Gegenwärtige deutsche bzw. westliche Russland- und Ukraine-Politik

Vier notwendige Betrachtungsebenen zur kritischen Bestandsaufnahme

Jan Veil (free21)

Dieser Text wurde zuerst am 22.01.2023 auf www.freidenker.org unter der URL <https://www.freidenker.org/?p=15037> veröffentlicht. Lizenz: Jan Veil, freidenker.org, CC BY-NC-ND 4.0

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz im Kreml in Moskau, 15.02.2022 (Foto: kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC BY 4.0)

Einleitung

Nur eines setzt der folgende Text im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg grundsätzlich voraus: das Wissen um die oder wenigstens die Ahnung von der nicht zu leugnenden Gefahr einer – allmählich oder plötzlich – neue Ebenen erreichenden Eskalation, die immer mehr Länder aktiv involvieren oder zum Einsatz immer zerstörerischerer Waffengattungen führen könnte. Als zudem halbwegs nüchterner Zeitgenosse, ausgestattet mit einem gewissen Hang zu Konfliktlösungen oder, bescheidener, zu Schadensbegrenzungen, ist man in dieser Zeit der Gegenaufklärung daher unausgesetzt mit folgenden Fragestellungen konfrontiert:

Wieso arbeiten – und arbeiteten – die in unserem Land politisch Verantwortlichen nicht unter Hochdruck:

  1. an einem Konzept vorläufiger gegenseitiger Bedingungen für einen Waffenstillstand in der Ukraine, der zumindest potenziell auch Aussicht auf Erfolg hat, anstatt sich lediglich an den Maximalforderungen eines Selenskyjs oder Bidens auszurichten – und zwar bevor sich die Kampfhandlungen auf andere Territorien auszuweiten, die Situation dadurch zu verkomplizieren und um ein weiteres Stück irreversibler zu machen droh(t)en;
  2. – darauf fußend – an Richtlinien für eine adäquate Sondierung zur Aufnahme ernsthafter Verhandlungen über tragfähige Friedensbedingungen (wobei diese Richtlinien unbedingt die Option umfassen sollten, bei begründetem Verdacht auf fanatisches Festhalten an nationalistischen und somit gegen ethnische Minderheiten gerichteten Positionen insbesondere bei den eigenen Bündnispartnern auch zu diesen wieder mehr Distanz herstellen zu können)?

Dies wäre unter dem Primat der Eskalationsverhinderung der einzige Weg, auf dem möglichst rasch und verlässlich eine Beendigung oder wenigstens ein Einfrieren des Krieges erreicht werden könnte, um endlich wieder auf die Verhandlungsebene zurückzugelangen; diese dürfte sich zwar äußerst komplex und langwierig gestalten, würde aber nicht länger massenhaft zu Toten, Verletzten, Vertriebenen und Traumatisierten führen.

Die nahezu vollständig eingetretene Weigerung der Ampelregierung, genau diese Fragen auch nur anzugehen geschweige denn ernsthaft zu beantworten, ist Ausdruck und Maß für die bereits seit etlichen Jahren zunehmend herrschende, gesamtgesellschaftliche Paradoxie, die die ohnehin schon existierende kognitive Dissonanz im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung weiter befördert. Um dieser Paradoxie begegnen zu können, deren tiefere Ursachen immer öfter bloß neue Formen und Ausmaße einer ungestümen Destruktivität hervorbringen, ist es zunächst wichtig, Folgendes zu verstehen – oder wenigstens nicht von vornherein auszuschließen: So gut wie alle Gründe, die bisher – mehr oder weniger offen – gegen eine Beschäftigung mit diesen Fragen ins Feld geführt worden sind, beruhen auf einer zuweilen bis ins Psychopathische verzerrten Realitäts-, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie einer zutiefst pervertierten, verlogenen und daher inhumanen „Ethik“ unserer politischen „Eliten“ und ihrer medialen Verlautbarungsorgane.

Jacques Baud, ein ehemaliger Geheimdienstoffizier der Schweizer Armee, strategischer Analyst und Buchautor mit den Schwerpunkten Geheimdienst und Terrorismus, der in seiner Laufbahn einige internationale Positionen bekleidete, „darunter auch bei der NATO, wo er den Fluss von Kleinwaffen im Donbass überwachte und an einem NATO-Programm zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte bei der Wiederherstellung ihrer Kapazitäten und der Verbesserung der Personalverwaltung beteiligt war“, drückt dies moderater aus, was jedoch am Phänomen der Realitätsverweigerung via Projektion nichts ändert: „Im Jahr 2014, während der Maidan-Revolution in Kiew, war ich bei der NATO in Brüssel. Mir ist aufgefallen, dass die Menschen die Situation nicht so einschätzen, wie sie ist, sondern wie sie sie sich wünschen. … In der Tat stellte sich für mich heraus, dass niemand in der NATO das geringste Interesse an der Ukraine hat. Wir neigen dazu, den Feind so darzustellen, wie wir ihn uns wünschen, und nicht so, wie er tatsächlich ist. Das ist das ultimative Rezept zum Scheitern.“ [1] Mehr dazu vor allem in Teil IV.

Um diesen Komplex zumindest ansatzweise zu entwirren, möchte ich in einer – zugegeben notwendigerweise unvollständigen – Art von Bestandsaufnahme auf vier recht klar unterscheidbaren Ebenen Agenden, Ursachen, Wirkungen, Beschlüsse, An- und Aufkündigungen, Tatsachen, Erklärungen, Lügen, Verleumdungen, Massenmanipulation, Partikular-interessen, Anmaßungen, Vorurteile, totalitäres Gedankengut, Ereignisse, offene und verdeckte Aktionen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Feindbilder und Ängste möglichst systematisch auflisten und miteinander in Beziehung setzen; diese Methodik soll nicht nur immer klarer werdende, verknüpfende Zusammenhänge jener Ebenen herausarbeiten; sie soll bestenfalls ferner Überlegungen zu dem erwähnten Paradoxon anregen:

Warum wurden die eingangs aufgeführten Fragen, und zwar für jedermann hör- und nachvollziehbar, bisher nie wirklich, d.h. nie mit der eigentlich angemessenen medialen und politischen Durchschlagskraft gestellt – und allein schon deshalb auch nie tatsächlich beantwortet?

