Globales Finanzcasino

Die Botschaft zum Jahresende lautet „Game over“

Ernst Wolff (antikrieg)

Die Finanzwelt hat Ende 2018 einen Wendepunkt erreicht. Fast zehn Jahre lang haben die Zentralbanken das globale Finanzsystem künstlich am Leben erhalten, indem sie Billionen an Dollars, Euros, britischen Pfund, japanischen Yen und Schweizer Franken aus dem Nichts erzeugt und zu immer niedrigeren Zinsen vergeben haben.

Damit haben sie eine Entwicklung eingeleitet, die niemand vorausahnen konnte: Die Finanzmärkte haben über einen Zeitraum von 115 Monaten eine Rekordmarke nach der anderen gerissen. Das Ganze hatte aber auch eine Schattenseite, denn die Maßnahmen haben zugleich bewirkt, dass

– im Verhältnis zu den Finanzmärkten immer weniger Geld in die Realwirtschaft floss,

– das Steueraufkommen wegen der im Finanzsektor intensiv praktizierten Steuervermeidung nicht mit der Geldentwicklung mithalten konnte,

– immer weniger öffentliche Investitionen getätigt wurden,

– die Infrastruktur weltweit zerfiel,

– konservative Anleger wie Versicherungen, Renten- und Pensionskassen gezwungen wurden zu spekulieren und unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen,

– die Altersvorsorge durch Sparen erschwert und einer zukünftigen Zunahme der Altersarmut der Weg bereitet wurde,

– Privathaushalte, Unternehmen und Staaten sich immer höher verschuldeten,

– immer mehr Anleger mit geliehenem Geld in die Märkte einstiegen,

– an den Finanzmärkten die größten Blasen aller Zeiten entstanden,

– die soziale Ungleichheit weltweit explodierte.

Da diese Entwicklung das globale Finanzsystem inzwischen existenziell bedroht, ersetzen die Zentralbanken, angeführt von der FED, seit einiger Zeit ihre „lockere“ durch eine „straffere“ Geldpolitik – das heißt: Sie verringern den Geldfluss und erhöhen die Zinsen.

Die FED hat ihren Leitzins ab 2015 in mehreren sehr vorsichtigen Schritten bis auf 2,25 Prozent angehoben und bereinigt ihre auf mehr als $ 4,5 Billionen angewachsene Bilanz zurzeit um monatlich ca. $ 50 Mrd., die EZB hat ihre im März 2016 begonnenen Anleihenkäufe in diesem Sommer weiter eingeschränkt und will sie ab Anfang 2019 ganz aussetzen.

Diese Umkehr in der Geldpolitik wirkt auf die Finanzmärkte allerdings wie ein Drogenentzug auf einen Süchtigen und führt daher zu einer gefährlichen Instabilität. Aber nicht nur das: Sie trifft das System auch noch zu einer Zeit, in der es ohnehin mit einer Anhäufung von Problemen konfrontiert ist: Dem von den USA inszenierten Handelskrieg, der italienischen Bankenkrise, dem Volksaufstand in Frankreich, den Sanktionen gegen den Iran, der Kapitalflucht aus den Schwellenländern, dem im Hintergrund immer bedrohlicher ausufernden Derivatesektor und einer einsetzenden globalen Rezession.

Ein ungünstigeres Zusammentreffen schwarzer Schwäne (möglicher Auslöser für einen System-Kollaps) ist schwer vorstellbar. Sollten die Zentralbanken trotzdem an ihrer straffen Geldpolitik festhalten, so lässt sich die Entwicklung an den Finanzmärkten in folgende drei Stadien einteilen:

