Gruppensolitarität (III)

Tageskommentar 05. November 2012: fortunato,
Teil III/V Gruppensolidarität

von fortunato (fortunanetz)

Der Euro wurde den Menschen damals schmackhaft gemacht mit der Behauptung, er wäre so stabil wie die DM, ja noch stabiler. Er hätte sogar, wurde behauptet, das Zeug dazu, dem Dollar als Weltleitwährung eines Tages Konkurrenz zu machen. Es wurden zur Absicherung dieses Versprechens sogar Stabilitätskriterien verabschiedet.

Nach den Konvergenz – Kriterien von Maastricht aus dem Jahr 1992 dürfe das Haushaltsdefizit eines Landes nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen und die staatliche Gesamtverschuldung nicht höher als 60 Prozent des BIP sein. Ein wirtschaftlich geschwächtes Europa ging mit nicht erfüllten Kriterien in das Abenteuer Währungsunion, sprich feste Wechselkurse.

Schon 1998 wurden mit Italien und Belgien zwei Länder aufgenommen, deren Gesamtverschuldung bei 100 Prozent des BIP lag und nicht bei 60 (siehe Artikel der FAZ, „ Beschuldigt nicht Griechenland“) Also was sollten diese Kriterien? Sie waren nur schmückendes Beiwerk, Zahlen ohne Abschreckungseffekt. Der Zusammenschluss war politisch herbeigeführt, die Beitrittskriterien waren keine Ausschlusskriterien. Das sollte sich später rächen.

Bei dieser Form der Unverbindlichkeit war zu befürchten, niemand würde sich hier an irgendetwas halten, auch dann nicht, wenn die Währung konkret eingeführt werden würde. Zur Sicherheit baute man deshalb eine sogenannte „No-Bailout-Klausel“ ein. Dies geschah gleich mehrfach und wurde immer und immer wieder beschworen: Kein Staat haftet für die Schulden eines anderen Staates! Und als der „Fall“ dann eintrat, dass Staaten, die sich nicht an die Konvergenzkriterien hielten, doch Hilfen der anderen Staaten in Anspruch nehmen mussten, argumentierte man damit, dass dies eine Notsituation wäre, die den Euro zu Fall bringen könnte.

Dies war die Geburtsstunde des EFSF und des ESM. Frau Merkel beeilte sich, die Transferunion in Gestalt eines womöglich grenzenlos haftenden ESM zu realisieren. Dieser war in seiner ursprünglichen Konzeption nichts Anderes als ein dauerhafter bailout für jene Länder, die den Maastricht-Kriterien nicht entsprechen und denen sogar, wie im Fall von Griechenland, sogar ohne fremde Hilfen der Staatsbankrott drohte.

Als das Vertragswerk bekannt wurde, liefen viele engagierte Bürger Sturm dagegen. Vor allem entdeckten kritische Leser dieses Vertragswerkes, dass nicht eindeutig formuliert war, wie hoch am Ende die Haftungssumme für Deutschland sein würde, da die Institution ESM die Haftungssumme erhöhen konnte. Vor allem war nicht klar, inwieweit der Bundestag auf eine Erhöhung der Haftungssumme noch im Rahmen eines ordnungsgemäßen parlamentarischen Verfahrens Einfluss nehmen konnte.

Weiterhin befürchteten die ESM-Kritiker, dass das Parlament bei Budgetfragen nicht mehr genügend Einflussmöglichkeiten haben könnte und so ein Kernbereich unserer demokratischen Ordnung, nämlich die Budgethoheit des Bundestages, in Frage gestellt werden könnte.

Aufgrund all dieser Bedenken, und noch weiterer, die hier nicht genannt wurden, wurden von verschiedenen Gruppen sowohl aus dem Bundestag heraus, wie auch von Interessengruppen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Dessen ungeachtet, dass der gesamte Vorgang derart kritisch gesehen wurde, stimmten sowohl der Bundestag wie auch der Bundesrat an einem Tag über die Zustimmung zum ESM ab. Dass an diesem Tag nicht auch noch der Bundespräsident den Vertrag unterschrieb, lag daran, dass ihn das Bundesverfassungsgericht höflich bat, mit der Unterschrift zu warten, bis sich das BVerfG dazu geäußert hat. Eine derart schnelle Verabschiedung eines Gesetzes ist höchst selten und verwundert dann doch, vor allem weil es dabei um schwerwiegende Fragen ging, die uns alle betreffen. Es handelte sich um ein Vertragswerk das so kompliziert war, dass selbst Rechtsgutachten nicht eindeutig ausfielen. Und das sollte eine transparente Demokratie sein?