Maidan im Sommer 2014. Auf dem Platz kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeieinheiten. Scharfschützen schossen sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten. (Foto: roman-gp / deviantart / CC BY-NC-SA 3.0)

I. Sanktionsebene

(funktional-operative Aspekte) oder:

Solidarisches Frieren und Hungern für die gerechte Sache: Die offen angestrebte Ruinierung Russlands

Die Ziele der Sanktionen wurden weitgehend verfehlt, treiben die auf Welt-
handelsbeziehungen angewiesenen Länder aber zunehmend in eine globale Spaltung; ferner erleb/t/en wir auf nationaler Ebene u.a. eine Explosion des Gas- und des von ihm stark abhängigen Strompreises durch das sog. Merit-Order-Prinzip: „Der teuerste Anbieter, der gerade noch berücksichtigt wird, bestimmt den Börsenpreis, zu dem alle Geschäfte abgewickelt werden (Markträumungspreis).“ [2] Die direkten Auswirkungen dieser Politik in Deutschland sind:

  • schwere Schädigung der heimischen Wirtschaft, vor allem vieler mittelständischer und kleinerer Betriebe
  • noch stärkere Verarmung bereits zuvor prekär lebender Bevölkerungsteile
  • zusätzliche Belastung der öffentlichen Hand auf kommunaler, Landes- und Bundesebene
  • statt Bezug von billigem russischem Erdgas nun mindestens 7-mal teureres und dazu extrem umweltschädliches US-Fracking-Gas (zudem in völlig unzureichender Menge)
  • Gas- und Strommarkt werden analog ihrer zunehmend unsicheren und irrationalen Preisbildung in noch größerem Maße zum Spekulationsobjekt an den Börsen

Die durch etliche Krisen und die Corona-Maßnahmen schon angeschlagene Wirtschaft (durch staatlich verordnete, exorbitante Neuverschuldung, fehlenden oder stark eingeschränkten Kundenverkehr, drastische Zunahme von Insolvenzen bzw. deutlichen Umsatzeinbrüchen, geborstene Lieferketten, Rohstoffverknappungen etc.) sowie die gesundheitlich, finanziell, politisch und psychisch bereits stark beanspruchte Bevölkerung werden durch die u.a. von der Energiepreis- und Lebenshaltungskostenentwicklung sowie weiterer Neuverschuldung erneut angefachte Inflation gegenwärtig noch tiefer und nachhaltiger geschwächt; dies zeigt sich in weiteren Negativ-Entwicklungen:

  • genereller Konsum- und Investitionsrückgang (z.B. stagnierender Wohnungsbau)
  • Forderungen nach tariflichen Nullrunden durch Politik und Arbeitgeberverbände
  • spürbare, z.T. deutliche Senkung des Lebensstandards zunehmend größerer Bevölkerungsteile
  • wachsende Zukunfts- und Abstiegsängste, gesundheitliche wie psychische Extrembelastungen vieler stark Betroffener
  • (halbherzige) Symptombekämpfung wie „Doppel-Wumms“ statt verantwortungsvoller politischer Prinzipien
  • jahrelange, schleichende „Normalisierung“ des gesamtgesellschaftlichen Mehrfach-Krisen-Modus als Folge angeblich kaum absehbarer „höherer Mächte“ oder „autokratischer“ Staaten durch diverse Narrative von Politik und QualitätsmedienAus US-imperialistischer Sicht geschieht momentan hingegen Folgendes: Zwei US-Konkurrenten – Russland und die EU, hier allen voran Deutschland – schwächen sich gegenseitig, während gerade die US-amerikanische Energie- und Finanz-Industrie – neben zahlreichen multinationalen Konzernen – trefflich profitiert.
Die deutsche Politik wird zunehmend zum willfährigen, „selbstaufopfernden“ Handlanger des US-Hochfinanz-, -digital-finanziellen und -militärisch-industriellen Komplexes, die arbeitende und in noch stärkerem Maße die bereits arbeits- oder gar mittellose deutsche Bevölkerung zu dessen Prellbock.

Der deutsche Mittelstand, ein Dorn im Auge jener Interessen, die weltweit die neoliberale Agenda u.a. mit der Durchsetzung immer neuer „Freihandelsabkommen“ vorantreiben, gerät mit der allmählichen Vernichtung des „freien“ Marktes – auch durch zunehmend marktfremde Einflüsse – immer stärker unter existenziellen Druck, während etliche deutsche Riesenkonzerne freilich ebenfalls stattliche Gewinne einfahren.

Könnte es also sein, dass es bei der Solidarität mit dem ukrainischen Volk (dem ganzen?) möglicherweise um ganz anders gelagerte Interessen geht? Begeben wir uns, um hier ein wenig mehr Klarheit zu erlangen, ein wenig tiefer in den „Kaninchenbau“. Denn um einen solchen handelt es sich hierbei.

II. Bündnisebene

(Glaubwürdigkeits-, bündnisrelevante und ethnische Aspekte) oder:

Gemeinsame bilaterale Sache mit militanten Ultranationalisten und russischsprachige bzw. -stämmige Ukrainer/innen verachtende Neofaschisten: Die Verteidigung der „westlichen Werte“ in der Ost- und Südukraine

Allerspätestens und unüberhörbar seit dem 24.02.22, doch faktisch bereits mindestens seit Ende 2013, bezeichnen sowohl die Leitmedien als auch unsere jeweils amtierenden Regierungen sowie die Hochglanz-Intellektuellen dieses Landes Russland und die „prorussischen Separatisten“ als jene Konfliktpartei, die unrechtmäßige, anmaßende oder völkerrechtswidrige Ansprüche, Proklamationen und Aktionen mit entsprechend negativen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen zu verantworten hat; die Ukraine unter Führung zunächst Turtschynows, dann Poroschenkos und schließlich Selenskyjs hingegen wird dargestellt als ein im besten Sinne demokratisch orientierter und daher westlich ausgerichteter Staat, dessen territoriale Integrität durch russische Expansions- bzw. abenteuerliche Selbstbestimmungs- und Abspaltungs-Ambitionen einiger weltfremder russischstämmiger Ukrainer bedroht wird.

