Geldsystem: 13 ½ Gründe für eine Erneuerung

Mit dem folgenden Artikel kann ich mich zu 100 Prozent identifizieren.
Bravo Herr Bangemann, es ist Ihnen wirklich gelungen, die Probleme dieses maroden Geld- und Politsystems aufzuzeigen.
Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen Ihre leicht verständlichen Ausführungen zu unserem menschenfeindlichen Geldsystem, von dem nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung ( mehrfache Millionäre und Milliardäre) profitieren, lesen und auch verinnerlichen.
Zudem sei es meinerseits wünschenswert, wenn möglichst viele Blogger auf Ihre 13 einhalb Gründe zur Erneuerung des Geldsystems hinweisen.

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von Andreas Bangemann

“Was bedeutet es, wenn die dringende Aufgabe jetzt nicht darin besteht, um jeden Preis zu handeln, sondern vielmehr darin, Inventur zu machen, um unsere Schwierigkeiten zu erhellen?”[1]

Das Gefühl des Getriebenseins beherrscht mittlerweile alle Bereiche des menschlichen Lebens. Die Dramatik der Ereignisse nimmt zu und mit ihr die Zahl der Ratschläge von allen Seiten, was wohl jetzt als nächstes zu tun ist. Politiker handeln sprunghaft und meist “alternativlos”. Bürgerinnen und Bürger  verharren mit dem Gefühl der Machtlosigkeit in einer lethargischen Erstarrung. Sich ganz auf sich selbst konzentrierend, die großen Dinge teilnahmslos beobachtend, bewältigt man seinen Alltag. Dennoch ist die Lage angespannt und von heute auf morgen kann die vermeintliche Erstarrung in offene Aggressivität umschlagen. Wäre es da nicht wahrlich Zeit für eine Inventur? Innehalten, Bestand aufnehmen und erst dann entscheiden, was als nächstes zu tun ist? So handeln, dass wieder Ruhe einkehren und sich langfristige Entwicklungen hin zum Guten einstellen können?

Ohne “Inventur”  aller Fragen des Geldsystems werden wir nicht weiter kommen. Die Liste im folgenden soll dynamisch sein, ergänzt, gekürzt und erweitert werden. Sie soll dazu beitragen, die Schwierigkeiten zu erhellen.

| 1 | Es haben sich unbezahlbare Schuldenberge aufgetürmt

Europa, die USA und auch alle anderen wirtschaftlich starken Nationen auf der Welt haben Schulden in nie erreichter Höhe. Mittlerweile müssen Steuerzahler für unvorstellbare Summen bürgen, die an klamme, international tätige Banken und ganze Länder ausgereicht werden, damit diese nicht pleite gehen. Diese immensen Geldströme fließen von der Gemeinschaft aller Menschen über einen vermeintlich zu beruhigenden Markt auf die Konten einiger weniger, die das Geld offenbar dringender brauchen, als diejenigen, die es bezahlen müssen. Für diesen Vorgang müssen viele Millionen Menschen ihre Ansprüche zurückschrauben und ihren erreichten Lebensstandard für eine ungewisse Zukunft opfern.

Nicht mehr zahlungsfähige Schuldner werden durch Steuerzahler ersetzt. An der Schuldenhöhe ändert sich nichts, denn deren Ursache sind die gleich hohen Geldvermögen. Für deren Zustandekommen und vor allem deren Abbau zugunsten sinkender Schulden scheinen sich zuständige Entscheider nicht zu interessieren.

| 2 | Es herrscht eine unnötige Armut.

Trotz eines nie dagewesenen Reichtums verarmen selbst in den hochentwickelten Ländern immer breitere Bevölkerungsschichten.

Das herrschende Geldsystem lässt Geld nur dorthin fließen, wo sichergestellt ist, dass der Rückfluss höher ist, als das zu Anfang Gegebene. Das zwingt zur Verschuldung und führt zwangsläufig zu noch größerer Armut, bei denen, die auf Geld zum Leben angewiesen sind.

| 3 | Die verborgene Zinslast.

