Haftung: Statt Schuldenbremse

von Carlos A. Gebauer (ef-magazin)

Warum nicht eine Schadensersatzpflicht für Politiker?

Beamte, die mir schaden, kann ich ersatzpflichtig machen. Das Gesetz nennt das „Amtshaftung“. Das ist auch gut so. Denn wer die öffentliche Aufgabe hat, mich zu schützen, der muss sorgfältig arbeiten. Zwar steht im Falle des Falles mir gegenüber erst einmal der Staat für den Ersatz gerade. Der aber kann bei seinem Beamten Rückgriff nehmen. Auf diesem Umweg zwingt das Gesetz Beamte zu gewissenhafter Arbeit. Jeder Amtmann weiß also: Schadet er dem Bürger bewusst oder leichtfertig, dann geht es auch ihm selbst an die Geldbörse. Der berühmte Paragraph 839 unseres Bürgerlichen Gesetzbuches, der dies anordnet, gilt seit rund 115 Jahren. Damals lebte noch der Kaiser, und ihm gefiel, seine Beamten preußisch pflichtbewusst zu wissen.

Für uns heutige Demokraten wäre auch ganz undenkbar, dass ein Beamter selbstherrlich und verantwortungslos über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Wir halten die Verantwortlichkeit des öffentlich Bediensteten für normal. Wer sie wieder abschaffen wollte, würde sich schlicht lächerlich machen. Nun können Beamte zwar, je nach Position, sehr große Schäden anrichten. Da sie sich jedoch innerhalb ihrer Dienstaufgaben bewegen müssen, hält sich das Unglück meist noch immer irgendwie im Rahmen. Etwas völlig anderes gilt bei einer anderen Sorte von Arbeitern für die Öffentlichkeit. Politiker sind keine Beamten im Sinne des Amtshaftungsrechts. Schaden sie mir, haften sie nicht. Politiker, sagt der Bundesgerichtshof stets (grundlegend: III ZR 199/27), dienen nur der Allgemeinheit. Sie haben keine besondere Beziehung zu bestimmten Personen, deswegen können sie auch keine konkreten Amtspflichten gegenüber einem einzelnen Bürger haben. Sie machen sich also nie schadensersatzpflichtig. Parlamentarier können praktisch beschließen, was immer sie wollen. Ihre Verantwortung heißt „politische Verantwortung“. Das Schlimmste, was ihnen droht, ist die ausbleibende Wiederwahl. Ihr persönlicher Geldbeutel bleibt von alledem unberührt. Im Gegenteil. Auch ihre Pensionsansprüche bestehen weiter. Kritische Geister haben deswegen gesagt, das Gegenteil von Verantwortung sei politische Verantwortung. Beamte haften. Politiker nicht.

Wer aber zahlt für den Schaden, den Politiker anrichten? Man ahnt es: die Allgemeinheit! Und weil die Allgemeinheit kein eigenes Konto hat, bleibt am Ende nur der einzelne Bürger übrig. Zu dem hat der Politiker zwar keine besondere Beziehung. Wohl aber zu seinem Geldbeutel. Denn der lässt sich besteuern. Und Steuern zahlen die Menschen in Deutschland wahrlich genug. Hunderte von Milliarden werden Jahr für Jahr eingenommen und eingetrieben. Dennoch sind unsere Staatshaushalte in Ländern und Bund hoffnungslos überschuldet. Generationen würde es dauern, bis die heutigen Schulden beglichen wären. Doch es kommen immer neue Schulden hinzu. Der steuerzahlende Bürger Hase kann den steuerausgebenden Politiker Igel niemals mehr einholen.

Vielleicht ist es gerade jene besondere Verantwortungslosigkeit der Politiker, die unsere Demokratien in diese finanzielle Bedrängnis getrieben hat. Und vielleicht sollten wir deshalb einen jeden Abgeordneten ebenso persönlich für die Konsequenzen seiner Arbeit haften lassen wie einen Beamten. Wir Bürger müssen nur in den genannten Paragraphen einfügen: „Politiker gelten als Beamte in diesem Sinne.“ In einer Demokratie sollte dies eigentlich kein Problem darstellen. Denn schließlich regieren wir Bürger uns ja selbst. Politiker sind nur unsere Vertreter. Sie haben zu tun, was das Volk will. Wer weiß, möglicherweise kann ein solches Gesetz wenigstens das weitere Ansteigen unserer Staatsschulden beenden. Jedenfalls wäre es effektiver als eine „Schuldenbremse“, an die sich niemand hält. Ich bin sicher: Je schärfer das persönliche Haftungsrecht für Politiker ausgestaltet sein wird, desto stärker wird unsere Demokratie. Denn Verantwortungslosigkeit schadet nicht nur der Allgemeinheit. Sondern auch dir und mir.

Dieser Artikel erschien zuerst in der „Fuldaer Zeitung“.

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