Gewerkschaftliche Rüstungslobbyisten

Von Klaus Wallmann sen (randzone)

Der Beauftragte der IG Metall für die EADS-Rüstungstochter Cassidian, der Herr Stiedl, “warnt” vor einem kompletten Ausstieg aus den Drohnen-Programme der BRD. Er nennt dies sogar eine “Katastrophe” für “Deutschland”, wird dann aber konkret, wenn er um die negativen Folgen für “die Wirtschaft” barmt. Ganz richtig bringt er damit zum Ausdruck, daß “die Wirtschaft” eben “Deutschland” ist. Negative Folgen entdeckt er auch hinsichtlich der Arbeitsplätze. Für den Standort Manching z.B. wären in dem Fall bis zu 1.500 Arbeitsplätze bedroht.

Generell stellt die Rüstungsindustrie Waren her, die dem Töten dienen. Stiedl befürwortet also das Töten, und rechtfertigt es mit der Notwendigkeit, daß die Arbeiter in Deutschland auf Arbeitsplätze angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Stiedl stellt sich damit zum einen gegen alle Gewerkschafter, die immer wieder gegen Militarisierung und Krieg auf die Straße gehen, zum anderen gegen die von der IG Metall selbst beschlossenen friedenspolitischen Positionen. Wobei Herr Stiedl beileibe nicht der einzige “führende” Gewerkschafter ist, der diese Meinung seit Jahren vertritt.

Sich um die Arbeitsplätze der Arbeiter und Angestellten zu kümmern, ist eine der originären Aufgaben der Gewerkschaften. Hier wie in anderen Ländern. Keinem Gewerkschafter darf es aber egal sein, wenn das, was produziert wird, den Arbeitern und Angestellten in anderen Ländern schadet – erst recht nicht, wenn es Mordwaffen sind, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.

Leute wie der Herr Stiedl vertreten bestimmte Interessen. Vermeintlich die der Arbeiter und Angestellten, also eines großen Teils des Volkes. Schauen wir, wie es wirklich darum steht.

Erasmus von Rotterdam kam schon Anfang des 16. Jahrhunderts zu der Erkenntnis: “Ein sachliches Erwägen der Kriegsursachen wird erweisen, daß alle Kriege zum Vorteil der Fürsten vom Zaun gebrochen und stets zum Nachteil des Volkes geführt wurden, da ja das Volk nicht im geringsten daran interessiert war.”
1907 stellt Karl Liebknecht (SPD) fest, daß der Militarismus wie “ein Bleigewicht auf unserm gesamten Leben” lastet, u.a. wegen der unmittelbaren gesellschaftlichen Kosten. Offensichtlich waren die beiden ganz unterschiedlichen Herren nicht der Ansicht, daß Kriege und die dazu notwendige Waffenproduktion zu den Interessen des Volkes gehören.

In Sachen Arbeitsplätze verwies der gutbürgerliche “Spiegel” schon 1981 (Heft 36) auf eine US-amerikanische Studie, die belegt, “daß durch eine Senkung der Rüstungsausgaben um 30 Prozent die Arbeitslosenquote um 2,1 Prozent verringert würde, wenn die hierdurch eingesparten Mittel für zivile Zwecke ausgegeben würden. Umgekehrt würde eine Steigerung um 30 Prozent die Arbeitslosigkeit um 1,7 Prozent in die Höhe treiben”. Eine weitere US-Studie kam zu dem Ergebnis, daß eine Endnachfrage von einer Milliarde Dollar “in der Rüstungsproduktion 75.710 Arbeitsplätze, in der Bauindustrie aber 100.072, im Gesundheitswesen 138.939 und im Erziehungswesen sogar 187.299″ schaffen würde. Im Gegensatz zu “Arbeitervertretern” wie Stiedl und Konsorten kommen die “Spiegel”-Journalisten zu der auf der Hand liegenden Schlußfolgerung, daß staatliche Mittel in der zivilen Verwendung weitaus beschäftigungswirksamer sind als Rüstungsausgaben. Was auch auf die BRD zutrifft, auch wenn der Effekt im Vergleich mit den USA nicht ganz so ausgeprägt sein dürfte.

Schauen wir weiter. Selbst dem dümmsten Gewerkschafts”führer” sollte klar sein, daß Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie zu 100 Prozent aus unseren Steuergeldern finanziert werden. Er sollte auch wissen, daß Steuermittel, die in den sozialen Bereich gesteckt werden, zu 90 Prozent in Löhne und Gehälter fließen – also dem Volk zugute kommen -, während in der Rüstungsindustrie weniger als die Hälfte dieser Steuermittel für Löhne und Gehälter verwendet wird. Was nichts anderes bedeutet, daß sich ein verantwortungsvoller Gewerkschafter, der tatsächlich um die Schaffung und den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze kämpft, um mehr Lehrer, Sozialarbeiter, Pflegekräfte, Krankenschwestern, Müllmänner und auch Steuerfahnder bemühen muß. Zumal dies auch gesellschaftlich nützliche Arbeitsplätze sind.

Ein Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie kostet uns Steuerzahler ca. 130.000 Euro im Jahr. Eine Gymnasiallehrerin kostet den Arbeitgeber brutto ca. 52.000 Euro im Jahr. Ein einziger Eurofighter kostet 108 Millionen Euro. Für das gleiche Geld könnte man 2.300 Erzieher ein Jahr lang bezahlen. Ein U-Boot 212 A kostet 460 Millionen Euro. Diese Summe entspricht 10.000 Jahresgehältern für Altenpfleger. Eine Fregatte 124 kostet 762 Millionen Euro. Dafür könnten wir auch 14.000 zusätzliche Lehrer ein Jahr lang finanzieren. Diese Auflistung könnte man beliebig lange fortsetzen.