Der ESM, gedacht als Rettung von tief verschuldeten Euro – Staaten, schlug hohe Wellen der Angst und Empörung in der Bevölkerung. Die kritischen Foren im Internet erlebten einen Boom. Selbst in Kneipen und Kaffee-Häusern wurde darüber heftig diskutiert.

Zum Glück hat das BVerfG verfügt, dass die Haftungssumme der BRD im Rahmen des ESM auf maximal 190 Mrd. Euro beschränkt bleibt. Weiterhin hat das BVerfG die Rechte des Bundestages vor allem was die Budgethoheit angeht, deutlich betont und gestärkt. Dabei hat es nochmals festgehalten, dass der Bundestag bei Änderungen im ESM, die die Budgethoheit betreffen, gefragt werden muss.

Es ist kein gutes Zeichen für unsere Demokratie und politische Kultur, dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt bemüht werden musste, um die Verfassungsmäßigkeit des ganzen Vorgangs zu überprüfen und deutliche Abgrenzungsakzente zu setzen.

Ob am Ende der deutsche Beitrag zum ESM in Höhe von 190 Mrd. Euro ausreicht, um die Existenz des Euros zu sichern, steht aber aufgrund der Verschuldungssituation mancher Euro – Mitgliedsstaaten in den Sternen. Vermutlich weiß niemand, wie es mit dieser Währung weiter geht. Da die aktuelle Politik der Regierung Merkel angeblich ja alternativlos ist, legt sich ohnehin der Mantel des Schweigens über die öffentliche Diskussion

Leider beendet das die vielen Fragen von Bürgern nicht und darin liegt die nächste Gefahr. Wie können Unternehmen und auch Privatpersonen Sicherheit in Fragen der Wirtschaft haben, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, dass ihre Währung stabil bleibt und Bestand hat? Vielleicht stellt sich ja demnächst heraus, dass unsere Nachbarn noch höher verschuldet sind als bisher angenommen? Wie oft wurden denn die Zahlen zur Verschuldung Griechenlands oder Spaniens schon korrigiert?

Leider löst dies ganz generelle Fragen aus: Was geschieht in der Zukunft mit meinem Ersparten? Habe ich im Alter eine Rente, von der ich mir noch etwas kaufen kann? Unternehmen fragen sich zu Recht: Kann ich noch neue Mitarbeiter einstellen, oder sollte ich wegen der Unwägbarkeiten bezüglich der Währung vorsichtiger sein? Kann ich einen höheren Lohn zahlen und dabei noch Gewinne machen, oder halte ich mich eher zurück? Können meine Kunden in der Zukunft noch die Waren bezahlen, oder lässt sie der Euro zukünftig in irgend einer Weise im Stich?

Die volkswirtschaftlichen Funktionen von Sparen und Investieren sind damit extrem hohen Unsicherheiten unterworfen. Viele Konzerne gleichen schon taggleich die Forderungen und Verbindlichkeiten in den einzelnen Ländern aus, um bei einem Währungsschnitt keine Einbußen zu riskieren.

Verwunderlich ist es nicht, dass hier aufgrund der Euro – Währung ein enormes Maß an Unsicherheit in das Leben der Menschen in unserem Land gekommen ist. Auch das Verhalten der Bundesregierung bei der Durchsetzung des ESM ist nicht gerade Vertrauen erweckend. Auch der Umstand, dass Verträge geschlossen und im Bedarfsfall wieder gebrochen werden, wie man dies in Bezug auf die Stabilitätskriterien und die No-Bailout-Klausel sehen konnte, lässt den Bürger nichts gutes Erahnen. Worauf kann er sich noch verlassen? Die Politik hat ihre Vorhersehbarkeit schon deswegen eingebüßt, weil keiner genau weiß, wie sich die Europroblematik weiterentwickelt.

Die vormalige Hartwährung und Weltreservewährung D-Mark wurde durch den Euro ersetzt. Und nun ist eine der Einrichtungen, nämlich eine stabile Währung wie die DM, die eine erhebliche Gruppensolidarität der Deutschen gestiftet hat, nachweislich abgeschafft. Dass der Euro aber derzeit keine Gruppensolidarität stiften kann, dürfte aufgrund der oben beschriebenen Entwicklung offensichtlich sein. Er ist geradezu ein Spaltpilz der alle Formen der Solidarität untergräbt, bis hin zu den Schuldzuweisungen Deutschland sei der Schuldige an den Problemen im Euroraum. Man ist mit anderen Worten nicht einmal mehr in Bezug auf die Währung solidarisch.

Quellen:

Beschuldigt nicht Griechenland (FAZ)

Quelle: fortunanetz

 

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