Geht man, zumal auf Grundlage dieses Narrativs, zudem davon aus, die kriegerischen Handlungen (z.B. Beschuss von Städten und Dörfern mit Raketen und Militärflugzeugen, Angriffe von Truppenverbänden auch auf zivile Ziele etc.) hätten erst mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ostukraine begonnen, dann drängt sich eine Positionierung für die ja angegriffene Zentralregierung als vermeintliche Gesamtvertretung der Ukraine zunächst gewissermaßen auf. Zu der ultranationalistisch ausgerichteten Führungsriege der Ukraine, zu ihren (para-) militärischen Verbündeten sowie zu deren Verlautbarungen und Operationen seien hier daher einige exemplarische, in den Leitmedien seit Jahren kaum mehr oder überhaupt nicht erwähnte Fakten und Geschehnisse aufgeführt, die sich noch während bzw. in der Folge der sog. „Maidan-Revolution“ ereigneten.

Wiktor Janukowytsch, ukrainischer Präsident 2010-2014 (Foto: Premier.gov.ru, CC 4.0)

Dem ist vorauszuschicken, dass es ab Ende ’13 bei unterschiedlichen Situationen auf dem Maidan sowie in dessen Umfeld zunächst auch zu äußerst harten Einsätzen der Polizeikräfte, vor allem der Spezial-Einheit „Berkut“, kam, die damals noch die Regierung Janukowytsch unterstützten. In der Nacht vom 29. auf den 30.11.13 führte ein solches Vorgehen gar zu etwa 80 z.T. Schwerverletzten unter den zu diesem Zeitpunkt auch in ihrer Gesamtheit wohl noch nicht gewalttätigen Regierungskritikern. Wichtig in diesem Zusammenhang: „Am 14.12.13 stimmte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch nach Ermittlungen des Generalstaatsanwalts Wiktor Pschonka der Amtsenthebung des stellvertretenden Chefs des Sicherheitsrates Wolodymyr Siwkowytsch und des Leiters der Kiewer Stadtverwaltung Oleksandr Popow zu (beide, bereits damals, ehemalige – da nur bis Ende ’12 – Mitglieder des zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Kabinetts Asarow; Anm. d. Verf.). Grund sei die ˏmutmaßliche Verwicklung´ in die ˏVerletzung der Rechte´ der Demonstranten auf dem Majdan Nesaleschnosti. In der Nacht zum 30. November 2013 seien Popow und Siwkowytsch im Arbeitszimmer des Polizeichefs von Kiew, Walerij Korjak, gewesen und sollen ihn dazu genötigt haben, gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen.“ [3]

Dies zeigt Janukowytschs – sicher jedoch zu späte – Bemühungen, der eskalierenden Situation auf dem Maidan entgegenzuwirken und gewalttätige Übergriffe auch vonseiten der Ordnungskräfte zu verhindern. Eine mögliche Rolle der beiden ihrer Ämter enthobenen Herren, über die Wikipedia nichts (Siwkowytsch) bzw. seit diesem Ereignis nichts mehr (Popow) zu berichten weiß, als mögliche initiale „Brandbeschleuniger“ im Prozess der Maidan-Revolution bleibt zwar im Dunkeln; Tatsache ist jedoch, dass die Härte der Auseinandersetzungen ausgerechnet am direkt darauf folgenden Tag, dem 01.12.13, schlagartig zunahm und von da an immer mehr von paramilitärischen Gruppen innerhalb der Regierungsgegner ausging; Näheres dazu noch in diesem Teil.

Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings noch, was in Wikipedia über den erwähnten Wiktor Pschonka zu erfahren ist, dessen Ermittlungen die oben erwähnten Amtsenthebungen erst ermöglichten: „Am 22. Februar 2014 … wurde (Pschonka) durch einen Beschluss des Parlaments mit der Begründung, seine Arbeit als Generalstaatsanwalt habe ˏzu massiven Verletzungen der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten der Bürger und zu hunderten Verletzten und Toten geführt´, von seinem Amt entlassen. … Anfang März ließen die Europäische Union und Kanada Pschonkas Konten und Vermögenswerte einfrieren. …Am 28. April verkündete der Innenminister Arsen Awakow, dass Pschonka auf die internationale Fahndungsliste gesetzt wurde.“ [4] Also eben jener Generalstaatsanwalt, der sich kaum drei Monate zuvor noch für die Aufklärung bzgl. der „ˏVerletzung der Rechte´ der Demonstranten auf dem Majdan“ eingesetzt hatte, wird direkt am Tag des endgültigen Umbruchs im Kiewer Parlament seines Amtes enthoben – und seitdem auch von westlichen Institutionen zunehmend verfolgt –, weil er durch seine Tätigkeit „hunderte Verletzte und Tote“ zu verantworten habe. Welche Frage drängt sich hier auf?

Ferner muss bei der Einschätzung der Konfliktparteien und deren jeweiliger Verantwortung für den erst nach dem Machtwechsel im Februar ’14 in den östlichen und südlichen Landesteilen ausbrechenden Bürgerkrieg klar unterschieden werden zwischen dem bis zum Schluss um seine Macht kämpfenden, unter Korruptionsverdacht stehenden und aufgrund der umstrittenen Entscheidung gegen das EU-Assoziierungsabkommen vehement kritisierten und angegriffenen Machtapparat einerseits und jenen ukrainischen Bevölkerungsteilen andererseits, die bereits wenig später, unmittelbar nach dem Regierungswechsel, in den ukrainischen Leitmedien als Separatisten oder gar Terroristen kriminalisiert wurden und gegen die bereits am 14.04.14 hochoffiziell die sog. „Anti-Terror-Operation“ ausgerufen wurde.

