Griechenland-Rettung : Insolvenzverschleppung

von Mario Fleischmann

Beerdigung einer nicht vorhandenen Glaubwürdigkeit

Griechenland soll ab Mitte Dezember weitere Kredite erhalten. Darauf verständigten sich die Eurogruppe, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Der IWF, der ein Drittel der Hilfen trägt, steigt damit doch nicht aus, was bis zuletzt noch diskutiert worden war. Die Hilfen in Höhe von 44 Milliarden Euro sollen in vier Tranchen bis Ende März gezahlt werden. 23,6 Milliarden gehen an die notleidenden Banken. Trotz eines Schuldenschnitts für private Investoren zu Beginn des Jahres ist Griechenland das mit Abstand am höchsten verschuldete Land in der Eurozone. Innerhalb von fünf Jahren ist die Wirtschaftskraft um ein Viertel gesunken.

Diplomatenkreisen zufolge soll die Schuldenquote von etwa 175 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 124 Prozent des BIP sinken, bis 2022 sogar auf 110 Prozent. Um die Schulden Griechenlands zu drücken, wird mit einem Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen und längeren Darlehenslaufzeiten getrickst. Ohne einen Schuldenschnitt wäre dieses Ziel aber unmöglich zu erreichen. Ein Schuldenschnitt ist also nicht vom Tisch, vielmehr verschoben, bis das Wahljahr vorbei ist. Denn dann müsste auch Deutschland zum ersten Mal auf Forderungen verzichten. Die Deutschen würden zu spüren bekommen, dass bei der massiven Rettungspolitik nicht nur mit großen Zahlen, sondern mit echten Werten jongliert wird.

Dabei ist das kleine Griechenland das kleinste Problem. Mit 9,9 Millionen hat es deutlich weniger Einwohner als Bayern oder Baden-Württemberg. Das eigentliche Sorgenkind der Eurozone ist Spanien, das mit über 980 Milliarden Euro mehr Auslandsschulden hat als alle anderen Krisenländer zusammen. Zudem wird immer klarer, dass auch Frankreich ins Stocken gerät. Dort leidet die Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls, und die französischen Banken haben sehr viel in Spanien und Italien investiert. Verschärft sich dort die Krise, bekommt Frankreich ganz schnell hohes Fieber.

Die Ursachen der Probleme werden durch das neue Hilfspaket nicht beseitigt. Und das wissen die Menschen mittlerweile auch. Die Politik verliert mit ihrem Durchgewusel die Glaubwürdigkeit. Zumal sich die Eliten auch nicht mehr einig sind, wie der Streit mit dem IWF deutlich macht. Bei der Sanierung des griechischen Haushalts gab es keinerlei Erfolg. Das Defizit lag 2009 bei 15,6 Prozent und soll 2012 auf sieben Prozent sinken. Privatisiert wurde fast gar nichts. Die Arbeitslosenrate steigt pro Monat um einen Prozentpunkt. Die Rechtsextremen sind mittlerweile zur drittstärksten, die Linksextremen zur zweitstärksten Partei in Griechenland geworden. Es häufen sich die Meldungen über Denunziationen von Journalisten und sogar Gerüchte über Folter gibt es. Das Land droht ins Chaos abzurutschen.

Das eigentliche Problem entstand daraus, dass die schlechte Banken-Regulierung der Basel-Vorschriften eine falsche Risikogewichtung für Eigenkapital festsetzte und die EZB zu niedrige Leitzinsen hatte. Dadurch floss das Kapital bei der Euroeinführung massenweise in die heutigen Krisenländer. Die Staaten und auch die Privaten konnten sich billig verschulden, ohne höhere Zinsen fürchten zu müssen. Es kam zu einem Boom, der meist durch eine Immobilienblase getragen wurde. Als die Blase 2008 platzte, sanken die Löhne jedoch nicht mit. Seitdem entsprechen sie nicht mehr dem Produktivitätsniveau. Die Krisenländer sind ganz einfach zu teuer. Sie haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das drückt sich in hoher Arbeitslosigkeit und einer Kapitalflucht aus, die jedoch über das sogenannte „Target-System“ versteckt ausgeglichen wird. Deutschland haftet für diese „Target-Salden“ mittlerweile mit etwa 750 Milliarden Euro. Das ist das Hauptproblem der Eurozone. Theoretisch könnte man die zu hohen Löhne einfach senken. Die starken Gewerkschaften lassen das aber nicht zu. Da die Rettungspakete die Krisenstaaten weiter finanzieren und sie sich zusätzlich über das Target-System Geld drucken können, fehlt jeglicher Anreiz, die notwendigen Reformen durchzuführen. Einfacher wäre eine Währungsabwertung nach dem Ausstieg aus der Eurozone. Die neue Währung würde solange abwerten, bis das Lohnniveau wieder dem Produktivitätsniveau entspricht. Die Gehälter bleiben gleich, sind aber weniger wert. Weitgehende Vollbeschäftigung wäre möglich und nach ein bis zwei Jahren geht es in der Regel wieder bergauf, wie eine Studie des Ifo-Instituts zeigt, die ähnliche Situationen in der Vergangenheit untersucht hat. Die Rettungsgelder sind Griechenland keine Hilfe, da sie das Unvermeidliche hinauszögern und verschlimmern. Ein Schuldenschnitt, gekoppelt an einen Euroaustritt und eine anschließende Abwertung der eigenen Währung, würde einen Neustart ermöglichen und die Krisenstaaten aus der Falle befreien.

Es sollte aber nicht alles Übel auf den Euro an sich geschoben werden. Mit der Möglichkeit zu ständigen Abwertungen sinkt ebenfalls der Anreiz, das Produktivitätsniveau zu steigern. Auch das ist nicht das Gelbe vom Ei. Nur, wenn stets Hilfen garantiert werden, sobald etwas juckt, gibt es ohnehin keinen Anreiz zu notwendigen Verbesserungen. Dann ist der Euro wirklich zum Scheitern verurteilt und ein System mit flexiblen Wechselkursen die bessere Alternative. Die Risikogewichtung für Eigenkapital von Banken müsste durch den Markt erfolgen und nicht von den Basel-Vorschriften festgelegt werden. Denn das verzerrt die Zinsstruktur, wodurch die Kapitalströme fehlgeleitet werden. Staaten werden momentan einheitlich mit einem Risiko von Null bewertet. Ihnen fällt es also besonders leicht, sich zu verschulden. Die EZB müsste aufhören, Wirtschaftsregierung zu spielen, und dürfte die Zinsen nicht mehr unter das Marktniveau drücken, da das nur noch mehr Blasen und Fehlinvestitionen erzeugt. Dann, ja dann wäre der Euro überlebensfähig. Am besten sollte er durch Sachwerte gedeckt werden, weil das künftige Manipulationen erschwert. Aber die Politik hat den anderen Weg eingeschlagen und wird ihn kaum mehr verlassen. Man kann nur hoffen, dass es Deutschland so schnell wie möglich so schlecht wie möglich geht. Der Wahnsinn fände vermutlich rasch ein Ende, und in den Krisenstaaten wäre ein schmerzhafter, aber aussichtsreicher Neuanfang möglich.

Quelle: ef-magazin

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