall Street und dem Zusammenbruch der Danat-Bank in Deutschland begann die Zeit der großen Depression. In Deutschland bekämpften sich die nationalen Linken und die internationalen Linken, und im Rahmen dieser Kämpfe wurden durchaus Druckereien zerstört und Zeitungen aus dem Markt gedrängt. Für eine Zeitung war es gleichgültig, ob sie von der SA oder der Rotfront abgefackelt wurde. Die Vielfalt wurde durch Polarisation ersetzt, zwischen den Fronten wurde das Überleben schwer. Wer unbedingt von einem „bronzenen Zeitalter“ sprechen möchte, kann es bei der Pressefreiheit den Jahren 1929 bis 1933 zuordnen.

1933 hatten sich die nationalen Sozialisten durchgesetzt und begannen nun damit, die Presse auf Regierungslinie zu bringen. Internationale Linksblätter wurden verdrängt, nur noch nationale Linksblätter durften erscheinen. Die „freie“ Presse wurde rot-grün, was gemischt bekanntlich braun ergibt. Damit brach das Eiserne Zeitalter für die Presse an.

Bis auf ein paar Unbelehrbare weiß heute jeder, daß Deutschland 1945 nicht befreit, sondern besiegt, unterworfen, ausgeplündert und entrechtet wurde. Die Siegermächte haben das oft genug verkündet, und nur professionelle Lügner wie Richard von Weizsäcker behaupten das Gegenteil. Nette Menschen aus den USA, zufällig allesamt jüdischen Glaubens, haben so großartige Dinge wie den Kaufmann-, den Morgenthau- oder den Hooton-Plan entwickelt, wie Deutschland mittels Völkermord von der Landkarte verschwinden könnte. In einem Land, in dem die Sieger anderthalb Millionen Kriegsgefangene auf den Rheinwiesen-Lagern verhungern und erfrieren lassen, werden natürlich keine kritischen Zeitungen zugelassen.

Nach dem Krieg haben nur Hofberichterstatter der Alliierten eine Lizenz erhalten. Diese durften, ja mußten die nationalen Linken Adolf Hitlers verdammen, die Besatzer und deren Lebensweise verherrlichen und die Deutschen in ein gefügiges, willfähriges Volk umerziehen. Es ging nicht um Nachrichten, sondern nach wie vor um Propaganda. An die Stelle eines Josef Goebbels waren nur Sefton Delmer und andere angloamerikanische Experten für psychologische Kriegsführung getreten. Um eventuelle Richtigstellungen zu vermeiden, wurde die deutsche Führung in Nürnberg hingerichtet oder wenigstens langfristig weggesperrt, wenn es zu schwer wurde, eine glaubhafte Kriegsschuld zu konstruieren.

Es ist nachvollziehbar, daß in diesem Umfeld nur ausgewiesene Duckmäuser und Verräter die Zeitungen beherrschten. Zivilcourage hätte zur sofortigen Schließung geführt. Immerhin, die Deutschen durften sich noch gegenseitig kritisieren, in dieser Zeit gab es das Duell Springer (auf Regierungslinie) gegen SPIEGEL, der die Interessen der Opposition verteidigte. Die politischen Farben des Wirtschaftswunders waren CDU-Schwarz und SPD-Rot, die nationalliberale FDP spielte eher eine untergeordnete Rolle. Türken gab es damals noch keine im Land, die sind erst aufgetaucht, als der Wiederaufbau weitgehend erledigt war.

Immerhin passierte damals die SPIEGEL-Affäre, eine Sternstunde des deutschen Nachkriegs-Journalismus, in der tatsächlich ein Hauch von Pressefreiheit und vierter, kontrollierender und überwachender Macht zu verspüren war. Natürlich war das eine Schlammschlacht, und damals wurden die Weichen für den großen Linksruck gestellt, der uns die heutigen Sozialistischen Einheitsparteien beschert hat. 1966 wurde die SPD bundesweit regierungsfähig, die FDP wurde zur Linkspartei, die 1969 die sozialliberale Koalition ermöglichte. Schwarz-Gelb ergibt ein dunkleres Grau, Schwarz-Rot ein düsteres Rot und Rot-Gelb ein blasses Orange, nach der allgemeinen Farbenlehre.