„Eine im November 2013 vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KIIS) durchgeführte Umfrage zeigt, dass das Land fast genau ˏ50/50´ zwischen den Befürwortern eines Abkommens mit der Europäischen Union und den Befürwortern einer Zollunion mit Russland geteilt war. Im Süden und Osten der Ukraine war die Industrie stark mit Russland verbunden, und die Arbeitnehmer befürchteten, dass ein Abkommen ohne Russland ihre Arbeitsplätze vernichten würde.“ [5]

18.02.14: Überfall z.T. bewaffneter, rechtsextremer Regierungsgegner auf das Lager des „Anti-Maidan“ im Mariinsky-Park, Kiew, in dem sich ca. 500 Gegner der Putschisten, zumeist Krim-Bewohner, friedlich versammelt hatten: 6 bis 9 Tote aufseiten des Anti-Maidan, viele Verletzte [6]. 8 Busse mit ca. 400 Menschen verlassen daraufhin die Hauptstadt Richtung Krim. Bewaffnete Putschisten stoppen sie nahe der Stadt Korsun mit einer Straßensperre, setzen alle Busse in Brand, schlagen mit Metallstangen auf die fliehenden Passagiere ein, zünden einige an oder erschießen sie: ca. 25 Tote, viele Verletzte [7]. Weitere von Kiew aus in andere Richtungen gestartete Busse mit Anti-Maidan-Anhängern werden ebenfalls gestoppt und deren Insassen misshandelt

Das Protestcamp der Anti-Maidan-Aktivisten auf dem Kulikow-Platz vor dem Gewerkschaftsgebäude in Odessa. April 2014. In dem Gewerkschaftsgebäude wurde durch Maidan-Aktivisten, Mitgliedern des Rechten Sektors und Hooligans ein Massaker verübt. (Foto: HOBOPOCC / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

20.02.14: Bis heute nicht enttarnte Scharfschützen erschießen sowohl oppositionelle Demonstranten als auch Polizisten auf dem Maidan, Kiew, vor allem von dem 16-stöckigen Hotelgebäude „Ukrajina“ aus, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Hand oppositioneller, also prowestlicher Kräfte befindet: mindestens 48 Tote allein an diesem Tag der „Maidan-Revolution“, sehr viele Verletzte [8, 9, 10]

22./23.02.14: Machtwechsel in Kiew nach der Flucht Präsident Wiktor Janukowytschs aus Kiew in der Nacht vom 21. auf den 22.02.

Im Zuge der sich unmittelbar anschließenden Machtübernahme zunächst durch Oleksandr Turtschynow und am 07.06.14 schließlich durch Petro Poroschenko stellt die ultranationalistische Partei „Swoboda“ mehrere Regierungsmitglieder, darunter den Vizechef der Regierung, Witalij Jarema, und den Generalstaatsanwalt Oleh Machnizkyj, später abgelöst durch Jarema.

Der Neonazi Dmitrij Jarosch, Anhänger des ukrainischen Ultranationalisten Stepan Bandera und Chef des „Rechten Sektors“, dem vor allem Mitglieder neonazistischer Vereinigungen angehören, wird zunächst Vizechef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates und ab April ’15 Berater des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte – in Vermittlerfunktion zwischen den „Freiwilligenbataillonen“ und dem Generalstab

Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates wird das Swoboda-Gründungsmitglied Andrej Parubij, einer der sog. Maidanführer, der zwischen April ’16 und August ’19 sogar als ukrainischer Parlamentspräsident amtiert. Parteichef Oleh Tjahnybok fällt bereits 2004 durch antisemitische und Russland feindliche Äußerungen auf [11]

25.02.14: Das ukrainische Parlament beschließt die Aufhebung des Sprachgesetzes vom August ’12, womit die Förderung aller Minderheitensprachen, darunter Russisch, eingestellt und Ukrainisch als nunmehr einzige Amtssprache etabliert werden soll. Die Unruhen im Osten des Landes verschärfen sich dadurch unmittelbar weiter, selbst nachdem Übergangspräsident Turtschynow deshalb ein Veto einlegt, wodurch das Gesetz zunächst noch in Kraft bleibt [12]. 2019 wird es kurz nach der Abwahl Poroschenkos endgültig abgeschafft.

26.02.14: Anti-Maidan-Anhänger, darunter viele Jugendliche, errichten auf dem Kulikow-Feld vor dem Gewerkschaftshaus, Odessa, ein Protestcamp gegen die Kiewer Zentralregierung

Karte der Krim-Republik (2014). Public domain.

Am 01.03.14 schildert die Wirtschaftswissenschaftlerin Natalija Witrenko, Vorsitzende der „progressiven sozialistischen Partei der Ukraine“, in einem viel zu wenig beachteten Vortrag beim Schiller-Institut, ihre Sicht auf die Begleitumstände jenes Machtwechsels in Kiew: So habe es keinen Volksaufstand zu Gunsten des Assoziierungsabkommens mit der EU gegeben, vielmehr sei die überwiegende Mehrheit für eine Zollunion mit Russland gewesen. [13]

Am 01.12.13, also bereits einen Tag nach dem überharten Einsatz der sog. Berkut-Einheit gegen unbewaffnete Janukowytsch-Gegner, hätten schwer bewaffnete, neonazistische Hundertschaften auf dem Maidan Stellung bezogen und von da an das Ziel eines gewaltsamen Regime Changes verfolgt. Eben jene paramilitärischen Verbände seien von den EU-Institutionen und den westlichen Medien immer wieder fälschlich als „friedliche Demonstranten“ bezeichnet worden, obwohl sie ganz offen rassistische Zeichen (z.B. die Zahl 88, die für „Heil Hitler“ steht) und Fahnen mit sich führten, was Witrenko anhand von Aufnahmen belegt [14]. So war die in den Euro-Maidan stark involvierte Partei „Swoboda“ noch 2012 selbst vom EU-Parlament als neonazistisch beurteilt worden [15]. Sprüche wie „Ruhm der Nation“, „Tod den Feinden“, „Ukraine über alles“, „Schneidet den Russen die Kehle durch“ und „Hängt die Kommunisten auf“ seien in derlei Kreisen an der Tagesordnung [16]. Bereits am 25.01.14 hatte Witrenko zusammen mit 26 weiteren Persönlichkeiten und Organisationen eindringlich an die UN, die EU und die USA appelliert, dass „ein Bürgerkrieg und Putsch in der Ukraine“ sowie die Gefahr einer sich daraus möglicherweise entwickelnden strategischen Konfrontation mit Russland unbedingt gestoppt werden müssten.

