Geldreform: die Schweiz macht ernst

von Gerhard Spannbauer (krisenvorsorge)

Was sich derzeit in der Schweiz ereignet, ist vielleicht der Vorabend einer Revolution. Und zwar einer vollkommen friedlichen Revolution, die irgendwann einmal das Geldsystem, einen unserer zentralen Lebensbereiche vom Kopf auf die Füße stellen könnte. Eine Volksinitiative der Schweizer schickt sich an, der grenzenlosen Geldschöpfung aus dem Nichts durch die Geschäftsbanken ein Ende zu setzen. Noch ist die Beachtung dieses sozialen Phänomens gering, was hauptsächlich daran liegt, dass den meisten Menschen nicht bewusst ist, dass die Gesetze des Geldes keine Naturgesetze sind und wie zentral sich das Geldsystem auf unser aller Alltagsleben auswirkt. Doch es scheint, als ob sich dieser kollektive blinde Fleck langsam so weit mit Bewusstsein füllt, dass auch die Mitte der Gesellschaft davon Notiz nimmt.

Der Dienstag der Vorwoche gilt vielen Schweizern als historischer Tag: mit dem Lancieren der Vollgeld-Initiative ist erstmals in der Geschichte die Möglichkeit geschaffen worden, dass ein Volk souverän über die Geldschöpfung abstimmen kann. Etwas ähnliches haben die Schweizer bereits vor 120 Jahren geschafft, als per Volksentscheid die privaten Banknoten verboten und das Geldmonopol an die Nationalbank (die schweizerische Zentralbank) übertragen wurde.

Was ist das Neue am diesmaligen Vorstoß? Nun, bei der aktuellen eidgenössischen Vollgeld-Initiative geht es um die Anpassung der Geldschöpfung an das elektronische Zeitalter. Die Vollgeld-Bewegung will nicht mehr nur an kleinen Stellschrauben des (kapitalistischen) Systems drehen, sondern die Wirtschaftsordnung an sich verändern. Systemwechsel statt kleiner Optimierungen, lautet die Devise.

Wie überall anderswo auch, besteht heute der größte Teil des Geldes (ca. 90 %) auch in der Schweiz nur aus Bits und Bytes auf den Konten der Banken, welche es durch den Vorgang der Kreditvergabe buchstäblich aus dem Nichts “geschöpft” haben – indem sie das eingezahlte Geld der Sparer in mehrfacher Höhe weiterverleihen. Die gesetzliche Mindestreserve, die bei dieser Vervielfältigung tatsächlich von der Bank gehalten werden muss, beträgt in der Schweiz gerade einmal 2,5 %. Diese “Schaffung” von Buchgeld bzw. Giralgeld bringt die bekannten Probleme der Blasenbildung mit sich: weil all dieses neu geschaffene Geld mit Zins und Zinseszins zurückbezahlt werden muss, ist gemessen am Schuldenstand immer zu wenig Geld im Finanzsystem, egal wie hoch die Summen und das Wachstum der Realwirtschaft steigen.

Je weiter dieser Prozess fortschreitet, desto tiefer klafft die Lücke zwischen spekulativ angeheizten Finanzmärkten und unterfinanzierter Realwirtschaft, weil in Letzterer aufgrund der wachsenden Sparzwänge kaum noch Geld zu verdienen ist. Mit den Scheingewinnen aus der Finanzmarktspekulation wird dann wiederum jede Menge neues Schuldgeld generiert, womit sich die Spirale noch schneller dreht. Der Teufelskreis ist also selbstverstärkend – wie alle anderen Teufelskreise auch.

Früher oder später ist es dann unausweichlich, dass die Realwirtschaft mit dem Wachstumstempo nicht mehr mithalten kann. Dann müssen die gigantisch aufgeblasenen “Werte” in den Finanzmärkten wieder “glattgestellt”, d.h. mit der wirtschaftlichen Realität in Einklang gebracht werden, was bislang nur durch Crashs und Kriege möglich war. Dass es diesmal anders ausgehen möge, ist bislang nur ein frommer Wunsch – jedenfalls so lange, bis wir nicht die totale Abhängigkeit von Banken, Zentralbanken und deren Geldschöpfung überwunden haben.

Die Schweizer Initiatoren der Vollgeldinitiative wollen hier also den ersten Schritt wagen und zumindest den Geschäftsbanken die Allmacht der Geldschöpfung aus den Händen nehmen. Allein dieser Schritt trifft natürlich auf enorme Widerstände, die momentan unüberwindbar scheinen. Doch wenn genügend Menschen erkennen, welch gravierende Probleme und Nachteile hier mit relativ geringem Aufwand aus der Welt zu schaffen wären, ist vieles möglich. So wären beispielsweise die Guthaben der Sparer nicht länger durch Bankenpleiten gefährdet und die Geldschöpfungsgewinne würden der Realwirtschaft bzw. Allgemeinheit zugute kommen.

Die konkrete technische und logistische Realisierung dieser Vorteile ist natürlich ein hartes Stück Arbeit. Außerdem können sich jede Menge unvorhergesehener Schwierigkeiten in den Weg stellen. Doch selbst wenn die Vollgeld-Idee sich als unvollkommen oder fehlerhaft erweisen mag, ist es immer noch besser, einfach damit loszulegen, den Ansatz in kleinerem Rahmen zu testen, als jegliche derartige Initiative von vornherein schlecht zu reden und die Moral für echten Wandel zu untergraben. Denn ebenso wie sich die theoretischen Vorteile des Vollgeld-Modells in der praktischen Anwendung als Luftblasen erweisen können, erweisen sich womöglich auch die vielen Einwände als Luftblasen. Denn auch die Gegenargumente sind bislang mangels echter “Feldversuche” bloß theoretischer Natur.

Letztlich haben wir ohnehin keine Wahl mehr, denn wenn solche alternativen Ansätze nicht erprobt werden, sind wir dazu verurteilt, die immer gleichen Krisen und Katastrophen im “altbewährten” System zu wiederholen. Eine Vollgeldreform mag neben positiven Effekten auch neue Probleme mit sich bringen, doch ein größeres Ausmaß an Flurschäden als das derzeitige System der schuldenbasierten Fiat-Geldschöpfung dürfte sie kaum anrichten. Es lohnt sich also in jedem Falle, die Schweizer zu unterstützen, denn angesichts der drückenden Last der momentanen Probleme ist jeder halbwegs durchdachte Alternativansatz wertvoll. Eine Unterschrift zur Volksinitiative ist zwar nur für Schweizer möglich, doch mit Spenden können Sie das Projekt auch als Ausländer unterstützen. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.


Ich wünsche der Schweizer Vollgeld-Initiative viel Erfolg. 

 

(Visited 22 times, 1 visits today)
Geldreform: die Schweiz macht ernst
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*