Tageskommentar 22. 10. 2013: fortunato,
Gibt es in Deutschland noch eine funktionierende parlamentarische Demokratie?
von fortunato (fortunanetz)
Ein Ergebnis der aktuellen Finanz- Wirtschafts- und Eurokrise ist, dass die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist und dass die AfD als Gegner der aktuellen ‚Rettungspolitik‘ beinahe in den Bundestag gekommen wäre. Damit hat faktisch eine Ausdünnung der Parteienlandschaft Platz gegriffen. So wie die Dinge stehen, werden auch die Grünen über kurz oder lang in einer schweren Legitimationskrise landen. Nur die Linke verharrt in ihrer Oppositionsrolle wie gehabt. Wie wir jetzt feststellen können, hat aber die parlamentarische Opposition nicht mehr die Stärke, die Regierungsparteien in spe noch effektiv zu kontrollieren, weil sie zu klein geworden sind. Damit haben wir ein parlamentarisches System das voraussichtlich nicht mehr funktioniert!
Nach der derzeitigen parlamentarischen Ordnung bekäme eine schwarz-rote Koalition zusammen auf 80 Prozent aller Stimmen im Bundestag. So haben die Deutschen dieses Parlament zusammen gewählt…. bzw. das kommt dabei heraus wenn insgesamt gerade einmal ca. 25 Prozent aller Wähler Angela Merkel wählen… Wenn man die Nichtwähler nämlich mit hinein rechnet (also alle Wahlberechtigten = 100 Prozent) hat Angie Superstar kaum jemand gewählt… Es gingen nämlich nur 71 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl, aber SPD und CDU haben im Bundestag jetzt eine Mehrheit von 80 Prozent!…. Kann ja jeder selbst rechnen, dass es mit der Behauptung, fast 48 Prozent der Wähler hätten Angie gewählt und sie stünde kurz vor der absoluten Mehrheit im Bundestag nicht weit her sein kann… Das sind alles nur die Rechenkünste unserer Scheindemokraten!
Dieser beklagenswerte Zustand hat nun aber auch eine andere Folge: Selbst eine vereinte Opposition von Linken und Grünen haben nicht mehr genügend Stimmen um zum Beispiel in Karlsruhe gegen Gesetze der Großen Koalition zu klagen, oder an Ausschüssen teil zu nehmen. Als ‚Opposition‘ haben sie nun auch nicht mehr als 6 Minuten Redezeit pro Stunde! Das bedeutet, 6 Minuten darf dann die ‚Opposition‘ reden, die restlichen 54 Minuten sind Monolog der Regierungspartei. Die Kontrollrechte der sogenannten parlamentarischen Opposition gehen damit gegen Null. Übrig bleibt eine Regierungskoalition mit Merkel an der Spitze, die letztlich unter sich bleibt und niemandem mehr wirklich Rechenschaft schuldet. Das ist nun das Resultat, dass nicht einmal jeder Dritte diese Frau wählte… Nach außen hin aber werden natürlich weiterhin im Parlament kräftig Reden geschwungen, damit niemand merkt, dass die Dame mittlerweile ungefragt machen kann was sie will.
Damit ist nicht nur die FDP ein Opfer der Krise geworden. Auch wichtige parlamentarische Kontrollmechanismen werden durch diese Entwicklung außer Kraft gesetzt. Und damit wird die Demokratiesimulation immer deutlicher. Es braucht gar keine Blockparteien wie CDUCSUFDPSPDGrüne mehr. Es braucht nur noch Schwarz-Rot, wobei ich die CDU nicht für eine Partei halte, die die Farbe ‚Schwarz‘ für sich in Anspruch nehmen dürfte. Sie ähnelt der SPD inhaltlich sehr. Bzw. die SPD ähnelt der CDU inhaltlich sehr – je nachdem wie man es nimmt… Und wie gesagt, auch die Grünen ähneln den anderen beiden Parteien inhaltlich sehr.
Damit ist das Parlament auch formal ohne parlamentarische Kontrolle. Die letzten Jahre war sie schon inhaltlich ohne jede Kontrolle und das wurde mit dem Begriff ‚Blockparteien‘ auch korrekt umschreiben. Nun wird dies jetzt institutionell sichtbar. Bei allen Äußerungen die die nächsten Monate von den Berliner Politikdarstellern kommen, sollten sie dies immer im Auge behalten.
Schon jetzt versuchen manche super-schlaue Politiker mit kräftig viel Farbe diesen Notstand zu übertünchen. Es wird nämlich davon gefaselt, man solle die 5-Prozent-Hürde durch die 3-Prozent-Hürde ersetzen. Die Idee dahinter ist, dass mehrere kleine Parteien in den Bundestag einziehen könnten. Dadurch erhöht sich dann wieder die Auswahl. Die FDP käme vielleicht wieder herein, die AfD auch und vielleicht schafft es ja eine weitere kleine Partei im Laufe der Zeit – und siehe da, man kann plötzlich aus vielen kleinen Parteien mögliche Partner auswählen! Das ist dann ein bunter Garten verschiedenster ‚Angebote‘, die alle mehr oder weniger gut dazu taugen, dem Wähler eine ‚Alternative‘ vorzugaukeln. An der Regierung beteiligt wird man aber natürlich nur dann, wenn man dem Konsens der Eurorettung und dem Ausverkauf der Rechte unseres Landes zustimmt…
Das sind die feuchten Träume von Politikern, die an der Macht bleiben wollen. Doch auch diese Veränderung des politischen Systems wird nicht die Rettung bringen. Der Bundestag wird dann im Prinzip funktionieren wie der Reichstag in der Weimarer Republik. Es wird dann wieder geschachert und verhandelt. Jede kleine Partei wird versuchen ihrer Klientel einen Vorteil zu verschaffen. Politische Erpressung wird an der Tagesordnung sein. Ein unwürdiges Schauspiel jagt das nächste und die Presse hat dann Material satt um die Leser mit den neuesten Absuditäten aus dem Bundestag zu informieren. Und damit haben wir dann endgültig jenen Verdruss über das politische System, der in der Republik von Weimar so viel Schaden angerichtet hatte.
Manche Politiker werden sich vielleicht sagen: Was soll’s, dann ist eben der Ruf der Demokratie geschädigt… Hauptsache ich behalte mein Amt! Doch so einfach ist das nicht. Entgegen der Theorie von Angie Superstar und Gottesgeschenk gibt es keine Alternativlosigkeit bei irgend etwas. Da irren sich jene gewaltig, die sich dies von Angie Gottesgeschenk einreden lassen. Es gibt immer Alternativen.
Am Ende greift dann die Erkenntnis in den Köpfen der Leute Platz, dass es in Wahrheit nicht darum geht, eine Demokratiesimulation aufrecht zu erhalten, sondern darum, das ‚Richtige‘ zu tun. Der Kampf entscheidet sich an inhaltlichen Themen. Notfalls wird dieser Kampf auch außerhalb des Parlamentes ausgetragen werden. Solche Fälle einer außerparlamentarischen Opposition hatten wir in Deutschland aber auch in anderen Ländern dieser Erde schon öfters. Ein bisschen parlamentarische Demokratie a la Weimar wird diesen Kampf eben nur um ein oder zwei Jahre hinaus zögern. Dabei ist der Name der Opposition dann nicht wo wichtig. Die Inhalte werden den Verlauf der Auseinandersetzung letztlich bestimmen,
meint
fortunato
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