In den Siebzigern fand eine vergleichbare Polarisierung wie in den späten Zwanzigern statt. Immerhin, es wurden keine Druckereien mehr zerschlagen, keine Redaktionen mehr angezündet. Liberale, unabhängige Blätter (im Rahmen der alliierten Umerziehungs-Politik) verkümmerten, das Unions- und das Rote Lager prosperierten. Eine linke Regierung rückt jedoch automatisch in die Mitte, und eine gemäßigt rechte Partei, die einen Koalitionspartner aus dem linken Lager lösen möchte, rückt ebenfalls in die Mitte. Unter Kohl gab es plötzlich etwas Neues: privates Fernsehen. In den Achtzigern erreichte es nur wenige Zuschauer, doch diese Zahl nahm ständig zu.

Die kleine Druckerpresse, handbetrieben und mit Bleisatz, benötigte nur eine Person und nicht allzuviel Kapital. Ein Fernsehsender hingegen benötigt eine ganze Gruppe Menschen, ein Studio, eine Menge Technik und genug Kapital, um das, was im Studio produziert wurde, in die Welt hinauszutragen. Nicht Tausende, Millionen Euro sind nötig. Ein paar kleine Lokalsender mag es geben, doch diese sind unwichtig. Große, mächtige Sendergruppen produzieren Nachrichten. Große, mächtige Verlagsgruppen produzieren Zeitungen. Die Presse ist mittlerweile in ganz wenigen Händen konzentriert. Diese Konzentration bewirkt eine Gleichschaltung, die es nie zuvor gegeben hat.

Presse und Politik sind ein symbiotisches Verhältnis eingegangen. Kein Politiker kann es sich erlauben, gegen die Presse zu agieren. Die Politik braucht die Presse als Sprachrohr, und sie benötigt eine „gute“ Presse, um ihre Handlungen den Wählern und Steuerzahlern zu verkaufen. Die Presse andererseits benötigt die Politik, denn die Politik verfügt über Exklusivinformationen und bestimmt die Rahmenbedingungen, unter denen die Presse arbeitet.

Der SPIEGEL hatte einmal den Beinamen „Sturmgeschütz der Demokratie“. Sturmgeschütze waren, das sollte man in der heutigen demilitarisierten Zeit erklären, eine Art turmloser Panzer. Die Kanone ragte direkt aus der Wanne. Die Aufgabe der Sturmgeschütze war, feindliche Panzer und feindliche Stellungen zu bekämpfen, also der nachrückenden Infanterie die gröbsten Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Dafür waren die Sturmgeschütze mit einer entsprechend großen Kanone bestückt.

Es gab Zeiten, da hat es weh getan, den SPIEGEL zu lesen, aber man mußte es tun, um sich zu informieren. Wer danach sein Weltbild zurechtrücken mußte, für den gab es den Bayernkurier. Die Unterschicht hatte damals ihre Meinung aus der BILD bezogen, aber oft genug trotzdem SPD gewählt. Der SPIEGEL war intelligenter, schrieb auf höherem Niveau. Das ist allerdings Vergangenheit. Was heute im SPIEGEL steht, ist weder intelligenter, noch hat es ein höheres Niveau, die Artikel sind nur deutlich länger und oft genug einschläfernd weitschweifig und langweilig geschrieben.

Aus dem einstigen Sturmgeschütz ist ein Schoßhündchen der Demokratie geworden, handzahm und rot-grün, was als Gemisch bekanntlich Braun ergibt. Die Linken in der SPIEGEL-Redaktion sind zwar internationale Sozialisten, die Diktion haben sie jedoch von den nationalen Sozialisten übernommen. Gegen Andersdenkende tritt diese Zeitschrift gerne als Hetzblatt auf, dafür ist sie auf Regierungskurs umgeschwenkt, in die Reihen der Merkel-Huldiger. Warum auch nicht, wenn die Politik nur Sozialistische Einheitsparteien zu bieten hat, kann man sich der großen Genossin Staatsratsvorsitzenden zu Füßen legen.