  1. Stadium (in dem wir uns gerade befinden): Durch den Geldentzug wird weniger spekuliert, die Kurse beginnen zu fallen. Erste Investoren, die mit geliehenem Geld in die Märkte eingestiegen sind, ziehen sich zurück, worauf die Kurse weiter nachgeben. In die Spekulation gezwungene konservative Anleger werden nervös, verkaufen und drücken die Kurse noch weiter.
  2. Stadium: Der hohe Schuldenstand vieler Marktteilnehmer tritt immer deutlicher zutage, das Misstrauen wächst und führt zu immer zögerlicherer Kreditvergabe. Da Schuldnern die Bedienung ihrer Schulden zunehmend schwerer fällt, müssen sie immer mehr Wertpapiere verkaufen, was einen weiteren Rückgang der Börsenkurse und noch mehr Verkäufe nach sich zieht.
  3. Stadium: Wegen der anhaltenden Abwärtsbewegung an den Börsen weiten sich die Kursverluste aus, erste Gläubiger fordern ihr Geld von Schuldnern zurück, es kommt zu einzelnen Insolvenzen, denen weitere und größere folgen, was noch mehr Gläubiger skeptisch macht und zum gefürchteten „Margin Call“ – einer flächendeckenden Rückforderung von Schulden – führt. Dadurch werden im Derivate-Bereich immer höhere Zahlungen fällig, die sogar die Großbanken überfordern, selbst kühl kalkulierende Börsenprofis in Panik geraten lassen und damit eine nicht mehr aufzuhaltende Abwärtsspirale in Gang setzen.

Der gesamte Prozess ist mit dem Abgang einer Lawine vergleichbar, die sich zunächst langsam in Gang setzt, dann an Fahrt aufnimmt und schließlich krachend alles und jeden mit sich reißt.

Noch befinden wir uns im ersten Stadium dieses Prozesses. Doch das heißt nicht, dass es nicht schon bald zum Crash kommen kann, denn in welchem Tempo sich die Dinge ereignen werden, kann niemand voraussagen. Eines aber lässt sich schon jetzt feststellen: Selbst wenn die Zentralbanken aus Angst vor dem Zusammenbruch ihre straffe Geldpolitik über Bord werfen und panikartig erneut Geld zu noch niedrigeren Zinssätzen (also im Fall der EZB im Negativbereich) in die Märkte pumpen sollten, werden sie nur ein zeitlich begrenztes Strohfeuer entfachen, den endgültigen Zusammenbruch aber nicht mehr verhindern können.

Die Botschaft des globalen Finanzsektors zum Jahreswechsel 2018/ 2019 ist eindeutig und lautet: Das Casino schließt seine Pforten, das Spiel ist vorüber.

Ernst Wolff, 7.12.2018

(Visited 62 times, 1 visits today)
Globales Finanzcasino
2 Stimmen, 5.00 durchschnittliche Bewertung (99% Ergebnis)

1 Kommentar

  1. 09.12.2018

    Die Zentralbanken werden ihre sogenannte "straffe" Politik sofort aufgeben, sobald die Arbeitslosigkeit zu hoch wird.  Denn wenn sehr viele Menschen arbeitslos sind und dann von ihren Ersparnissen leben wollen, wird das System entzaubert, weil dann der Sparer Geld sich als wertlos erweisen wird.

    Zu allen Zeiten wurden die Staatsbankrotte immer durch Krieg gelöst, weil das das allerbeste Mittel der führenden Eliten ist, von ihrem Versagen abzulenken.  Vor dem Ersten Weltkrieg war Rußland bankrott und also unterstützte es Serbien zum Krieg gegen die Mittelmächte.  Der deutsche Staatsbankrott 1923 führte dann auch zum Zweiten Weltkrieg mit seinen fürchterlichen Ergebnisen.

    Nach der Französischen Revolution war Frankrreich auch bankrott, weil sein Papiergeld, die Assignaten und  die Territorial-Mandate, wertlos geworden waren.  Napoleon hat dann Kriege geführt, die vor allem auch dazu dienten, das Defizit im Staatshaushalt zu stabilisieren.