18.03.14: Eingliederung der Krim in die Russische Föderation durch Russland, von der ukrainischen Regierung, westlichen Politikern und Massenmedien als „Annexion“ bezeichnet. Dazu noch einmal Jacques Baud, u.a. Ex-NATO-Mitarbeiter: „Das westliche Narrativ einer russischen Intervention in der Ukraine hat sich durchgesetzt, obwohl es nie bewiesen wurde. Seit 2014 habe ich keinen Geheimdienstler getroffen, der eine russische Militärpräsenz im Donbass bestätigen konnte. Vielmehr wurde die Krim zum wichtigsten ˏBeweis´ für eine russische ˏIntervention´. Natürlich ignorieren westliche Historiker geflissentlich, dass die Krim im Januar 1991 durch ein Referendum von der Ukraine abgetrennt wurde, sechs Monate vor der ukrainischen Unabhängigkeit und unter sowjetischer Herrschaft. Tatsächlich war es die Ukraine, die die Krim 1995 illegal annektierte. Dennoch haben die westlichen Länder Russland dafür sanktioniert …“ [17]

02.05.14: Angriffe von z.T. mit Beilen, Eisenstangen, Lärmgranaten und Schusswaffen bewaffneten Mitgliedern des Rechten Sektors, Maidan-Aktivisten (u.a. die „Maidan-Hundertschaften“) und Fußball-Hooligans auf Anti-Maidan-Demonstranten auf dem Griechischen Platz und in dessen Umfeld, Odessa, bei denen die Polizei Schlimmstes noch verhindern kann; dennoch viele Verletzte. etwa zur selben Zeit auf der nahe gelegenen Derybasivska Straße bürgerkriegsähnliche, aktiv und mit hoher Gewaltbereitschaft fast ausschließlich von den auch zahlenmäßig insgesamt etwa vierfach überlegenen Maidan-Anhängern ausgehende, Zusammenstöße: erneut viele Verletzte, ferner 6 Tote, davon zwei auch unter den prowestlichen Demonstranten, durch gezielte Todesschüsse von Unbekannten (ähnlicher Vorgang wie auf dem Maidan am 20.02.14) [18]. In direkter Folge ereignet sich bis in die Nacht hinein im und unmittelbar vor dem Gewerkschaftshaus Odessa, ein Massaker an prorussischen Demonstranten (darunter viele Frauen, Jugendliche und Rentner) durch stundenlange Belagerung, Brandstiftung, Gasattacken, erzwungene Fenstersprünge, Fensterwürfe, Erschießung und Totschlag seitens militanter Ultranationalisten unter Duldung fast durchgängig anwesender Polizeikräfte: offiziell 42, nach Angaben der Opferfamilien 56 Tote, 55 Vermisste, viele Schwerverletzte [19, 20, 21].

In den darauffolgenden Tagen kommt es zu Morddrohungen gegen Anti-Maidan-Anhänger und Zeugen dieser Ereignisse in Odessa. Weitere entsprechend motivierte Tötungen in dieser Stadt oder deren Umfeld können nicht ausgeschlossen werden [22, 23]

09.05.14: In Mariupol bringt das faschistische Asow-Bataillon, mindestens mit Duldung der Regierung Jazenjuk, mehrere Dutzend Menschen um, darunter, bei der Stürmung eines Polizeireviers, einige Polizisten, die sich weigern, eine zum Tag des russischen Sieges im „Großen Vaterländischen Krieg“ stattfindende, friedliche Demonstration aufzulösen. Auch in Cherson werden Menschen von prowestlichen Milizen auf offener Straße getötet [24]

11.05.14: Am Tag des Referendums in der Oblast Donezk zu deren künftiger staatsrechtlicher Verfasstheit blockiert das maskierte „Dnepr-Bataillon“ mit massiver Waffengewalt das örtliche Abstimmungslokal im ca. 60 km nordwestlich von Donezk gelegenen Krasnoarmeysk, verletzt mindestens einen Mann schwer, der sich vom Betreten des Abstimmungslokals durch die Drohungen der Paramilitärs etwa 20 Sekunden lang nicht abbringen lässt, und tötet mindestens einen weiteren Menschen [25].

25.05.14: „22:20: Die ukrainische Regierung will den Militäreinsatz gegen prorussische Separatisten verstärken. Während des Wahltages (zur vorgezogenen Präsidentschaftswahl in der Ukraine an diesem Tag; Anm. des Verf.) sei der ˏAnti-Terror-Einsatz´ unterbrochen worden, um die Stimmabgabe nicht zu gefährden, sagte Vizeregierungschef Witalij Jarema. Nun werde die aktive Phase fortgesetzt. Örtliche Medien berichteten, dass es am Abend am Stadtrand von Slowjansk zu heftigen Gefechten gekommen sei. Das Militär habe die Stadt erneut unter Artilleriebeschuss genommen.“ [26]. Dieser Auszug aus dem „Live-Ticker“ der Zeit belegt unzweifelhaft, dass das ukrainische Militär die Ortschaft Slowjansk, gelegen 70 km nördlich der Stadt Donezk, sowohl vor als auch nach der Wahl direkt beschossen und diesen „Anti-Terror-Einsatz“ lediglich für die Wahl „unterbrochen hatte“; übertragen wir dieses Szenario einmal kurz auf Italien oder Holland; was fällt einem um Objektivität bemühten Beobachter hierbei auf?