Als in Paris die Redaktion der Charlie Hebdo gezeigt bekommen hat, daß Gott groß ist, hat man richtig gemerkt, wie betroffen die ganze deutsche Journaille darauf reagiert hat. Als hätte es auch sie treffen können… Aber wieso denn? Wer sollte handzahme, linksgrüne Hofberichterstatter aus dem Weg räumen? Kein Geheimdienst der Welt würde so etwas tun! Und Islamisten? Deutsche Linksblätter sind doch die besten Islamversteher, die rund um die Uhr gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Rheumatismus eintreten. Im vorausschauenden Gehorsam setzen sie sich für den Bau weiterer Moscheen ein, rufen nach noch mehr Einwanderung und Privilegien für Asylbewerber. Wer also sollte diesen Tanzmäusen in den Redaktionen etwas tun wollen? Doch höchstens jene Bürger, die von solchen Herrschaften die Nase voll haben und den Bezug der Käseblättchen kündigen!

Das Pressewesen in der freiesten Merkel-Republik aller Zeiten ist inzwischen ganz grob in zwei eng verfeindete Lager aufgeteilt: Das Jawohl-Frau-Merkel-Lager und das Aber-gerne-Frau-Merkel-Lager. Beide Fraktionen bestehen aus bürgerkritischen Hofberichterstattern, welche vehement die Ansichten der Regierung vertreten und sich an Willfährigkeit überschlagen. Presseeinfalt ist das Kennzeichen der entwickelten Demokratie, und viele Journalisten sind bereits so einfältig, daß sie sich beim Lügen ertappen lassen.

Eine kritische Presse gibt es heute nur in Form einiger weniger, kaum bekannter Zeitungen. Die großen Namen sind austauschbar geworden, die Inhalte nicht mehr zuzuordnen. Für immer mehr Leser werden die Zeitungen überflüssig und die Radio- bzw. Fernsehnachrichten nebensächlich. Die einstmals freie Presse ist zur reinen Hofberichterstattung zurückgekehrt, die nicht das Ziel hat, den Lesern, Hörern und Zuschauern zu helfen, sich eine Meinung zu bilden, sondern ganz frech versuchen, diesen, den zahlenden Kunden, die Meinung vorzugeben und aufzudrängen.

Wir befinden uns in einer ähnlichen Lage wie im ausgehenden Mittelalter: Die Massenmedien des Kapitals kontrollieren die Nachrichten, geben die Meinung vor, bis ins letzte Wohn- und Fernsehzimmer hinein. Und zugleich gibt es sie, das Gegenstück zur Druckerpresse: das Internet. Rechner und Netzanschluß sind heute weitaus billiger als selbst die kleinen Druckerpressen, die wir aus Westernfilmen kennen. Das Presse- und Meinungsmonopol der Kirche wurde durch die kleinen Druckereien zerstört, heute kann jeder Einzelne aktiv werden, seine Meinung und seine Sicht der Welt verbreiten.

Wer schreiben kann, schreibt, wer zeichnen kann, zeichnet, wer reden kann, erstellt Audio- oder Videodateien. Jeder kann diese Werke ins Internet stellen. Luthers Schriften wurden unter der Hand weitergegeben, Mund-zu-Mund-Propaganda sorgte dafür, daß sie sich verbreiteten. Das ist heute nicht anders.

Große, verkrustete Strukturen werden inflexibel und haben sich schließlich überlebt. Die zahme Hofberichterstattung, die uns alle nur manipulieren möchte, ist an ihre Grenzen gelangt. Es geht nicht von heute auf morgen, die Dinge müssen sich entwickeln. Ein paar Jahre, nicht einmal Jahrzehnte dürfte es dauern. Das Internet hat der Geheimdienst der Zaren nicht vorausgesehen, deshalb gibt es dagegen keine Rezepte in den Protokollen der Weisen von Zion.

Die „freie“ Presse hat sich überlebt. Sie ist zur gigantischen Manipulationsmaschine verkommen, verbreitet gleichgeschaltete Einheits-Wahrheiten, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Die Unterdrückung der Freiheit hat sehr oft funktioniert, aber immer nur für eine gewisse Zeit. Alle Unterdrückungssysteme sind letztlich zusammengebrochen. Die Zeit der Hofberichterstatter läuft ab, unerbittlich.

© Michael Winkler

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