Gold, Geld und die nächste Finanzkrise

Sonderkorrespondenz: DeutschlandBrief – der monatliche Hintergrunddienst

Bruno Bandulet (ef-magazin)

Gold, Geld und die nächste Finanzkrise

Noch herrscht Ruhe an den Finanzmärkten, und nur selten sind düstere Prognosen zu hören wie die des amerikanischen Bankers und Risikospezialisten Jim Rickards. Er rechnet mit einem Kollaps des globalen Finanzsystems innerhalb von drei bis fünf Jahren. Damit meint er nicht einen Crash wie 2000 oder 2008, die schlimm genug waren, sondern eine Zäsur wie 1914, 1939 und 1971.

1914 endete der klassische Goldstandard, die Kriegsparteien begannen Geld zu drucken, und auch nach 1918 gelang es nicht, zur alten, soliden Geldordnung zurückzukehren. In Deutschland kulminierte der Prozess 1923 in Hyperinflation und Währungsreform. Mit dem Kriegsbeginn 1939 brachen der internationale Handel und die Finanzbeziehungen ein weiteres Mal abrupt ab. Nach dem Krieg folgte ein neues Weltwährungssystem mit dem Dollar als Leitwährung, in welches Deutschland erst nach der Währungsreform von 1948 integriert wurde. Und 1971 erklärten die USA eine Art von Bankrott, als Präsident Nixon das „Goldfenster“ schloss und die Verpflichtung einseitig aufkündigte, Dollar-Guthaben des Auslandes auf Verlangen jederzeit in Gold einzuwechseln. Damit gab Nixon den Anstoß zur großen Inflation der 70er Jahre.

Die nackten Zahlen sprechen dafür, dass auch das gegenwärtige, auf 1971 zurückgehende System seinem Ende zugehen könnte. Seit dem Crash von 2008 hat sich nichts Grundlegendes gebessert. Im Gegenteil: Wie die Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich kürzlich meldete, ist die Verschuldung aller Staaten der Welt seit Ausbruch der letzten Finanzkrise Mitte 2007 um 80 Prozent angestiegen. Und zwar auf 43 Billionen Dollar! Rechnet man die Anleihen von Banken und Unternehmen hinzu, wurde die Marke von 100 Billionen erreicht.

Während in der Euro-Zone trügerische Ruhe herrscht, ist auch hier kein Ende der Aufschuldung in Sicht. Die griechischen Staatsfinanzen sind längst nicht mehr sanierbar, ein krasser Fall von Insolvenzverschleppung, und auch in Frankreich und Italien sind die Aussichten mau. In Deutschland arbeitet Finanzminister Schäuble mit billigen Tricks – demnächst wird die Staatsschuldenquote sogar wieder unter 80 Prozent sinken, weil die EU ab September Schmuggel und Drogenhandel in das Bruttoinlandsprodukt einrechnet und dieses damit um drei Prozent steigen lässt.

Währenddessen unternimmt die Große Koalition alles, um die Wettbewerbsfähigkeit und damit das langfristige Wachstum der deutschen Volkswirtschaft auf französisches oder italienisches Niveau zu drücken. In ein paar Jahren wird sie auch das geschafft haben. Vor dem Euro-Raum liegt eine lange Periode von Stagnation, Geldverschlechterung durch die Europäische Zentralbank und Massenarbeitslosigkeit im Süden des Kontinents. Lösbar ist die Euro-Krise wohl nicht mehr. Sie kann aber durch Banken- und Sozialunion, durch Gleichschaltung und Umverteilung und durch neue Geldspritzen der Europäischen Zentralbank EZB (im Gespräch sind neuerdings 1.000 Milliarden Euro) eine Zeitlang verschleppt werden.

Auch in den USA ist die Lage weniger rosig, als es den Anschein hat. Das reale Einkommen pro Kopf liegt tiefer als Ende 2005, der Anstieg bei den Auto- und Hausverkäufen ist zum Stillstand gekommen, die Ausfallrate bei den in Amerika wichtigen Krediten an Studenten hat ein Allzeithoch erreicht. 26 Millionen Amerikaner sind unterbeschäftigt, elf Millionen sind auf staatliche Hilfen angewiesen, um sich Lebensmittel kaufen zu können. Obwohl die Notenbank das System mit Geld geflutet hat wie nie zuvor, konnte die amerikanische Volkswirtschaft, die größte der Welt, den Einbruch von 2008 bis heute nicht wettmachen. Die Produktion liegt immer noch unter dem Niveau von 2007.

In Europa sieht es eher schlechter aus. In der Juli/August-Ausgabe 2013 konstatierte das amerikanische Magazin „Foreign Affairs“, dass die Wirtschaft der Euro-Zone verglichen mit 2007 in einer schlechteren Position sei als 1935 verglichen mit 1929, dem Beginn der damaligen Depression. Auch sei, so „Foreign Affairs“, kein Krieg in Sicht, der den USA einen wirtschaftlichen Boom bescheren könnte wie der Zweite Weltkrieg, der die damalige Depression beendete.