    Karl Friedrich Becker, Weltgeschichte, 13. Band S. 48 ff.
    Berlin 1838

    8. Der Staatsbankrott Frankreichs. (1796 – 1797)

    "Die Regierung, welche am Tage nach Ausschüttung der Mandate eine Proklamation erlassen und der Nation feierlich Glück gewünscht hatte, daß ihr durch die Territorial-Mandate eben der Grad des Wohlstandes und der Stärke, auf dem sie sich im Anfange der Revolution befunden, wiedergegeben worden sei, sah sich durch diesen schnellen Einsturz ihres luftigen Gebäudes in die äußerste Not versetzt. Die grenzenlose Verwirrung, die der Mißkredit der Papiere in allen inneren Staatsverhältnissen hervorbrachte, die gänzliche Verarmung unzähliger, besonders Unmündiger, deren Vermögen durch gesetzlichen Zwang in Papieren niedergelegt war (Anm. Mündelgelder, Pupillengelder), der Hungertod nicht bloß der Rentenbesitzer, sondern auch solcher Beamten und Richter, welche nicht von Raub oder Bestechung leben konnten oder wollten, kurz die ganze furchtbare Erscheinung des öffentlichen Bankbruchs, kümmerte das Direktorium weniger, als die Unmöglichkeit, durch Mandate den Sold und die Bedürfnisse der Heere, welche damals noch auf dem Boden Frankreichs standen, herbeizuschaffen. Die Armeen am Rhein weigerten sich, dieselben anzunehmen, und die in den Seealpen gegen Italien stehende befand sich in einem Zustande von Auflösung, der die schleunigste Hilfe erforderte. Aber•das Kriegsglück hob diesen Kummer. Im Anfange des Mai 1796 meldete Bonaparte, daß er mit dieser Armee, der es an allem fehlte, in Piemont eingedrungen sei, daß sich ihr die stärksten Festungen Europas ohne Widerstand aufgetan, und daß Frankreich nun auf die Schätze der Fürsten und Völker•Italiens zu rechnen habe. Der unbegreifliche Kleinmut des piemontesischen Hofes war es, wodurch die Französische Regierung aus der größten und dringendsten Verlegenheit gerettet, zugleich aber auch in die Ausicht versetzt ward, im Eroberungskriege das Mittel gegen ihre Finanznot zu suchen. In diesem Sinne wurde der Feldzug von 1796 gegen Deutschland unternommen, und unter unaufhörlichen Brandschatzungen bis an die Tore von Würzburg und München geführt. Die Fürsten und Völker zahlten an den Feind das Hundertfache dessen, was sie zur Abwehr desselben dem Vaterlande zu leisten für unerschwinglich erklärt hatten. Zwar gelang es damals den Franzosen noch nicht, Deutschland zu behaupten, und die in den Friedensschlüssen von 1796 den Reichsstaaten ausgelegten Millionen wurden wohl nur teilweise bezahlt; dafür aber lieferte Italien fortwährend ergiebige Quellen für den Staatshaushalt Frankreichs, der längst nicht mehr aus eigenen Mitteln bestritten werden konnte. Durch diese Zuflüsse ward die Französische Regierung in den Stand gesetzt, das Papiergeld zu entbehren. Um sich desselben auf die wohlfeilste Weise ganz zu entledigen, erließ sie in allmähliger Reihenfolge eine Anzahl Dekrete, welche die Annahme der Mandate bei Entrichtung der Abgaben und beim Kaufe der Nationalgüter beschränkten und folglich den Preis derselben immer mehr herunterbrachten. Im Januar 1797 galten tausend Livres in Mandaten oder dreißigtausend Livres in Assignaten nur einen einzigen Livre bares (gemünztes) Geld. Endlich, am 1. Februar 1797, ward bestimmt, daß diese Papiere aufhören sollten, unter Privatpersonen einen erzwungenen Umlauf zu haben, und nur noch beim Kaufe künftig auszubietender Nationalgüter wurde den Inhabern eine entfernte, mit Weitläufigkeiten verbundene Aussicht zu deren teilweiser Anbringung gelassen."

Schreibe einen Kommentar zu Jürgen II Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*