Stepan-Bandera-Porträt am Rathaus Kiew, 14. Januar 2014. (Foto: spolit.exile / Flickr / CC By-SA 2.0)

02.06.14: Luftangriff auf das Zentrum von Luhansk: mehrere Tote und schwerverletzte Zivilisten, Schäden an Wohnhäusern [27]

Mitte 06.14: „Nach Angaben von SOS-Mitarbeitern vor Ort haben sich die Kämpfe zwischen pro-russischen Milizen und ukrainischen Truppen in den vergangenen Tagen immer stärker in die Luhansker Innenstadt verlagert. …“ [28]. Auch diese Kämpfe finden auf dem Gebiet der „abtrünnigen“ Stadt, also in zivilen Bereichen statt. Wenn man jetzt noch wüsste, wer hier wen angegriffen hat …

Ca. 08.14: Luftangriff auf das Zentrum von Donezk: mehrere Tote und schwerverletzte Zivilisten, Schäden an Wohnhäusern [29]

Ca. 09.14: Poroschenko hält in der Werchowna Rada eine entlarvende Rede zur Diskriminierung der Bewohner der „abtrünnigen“ Gebiete durch Gesetze und Verordnungen seiner Regierung [30]

„In den Jahren 2014-2015 führte die Ukraine, die von den NATO-Militärs schlecht beraten wurde, einen Krieg, der nur zu ihrer Niederlage führen konnte: Sie betrachtete die Bevölkerung im Donbass und auf der Krim als feindliche ausländische Kräfte und unternahm keinen Versuch, die ˏHerzen und Köpfe´ der Autonomisten zu gewinnen. Stattdessen bestand ihre Strategie darin, die Bevölkerung noch weiter zu bestrafen. Bankdienstleistungen wurden eingestellt, die wirtschaftlichen Beziehungen zu den autonomen Regionen wurden einfach gekappt, und die Krim erhielt kein Trinkwasser mehr.

Deshalb gibt es so viele zivile Opfer im Donbass, und deshalb steht die russische Bevölkerung auch heute noch mehrheitlich hinter ihrer Regierung. Die 14 000 Opfer des Konflikts werden in der Regel den ˏrussischen Invasoren´ und den so genannten ˏSeparatisten´ zugeschrieben. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind jedoch mehr als 80 % der zivilen Opfer auf ukrainischen Beschuss zurückzuführen.“ [31]

Mitte April 2014 bis 24.02.22: nahezu kontinuierlicher Beschuss von Dörfern und Städten im Donbass in wechselnder Intensität mit ca. 14.000 meist zivilen Todesopfern – zum größten Teil aufseiten der Separatisten [32]

11.18: Ein im Kampf „in der russischsprachigen Ost-Ukraine gegen die Separatisten“ erfahrener Ausbilder erklärt 8- bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen, die in einem ukrainischen „Sommerlager“ an Kalaschnikows den Feindeinsatz trainieren: „Wir zielen niemals auf Menschen. Nie. Aber Separatisten und aus Moskau kommende Besatzer betrachten wir nicht als Menschen. Deswegen könnt und sollt ihr auf sie schießen.“ [33]

Diese Auflistung belegter Ereignisse erhebt mitnichten Anspruch auf Vollständigkeit, was die für den weiteren Gang der ukrainischen Geschichte wichtigen Begebenheiten bzw. entscheidenden Wendepunkte seit dem „Euro-Maidan“ betrifft; insofern kann und soll sie auch nicht insinuieren, vonseiten der abtrünnigen Oblaste seien niemals ethisch ähnlich verwerfliche Erklärungen oder Aktionen erfolgt. Was sich nach Sichtung der vier hier genannten Dokumentarfilme sowie zahlreicher weiterer – sowohl alternativer als auch allerdings bereits älterer leitmedialer – Quellen jedoch klar abzeichnet: Ich konnte keinerlei Tatbestände ermitteln, die ein auch nur im Ansatz vergleichbares Maß an Unrecht begründen, das von Bewohnern dieser Gebiete verursacht worden wäre. Ferner fanden vonseiten des Anti-Maidan-Lagers bzw. der Gegner des Assoziierungsabkommens mit der EU, zumindest bis zum 24.02.22, niemals Angriffe auf prowestliche Gebiete oder die entsprechende Zivilbevölkerung statt, die durch unabhängige Quellen dokumentiert wären, mit der möglichen Ausnahme einzelner Gegenmaßnahmen bzw. Notwehrreaktionen, die als Reaktion auf (para-) militärische Angriffe durch prowestliche Verbände auf „Separatistengebiete“ erfolgten.

Andererseits ist belegt, dass am 02.05.18, also am 4. Jahrestag des Massakers von Odessa, eine größere Gruppe von ukrainischen Ultranationalisten eine Trauer- und Gedenkfeier auf dem Kulikow-Feld massiv gestört und die Trauergemeinde verächtlich behandelt hat; diese bestand aus Angehörigen und Freunden der Opfer sowie aus Gegnern der Regierung Poroschenko, denen es in den Jahren 2015 bis 2018 an diesem Datum verwehrt worden war, des Massakers auf eben diesem Platz zu gedenken. [34]

Am selben Tag und Ort gibt einer der Repräsentanten jener „ukrainischen Patrioten“ eine völlig ins Gegenteil verzerrte, unwahre Version der Ereignisse am 02.05.14 wieder – die allerdings der entsprechenden massenmedialen Darstellung in der Ukraine sowie in vielen westlichen Ländern entspricht. [35]

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass bereits diese Auflistung das durch deutsche Leitmedien und Regierungen vermittelte Narrativ gründlich widerlegt, der gewalttätige, z.T. paramilitärische (und später in die ukrainische Armee eingegliederte) Teil des Euro-Maidan sowie die durch dessen Putsch im Februar ’14 an die Macht gekommenen politischen Kräfte seien auch nur ansatzweise demokratischer bzw. rechtsstaatlicher – und nicht vielmehr ultranationalistischer, rechtsextremer und, mindestens teilweise, Menschenleben verachtender Gesinnung.

