Hauptsache, alles liegt in Trümmern

Seit einem Jahr wird die Stadt Kobane auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei im Islamischen Staat berannt. Erst innerhalb der kurzen Zeit von ein paar Wochen ist sie zum Thema der deutschen Medien geworden. Die Regierung in Berlin reagiert auch prompt und schickt Wolldecken, was den IS jedoch nicht aufhalten wird. So geht das, wenn gutmenschliches Wunschdenken auf Realpolitik stößt.

Wenn die deutsche Politik schlichtweg mit Versagen durch Fehleinschätzung zu erklären ist, so liegen die Dinge, soweit die die USA betreffen, erheblich komplizierter. Die, wie sie sich gerne selbst nennt, „einzige Weltmacht“, ist scheinbar nicht im Stande, die IS-Artillerie-Posten vor Kobane, die jedem ausländischen TV-Korrespondenten bekannt sind, durch Luftschläge auszulöschen. Dabei rühmt sich die US-Luftwaffe bei jeder Gelegenheit auch mittels einschlägigen Bildmaterials, wie sie aus 1000 Metern Höhe punktgenau Ziele von der Größe einer Handkarre zu Staub machen kann. Auch wer die Rücksichtslosigkeit, mit der die NATO unter USA-Kommando etwa Belgrad oder Tripolis mit Bomben belegt hat, kann sich die Erfolglosigkeit vor Kobane nicht leicht erklären.

Doch das Unvermögen ist, wie gesagt, nur scheinbar. Natürlich könnten die USA, wenn sie wollten. Aber warum sollten sie denn wollen, wo sie doch selbst den IS ins Leben gerufen, aufgebaut, finanziert und ausgerüstet haben, ebenso wie einst in Afghanistan die al Kaida. Beide dienen dazu, den Nahen und Mittleren Osten in ein Chaos zu verwandeln, aus dem lebensuntüchtige, ungefährliche politische Trümmer zurückbleiben, die sich der Neuen Weltordnung der USA nicht mehr widersetzen können.

Wenn dabei einmal ein Projekt wie die Installierung des IS ein wenig aus dem Ruder läuft, so tut das nichts. Die Politik der USA müssen nicht in sich schlüssig, ihre Protagonisten nicht reich an Kenntnissen sein. Etwas aufzubauen und zu erhalten, das verlangt Kenntnisse und Verstand, das Zerstören nicht. So lautet die US-Devise für Nah- und Mittelost: Hauptsache, alles liegt in Trümmern. Das können auch brutale Dummköpfe. Und wenn man für den Krieg gegen Afghanistan und gegen andere Länder den 9. September gebraucht hat, so reichen diesmal ein paar Videos, wo man sieht, wie jemandem der Hals abgeschnitten wird.

Und was die Finanzierung des IS angeht, die Kernfrage eines jeden Krieges: Die Behauptung, jener würde sich aus dem Erdöl-Schmuggel finanzieren, gehört zu den dreistesten Lügen, die Washington der Welt zumutet. Man will sie tatsächlich glauben machen, die Männer des IS hätten neben ihrem aufreibenden Mordhandwerk noch Zeit und Muße, Öl zu fördern und zu transportieren.

Womit denn? Ja, heißt es da, es gibt alte Pipelines aus der Zeit des Saddam Hussein… Tatsächlich? Und die werden gleich weiterbenutzt, nach über zehn Jahren, so, wie man eine rostige Feldlokomotive neu anheizt? Wer so etwas behauptet, hofft inständig auf die Ahnungslosigkeit seines Publikums. Öl zu fördern ist eine hochtechnische, diffizile und nicht zuletzt gefährliche Angelegenheit. Man braucht fachmännisch gewartetes Material, man braucht eine eigene Stromversorgung, man braucht Druckausgleichs-Systeme und eine ständige Reinigung durch sogenannte Molche. Alte, oder wie es auch geheißen hat, „provisorische“ Pipelines würde niemand anrühren, der je mit Öl zu tun hatte. Und die Tankwagen, von denen die Rede war? Lächerlich. Und wohin wird denn das Zeug geliefert, angeblich? Wer soll es kaufen, wo doch dem Vernehmen nach alle dem IS Feind sind? Wahrscheinlich war es wieder der Putin.

Natürlich will man mit derlei Märchen von den wirklichen Finanziers ablenken: den USA, den Saudis, dem Emir von Katar und anderen Wüstensöhnen, die sich eines Tages wundern werden, wenn der Drang der USA zur weltweiten Demokratisierung auch sie erreichen wird.

Florian Stumfall

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