Die automatisch, durch Zins und Zinseszins wachsenden Vermögen auf der einen Seite führen zu Verschuldungen in gleicher Höhe auf der anderen Seite. Nicht das Geld arbeitet, sondern die Menschen. Die Zinsen akkumulieren und verstecken sich in jedem Preis und in jeder Steuer. Neun von zehn Menschen verlieren mehr als sie gewinnen.

| 4 | Eine systematische Ungleichverteilung.

Das Ergebnis der menschlichen Arbeit, in der Summe als Bruttosozialprodukt ausgedrückt, wird an die Kapitalbesitzenden und an die arbeitenden Menschen ausgeschüttet. Erstere werden auch zuerst bedient. Ihr Anspruch an die Leistung steigt exponentiell, weil er mathematischen Gesetzen folgt. Da jedoch menschliche Leistung nicht exponentiell wachsen kann, sondern an natürliche Grenzen stößt, führt diese Situation auf Dauer dazu, dass die arbeitenden Menschen mit fortschreitender Zeit immer weniger von ihrem Arbeitsergebnis erhalten und die Kapitalbesitzenden dafür immer mehr.

| 5 | Ungerechte Handelsbeziehungen.

Will ein Handelspartner (ein einzelnes Unternehmen oder auch ein ganzes Land) einen Mangel beheben braucht er Geld. Er leiht es gegen Zinsen von jemandem, der Überschüsse hat. Ein Land, das zu viel produziert, ist gezwungen Abnehmer für das Überschüssige zu finden. Unausgeglichene Handelsbilanzen werden aber in Geld ausgedrückt und so geschieht es, dass das Gesamtproblem einzig auf den abgewälzt wird, der im Mangel lebt. Das Geld in seiner heutigen Verfassung ist nicht etwa neutrales Mittel für einen gerechten Handelsaustausch, sondern erzeugt selbst ungerechte Verhältnisse.

| 6 | Das Geld fließt nicht

Verknappung, Blockade, Zurückhaltung sind bewusst einsetzbare Mittel, um für einen möglichst hohen “Preis des Geldes” zu sorgen. Kapitalrenditen sind leistungslose Einkommen zu Lasten aller Menschen in einem Währungsraum.   Weil  die Nutzung des  gesetzlichen Zahlungsmittels kostenlos ist, entstehen der Gesellschaft Zinskosten in ständig steigendem Maße.  Statt eines (Geld)Flusses durch die Wirtschaftslandschaft haben wir es mit einem “Schleusensystem” von Stauwehren zu tun, dessen Nutzen bei sehr wenigen liegt.

| 7 | Zwang zum unendlichen Wachstum

Die mit mathematischer Genauigkeit wachsenden Ansprüche des Kapitals an der Gesamtheit aller Leistungen (Bruttosozialprodukt) können nur durch ständige Leistungssteigerung gedeckt werden. Leistungssteigerung stößt nicht nur an physikalische Grenzen beim Menschen selbst, sie führt auch unweigerlich zu einem zunehmenden Raubbau an den lebenswichtigen Ressourcen der Natur.

| 8 | Instabilität und wachsende Kriegsgefahren.

Arme Gebiete werden zum Spielball von Spekulationen mit Geld. Weltweit operierende Großkonzerne eignen sich die Rohstoffvorkommen der Entwicklungsländer an, beuten Land und Leute aus und haben nur ihre eigene Kapitalentwicklung im Auge.  Geld, das schnell hereinkommt, ist genauso schnell wieder verschwunden und hinterlässt wirtschaftlich ruinierte Regionen oder ganze Länder. Instabile politische Verhältnisse, eine zerstörte Umwelt, große Armut und latente Kriegsgefahren sind die Folge.

| 9 | Wachsende Umweltschäden.

Nicht der Nutzen einer nötigen Maßnahme für eine intakte Umwelt steuert die Realisierung erforderlicher Projekte, sondern einzig die Rentabilität des eingesetzten Kapitals. Wirft eine Investition nicht mindestens eine am Kapitalmarkt durchschnittlich erzielbare Rendite ab, wird sie schlichtweg nicht verwirklicht und sei sie auch für Natur und Umwelt noch so dringend erforderlich. Insoweit Innovationen zum Schutze unserer Umwelt  umgesetzt werden, sind diese meist mit erheblichen finanziellen Nachteilen für die Initiatoren verbunden und werden deshalb in der Regel von Idealisten umgesetzt. So löblich die wachsende Zahl dieser Idealisten ist, so stellt sich dennoch die Frage, warum es sein muss, dass diesem Idealismus die Mauer des Geldsystems in den Weg gestellt wird?

| 10 | Falsche Produktinformationen.