Allein dieses Fazit sowie der wahrlich seltsame Umstand, dass viele Mitmenschen „bis dato kaum etwas Derartiges gehört“ haben, sollten zur kritischen Überprüfung solcher diesen Konflikt betreffender Standpunkte führen, die diese Sachverhalte bisher nicht berücksichtigten. Fragen Sie sich beispielsweise, was Sie davon halten würden, wenn Berlin mit militärischen Maßnahmen sowie wenigstens unter Duldung gar paramilitärischer Aktionen gegen die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein vorginge, weil diese autonome Gebiete innerhalb der BRD bar jeglicher „terroristischer Aktionen“ eingefordert hätte – und es sei während jahrelangen Beschusses maßgeblich dänischer Wohngebiete gar zu Todesopfern gekommen. Die Dänen sind alles andere als eine Supermacht, aber möglicherweise wären sie mit dieser Art der ihre Ethnie betreffenden „Konfliktlösung“ dennoch nicht wirklich einverstanden gewesen.

III. Historische Ebene

(geopolitische und geschichtliche Ursachen betreffende Aspekte) oder:

Heuchlerisch-moralinsaure „Querfront“-Geschichtsvergessenheit: Wenn systemrechte Alt-Feind- und systemlinke Neu-Feindbildler unserer politischen Klasse also absolut kein Problem mehr miteinander haben und Russland nahezu einhellig – erneut – zum Erzfeind erklärt wird

Auch bei diesem Krieg ist – wie immer – ein Blick auf unbestreitbare, geschichtlich weiter zurückliegende Tatsachen zwingend erforderlich. Denn das offizielle Narrativ lautet ja, Putin nutze innere Spannungen der Ukraine, noch dazu ohne wirkliches Interesse am Schicksal der russischstämmigen oder nach Osten orientierten Ukrainer, für seine doch recht plötzlich entstandenen Ambitionen, „die Verhältnisse in Europa grundlegend neu (zu) ordnen“, wie Olaf Scholz bereits am 27.02.22 konstatierte, oder wahlweise auch für seinen wie unabdinglich bestehenden territorialen Hunger. Umgekehrt hingegen werden US-amerikanische Interessen an und in der Ukraine, seien sie wirtschaftlicher oder besonders geopolitischer Art, in den Qualitätsmedien kaum erwähnt oder aber kleingeredet. Daher ist ebenso auf dieser Betrachtungsebene die Kenntnis oder auch Auffrischung einiger wesentlicher Fakten hilfreich:

09.02.90: US-Außenminister Baker gibt Präsident Gorbatschow als Gegenleistung nicht nur für die Ermöglichung der Deutschen Einheit, sondern auch für den Abzug der russischen Truppen aus Ostdeutschland bei gleichzeitigem Verbleib des amerikanischen Militärs in Westdeutschland das durch Protokolle eindeutig belegte Versprechen der Nicht-Osterweiterung der NATO. Genscher nimmt dies bereits am 02.02.90 vorweg [36]

08.12.91: Beschluss der Auflösung der UdSSR durch die Staatsoberhäupter der Russischen Föderation, der Ukraine und Weißrusslands

1992: Der NATO-Rat legt ein neues Konzept vor, wonach künftig sog. Friedensoperationen auch außerhalb des eigenen Bündnisgebietes unterstützt werden sollen (sog. „Out-of-area-Einsätze“)

05.12.94: Budapester Memorandum: Die Ukraine, Weißrussland und Kasachstan verzichten auf die auf ihren jeweiligen Territorien verbliebenen Atomwaffen der ehemaligen UdSSR als Gegenleistung für „ihre Sicherheit, Unabhängigkeit und territoriale Integrität“

2000 erscheint das US-Strategie-Papier „Joint Vision 2020“: Als Ziel formuliert es die „Full Spectrum Dominance“: die Überlegenheit gegenüber Russland auf allen militärischen Gebieten

2000: Das ukrainische Parlament erlaubt die Stationierung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen fremder Mächte auf dem eigenen Territorium

2002: einseitige Kündigung des ABM-Vertrags (zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (von 1972)) durch die USA: Dies ist der Auftakt zum Aufbau eines globalen US-Raketenabwehrsystems

23.01.05 bis 25.02.10: Wiktor Juschtschenko ist Staatspräsident der Ukraine. „Innenpolitisch positionierte er sich als scharfer Gegner der russischen Sprache in der Ukraine und unterstützte eine umfassende Ukrainisierung des Bildungswesens, was in den russischsprachigen Regionen des Landes auf Widerstand stieß. … Juschtschenko verfolgte mit Nachdruck einen Beitritt der Ukraine zur NATO. … (Er) setzte sich in seiner Amtszeit für die Ehrung von Mitgliedern und Aktivisten der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) sowie der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) ein, was international auf Kritik stieß. … Auch Stepan Bandera wurde von ihm am 22. Januar 2010 mit dem Ehrentitel ausgezeichnet. … (Seine 2. Frau ist) … die ukrainischstämmige US-Amerikanerin Kateryna Tschumatschenko …, die in der Reagan- und der George H. W. Bush-Administration im State Department und im Finanzministerium gearbeitet hatte … Sie war als Vertreterin der US-Ukraine Foundation in die Ukraine gekommen und saß in den Gremien des neokonservativen Think-Tanks ˏNew Atlantic Initiative´ …“ [37]