Unter den drei großen Wirtschaftsblöcken ist es nur China, das ordentlich wächst, wenn auch mit vermindertem Tempo. Die neue Regierung ist dabei, die Korruption zu bekämpfen, marktwirtschaftliche Reformen voranzubringen und Luft aus der Kreditblase der Schattenbanken abzulassen. Das ist zunächst schmerzhaft und wird eine Reihe von Pleiten, das heißt Zahlungsausfällen bei faulen Krediten zur Folge haben, ist aber Bestandteil einer langfristigen Strategie. Ob ein Crash in China droht – er würde die gesamte Weltwirtschaft treffen –, ist von außen schwer zu beurteilen. Die chinesischen Statistiken sind nicht zuverlässiger als die amerikanischen. So gefährlich wie 2008 in den USA ist die Lage in der Volksrepublik aber nicht. Die Sparquote ist hoch, die Staatsverschuldung niedrig, und die Devisenreserven sind mit 3,7 Billionen Dollar die größten der Welt.

Letzteres wird in China selbst auch als Problem gesehen. Peking fordert seit Jahren eine grundlegende Reform des Weltwährungssystems und möchte von der Dollar-Hegemonie loskommen, steckt aber zugleich in einer Falle. Die Chinesen halten den Dollar für eine angeschlagene Währung, würden aber ihre eigenen Reserven entwerten, wenn sie ihn massiv verkauften. Sie können versuchen, Rohstoff- und Energiekonzerne im Ausland zu übernehmen, was aber von der amerikanischen und der australischen Regierung schon blockiert wurde. Oder sie können einen Teil ihrer Dollars in Gold umschichten – was sie seit Jahren vorsichtig tun, ohne die Amerikaner über Gebühr zu reizen.

Nach offiziellen Angaben sind mit 1.054 Tonnen nur ein Prozent der chinesischen Devisenreserven in Gold angelegt. In Deutschland beträgt der Anteil 66 Prozent, in den USA 70 Prozent. Bei einer jährlichen globalen Minenförderung von rund 3.000 Tonnen, wovon über zwei Drittel in die Schmuckherstellung gehen, ist das Angebot beschränkt. China stockt heimlich auf und hat wohl auch 2013 gekauft – ganz abgesehen vom privaten Golderwerb von über 1.000 Tonnen 2013, der von Peking sogar ermuntert wird. 2013, als die Fonds in New York in fallende Preise hinein verkauft haben, exportierten die USA eine Rekordmenge von fast 700 Tonnen Gold, wovon ein großer Teil nach Hongkong und in die Scheideanstalten im Tessin ging – und auf dem Umweg über die Schweiz ebenfalls nach Asien. Über die Hälfte des globalen Goldangebots wurde 2013 von China und Indien absorbiert. Eine Vermögensverschiebung von West nach Ost, von den stagnierenden in die wachsenden Regionen der Welt.

Formuliert wird die chinesische Gold-, Währungs- und Wirtschaftspolitik von einer hochkarätigen Elite. Dazu zählt Zhang Weiying, der von Hayek und der Österreichischen Schule stark beeinflusst wurde und der schon in den 80er Jahren großen Einfluss auf die Reformpolitik nahm. Oder Yu Yongding, der von einer „Dollar-Falle“ spricht und den Amerikanern unterstellt, sie wollten die Schuldenlast auf ihre Gläubiger und damit auf China schieben, und der dafür plädiert, Gold und Öl zu kaufen, um sich gegen einen plötzlichen Absturz des Dollars abzusichern. Und vor allem Li Yining, einer der einflussreichsten chinesischen Ökonomen, bei dem führende Industrielle und Politiker wie der jetzige Vizepräsident oder der seit März 2013 amtierende Ministerpräsident Li Keqiang studiert haben. Er gilt als einer der Vordenker des chinesischen Wirtschaftswunders und meint, dass China „jede Gelegenheit nutzen soll, um Gold zu kaufen, insbesondere wenn die Preise fallen“.

Ob als Absicherung in der nächsten großen Finanzkrise, ob als Bestandteil eines neuen, auf den Dollar folgenden Weltwährungssystems – Gold wird im Kalkül der großen Zentralbanken noch gebraucht. Wer große Reserven hält wie die USA und Deutschland, verkauft nichts. Wer wenig hat wie die Schwellenländer, insbesondere China, akkumuliert. Am 19. März titelte das „Wall Street Journal“: „Gold im Tresor – die Zentralbanken trauen ihrem eigenen Geld nicht.“

Verständlich also der Druck der deutschen Öffentlichkeit (siehe die Initiative „Holt unser Gold heim“) auf die Bundesbank, ihre in Manhattan lagernden Barren zurückzuholen. Oder auch die bevorstehende Volksabstimmung in der Schweiz, mit der die Schweizerische Nationalbank verpflichtet werden soll, die noch im Ausland liegenden Goldreserven in die Heimat zu überführen und 20 Prozent ihrer Aktiva in Gold zu halten. Derzeit sind es nur sieben Prozent. Falls die Goldfreunde das Referendum gewinnen, muss die Nationalbank entweder Euros verkaufen oder aber Gold zukaufen.

Information

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der am 19. April erscheinenden Mai-Ausgabe  eigentümlich frei Nr. 142.

 

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