Der Preis eines Produktes gibt den Konsumenten keine Informationen über die Konsequenzen des Kaufes. Irrwitzige internationale Handelswege zerstören lokale Strukturen und regionale Gemeinschaften, weil es irgendwo auf der Welt gelingt, ein Produkt so billig zu produzieren, dass die Kosten des Transportes um den Erdball geringer sind, als die Differenz der Lohnkosten. Die so verdeckt ausgebeutete Arbeit birgt zudem noch die Chance, eine noch höhere Kapitalrendite zu erzielen.

| 11 | Spargeld verlässt die Gemeinschaft.

Das Geld der Sparer sucht und findet über Banken die gewinnträchtigste Anlageform, vorzugsweise in den Regionen mit den niedrigsten Lohnkosten. Geldanlagen haben in den meisten Fällen nur ein Ziel: Die höchstmögliche Rendite. Die Anonymität des Geldes beginnt jenseits des Bankschalters – mit fatalen Folgen. In der heimischen Region fehlen die Mittel für sinnvolle Investitionen, weil diese in der Konkurrenz um den größten Kapitalertrag nicht mithalten können.

| 12 | Unnötiger internationaler Konkurrenzkampf.

Durch das zinssuchende Kapital, welches sich nur gegen bestmögliche Verzinsung zur Verfügung stellt, entsteht ein systematischer Mangel an Geld für Investitionen. Dadurch wird der gesunde Konkurrenzkampf auf den Realmärkten um den knallharten und vor allem destruktiven Kampf um Finanzierungen erweitert. Aus dem Zusammenleben wird mehr und mehr ein „Gegeneinanderleben“.

| 13 | Korruption.

Damit ist nicht einmal nur die direkt erkennbare Korruption gemeint, bei der der Einzelne sich zum Schaden der Allgemeinheit bereichert, wie es vor allem in den armen Ländern und ihren Eliten deutlich erkennbar ist. Das Geldsystem sorgt für eine strukturelle Korruption, die – meist unbewusst – das Handeln aller Menschen beeinflusst. Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Treue oder Vertrauen sind mit materiellen Nachteilen verbunden. Den eigenen Überfluss in erster Linie nach den Prinzipien der Rentabilität und des höchstmöglichen persönlichen Gewinns zu verwenden, ist heutzutage eine allgemein anerkannte Selbstverständlichkeit. Dennoch wird dieses Verhalten von kommenden Generationen in einer Rückbetrachtung nur als die strukturelle Korruption, als Folge eines veralteten Geldsystems betrachtet werden können.

| 13 – 1/2 | Ethik und Moral

Der Mensch ist verantwortlich für sein Tun. Gesetz und Ordnung bestimmen weite Teile des öffentlichen Lebens. Moral und Ethik fließen als “ungeschriebene Gesetze” in das menschliche Handeln. Der ständige Antrieb eines renditegeprägten Geldsystems, hat aber auch Einfluss auf das menschliche Handeln. Ein Handeln, das Moral und Ethik dauerhaft mit materiellen Nachteilen bestraft, entwickelt sich fast zwangsläufig unmenschlich. Ein Geldsystem, das die beste Belohnung nur für schon vorhandenes Kapital kennt, untergräbt mit der Zeit jede Moral.

In einem Umfeld, in dem Unternehmen und Menschen dann am erfolgreichsten sind, wenn sie Klaviatur aus Verknappung, Aneignung, Privatisierung, schonungslosem Konkurrenzkampf am besten beherrschen, wird moralisches Handeln – zu dem jeder Mensch von Natur aus neigt – immer nur eine Nebenrolle spielen. Die Befreiung von einem Geldsystem mit den hier beschriebenen Wirkungen führt auch zu einer Befreiung jener im Menschen vorhandenen Werte, die auf Kooperation und Respekt gegenüber allem Leben aufbauen.



[1] Matthew Arnold (1822-1888)

Quelle: humane-wirtschaft
 

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