Gehen wir davon aus, daß Stiedl und Co. nicht so dumm sind, wie wir oben theoretisch annahmen, so kann es sich bei ihre vermeintlichen Sorge um die Arbeitsplätze letztendlich nur um eine schecht kaschierten Kumpanei mit den Herren der Rüstungskonzerne handeln. Also nicht um die Interessen der angeblich von ihnen vertretenen Arbeiter – bzw. des Volkes -, sondern um die der herrschenden Klasse. Nur das macht nach dem oben Ausgeführten Sinn, denn mit ihrer lauthals verkündeten “Sorge” greifen diese Gewerkschafter den besorgten Ruf des Rüstungskapitals auf. Und dies sorgt sich vor allem um seine  Profite.

Würden sich Stiedl und Co. tatsächlich um die Interessen der Arbeiter und Angestellten und deren Arbeitsplätze sorgen, so müßten sie die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und ihre Umstellung auf die Produktion nützlicher ziviler Güter fordern. Denn die Finanzierung von Arbeitsplätzen in der Rüstung und beim Militär hat keinen gesellschaftlichen Nutzen. Sie dient nur dem Profit und dem Machterhalt der herrschenden Klasse.

Würden sich Stiedl und Co. um das Volk sorgen, so würden sie sich den von den Nazis ermordete Journalist und Publizist Carl von Ossietzky zu Herzen nehmen:  “Schon im Frieden müssen die Höllennester ausgenommen werden, wo die Instrumente des Krieges fabriziert werden.”

Denn der Krieg ist die logische Konsequenz des Militarismus. Dieser macht nur dann Sinn, wenn sich die Herren schon jetzt darüber klar sind, daß die sich zuspitzenden internationalen Widersprüche zwangsläufig in militärische Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Großmächten münden.
“Die Rüstung ist der Arzt des Kapitals”, so der 2008 verstorbene Schriftsteller Peter Maiwald. “Der Krieg sitzt im Wartezimmer. Der Nächste bitte, sagt der Arzt.”
Schon zweimal hat die herrschende Klasse Deutschlands ihre Armeen ausgeschickt und die Welt in Blut ertränkt, und heute steht die deutsche Bundeswehr wieder an vorderster Front, wieder lassen sich deutsche Bürger in Uniform die Schädel einschlagen, nachdem sie vorher vielleicht anderen die Schädel eingeschlagen haben – und wieder nur für die Interessen der gleichen Klasse. “Wenn man die Großkopfeten reden hört, führens den Krieg nur aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön ist. Aber wenn man genauer hinsieht, sinds nicht so blöd, sondern führn die Kriege für Gewinn.” Diese Worte läßt Brecht seiner Mutter Courage sprechen.

Wenn gewisse Gewerkschafter den Arbeitern in der Rüstungsindustrie bewußt Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze machen, ohne sie auf die möglichen Alternativen hinzuweisen, so besorgen sie das Geschäft dieser “Großkopfeten”. Und jeder, der so redet, trennt die Frage nach den Wurzeln des Militarismus von der sozialen Frage, kann also zu keiner richtigen Antwort kommen. Es gibt genügend gesellschaftlich notwendige Aufgaben, die massenhaft Arbeitsplätze sichern und schaffen könnten. Der Ausbau der Bildung, der Gesundheits- und Altersversorgung, die Bereitstellung eines umweltfreundlichen und preisgünstigen öffentlichen Nah- und Fernverkehrs bietet das Potential für Millionen neuer Arbeitsplätze. Wieviel gesellschaftlich Sinnvolles hätte man mit den hunderten Millionen Euro schaffen können, die allein das jüngste Drohnen-Debakel uns Steuerzahler gekostet hat?

Statt dem Rüstungskapital das Wort  zu reden und die Gewerkschaftsbasis quasi am Nasenring durch die Manege zu ziehen, sollte es auch die IG Metall als ihre Aufgabe ansehen, für ein Ende der Waffenproduktion und der Rüstungsexporte zu kämpfen, und zugleich die Forderung nach alternativen Arbeitsplätzen für die noch in den Rüstungsbetrieben Arbeitenden zu stellen.

Klaus Wallmann sen.

Quelle: randzone

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Wenn es um Lobbyarbeit geht, speziell im Rüstungsbereich, kommt immer wieder das fadenscheinige Argument mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Das zieht immer und schürt Ängste. Die Polit- und Gewerkschaftslobbyisten ziehen hier am gleichen Strang. Genauso dämlich und angsteinflößend ist der Spruch: „Sozial ist, was Arbeit schafft„. Lügen müssen nur immer wiederholt werden, bis sich diese in den Köpfen der Menschen als angebliche Tatsache eingeprägt haben. Ein psychologisches Phänomen, um menschliches denken und handeln zu beeinflussen.

Warum wohl sitzen Gewerkschaftsfunktionäre und Polit-Marionetten in Aufsichtsräten großer Konzerne? Bestimmt nicht, um etwas positives für die Arbeiterklasse zu bewirken.

Dank an Klaus Wallmann sen. für den guten Artikel.

 

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