Dieser Think Tank (NAI) hatte u.a. zum Ziel, die „noch jungen Demokratien Europas“ in die NATO und die EU aufzunehmen sowie – „zur Stärkung des globalen Freihandels“ – „Freihandel zwischen einer erweiterten Europäischen Union und den Ländern des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA)“ zu schaffen. 2005 wurde die NAI in das Programm „European Studies“ der AEI (Asia-Europe Institute) integriert. [38]

Seit 2006 setzt das Pentagon das Vorhaben um, weltweite Sofortangriffe ausführen zu können: Binnen einer Stunde soll jedes mögliche Ziel weltweit getroffen werden können: durch Interkontinental-Raketen, Hyperschall- und Weltraumwaffen sowie Kampfdrohnen

2008: Budapester NATO-Gipfel: Eine künftige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wird faktisch beschlossen, die Putin seit Langem scharf kritisiert und die selbst George Friedman, Chef des US-Thinktanks STRATFOR und langjähriger Berater von US-Regierungen seit Jimmy Carter, im Februar ‚15 als eine „existenzielle Bedrohung für Russland“ bezeichnet [39]

21.11.13: Beginn der dreimonatigen Euro-Maidan-Proteste, ausgelöst durch Präsident Janukowytschs Entschluss, das Assoziierungsabkommen mit der EU doch nicht zu unterzeichnen, welches die EU-Mitgliedschaft vorbereitet hätte, der in aller Regel ein NATO-Beitritt folgt

01.12.13: Übernahme der Führerschaft des Euro-Maidan durch streng organisierte und zunehmend gewalttätiger werdende rechtsradikale Kräfte (s. Teil II.)

15.12.13: US-Senator John McCain solidarisiert sich während seines Besuchs des prowestlichen Oppositionslagers auf dem Maidan öffentlich mit dem Rechtsextremen Oleh Tjahnybok [40]

02.02.14: US-Außenminister John Kerry stellt bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz die ukrainische Opposition vor: Poroschenko, Jazenjuk und Klitschko.

Münchner Sicherheitskonferenz 2014 – Petro Poroschenko und US-Außenminister John Kerry beim Händeschütteln; links Vitali Klitschko, rechts Arsenij Jazenjuk (Foto: gemeinfrei)

Anfang Februar ’14: Ein geleaktes Telefonat („Fuck the EU!“) offenbart die entscheidende Einflussnahme der US-Administration auf die ukrainische Opposition gegen Präsident Janukowytsch sowie auf dessen Nachfolgerschaft [41]

22./23.02.14: mit langfristiger US-amerikanischer Unterstützung herbeigeführter Putsch in Kiew. Victoria Nuland, damals Assistant Secretary of State des US-Außenministeriums, spricht bereits am 13.12.13 von Investitionen der USA i.H.v. 5 Mrd. US-$ für die „Entwicklung ukrainischer demokratischer Institutionen“ [42]

01.03.14: In einem Interview mit BüSo-TV schildert Natalija Witrenko (s. Teil II.) die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine seit dem Zerfall der UdSSR: Das ukrainische BIP sei von 1990 bis 2013 um ein Drittel gesunken; im gleichen Zeitraum seien die Arbeitsplätze von 25 auf 12 Mio. abgebaut worden; ferner sei die zum allergrößten Teil „bettelarme“ Bevölkerung in dieser Zeit um ca. 13,5 Mio. Menschen geschrumpft, von denen etwa 7 Mio. das Land wegen Dauerarbeitslosigkeit verlassen hätten. [43]. Für diesen Aderlass sei die Politik des IWF und der Weltbank sowie die Aktivitäten internationaler Großinvestoren verantwortlich. [44]. Hierzu Wikipedia: „Auch die ˏextrem harschen Auflagen´ des IWF, wie zum Beispiel die Erhöhung von Gaspreisen auf dem Binnenmarkt um 40 Prozent und starke Haushaltskürzungen, hätten zum Vorbereitungsstopp (hins. der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU; Anm. des Verf.) beigetragen.“ [45]. Im Übrigen habe die Unterstützung ultranationalistischer antirussischer Gruppen durch US-Diplomaten und -Politiker bereits unmittelbar nach dem Zusammenbruch der UdSSR begonnen. [46]

Spätestens seit 2014 ist die Ukraine faktisch auf dem Weg in die NATO. NATO-Offiziere bildeten seitdem Zehntausende ukrainische Soldaten aus. Die USA bewilligten erst kürzlich weitere 3 Mrd. US-$ für die Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte [47]

Seit 2014 verstärkt die NATO ihre Manöver-Aktivitäten in Europa (ca. 300 pro Jahr, z.B. „Defender 2020“). Deutschland wird zunehmend zur Drehscheibe und zum Aufmarschgebiet gegen Russland.

14.04.14: Die neue ukrainische Regierung unter Turtschynow erklärt den Beginn der militärischen Anti-Terror-Operation (ATO) gegen die „Terroristen“ im Donbass, auf der Krim und in Sewastopol (s. Teil II.)

2019: einseitige Kündigung des INF-Vertrags (zur Vernichtung aller boden-/landgestützten nuklearen Kurz- u. Mittelstreckenraketen (von 1988)) durch die USA: Raketen bis 5.500 km Reichweite können in Europa fortan wieder stationiert werden – eine wesentliche Voraussetzung u.a. für die bis Ende ’23 geplante Stationierung der Hyperschallrakete „Dark Eagle“ mit einer Vorwarnzeit für Moskau – von der Ost-Ukraine aus – von deutlich unter 4 Min.

04.19 – 03.22: Allein von den 2,5 Millionen Einwohnern der Oblaste Donezk und Luhansk nehmen 800.000 Menschen die russische Staatsbürgerschaft an [48].

Nationale Politik gegen Minderheiten im eigenen Land ist immer fragwürdiger Natur; in diesem Fall jedoch hat sich, freilich unter enormem politischen, sozialen und sogar militärischem Druck, bereits nahezu ein Drittel der Bevölkerung innerhalb der genannten Regionen völlig eindeutig zu seiner nationalstaatlichen Ausrichtung bekannt oder sich geradezu dazu genötigt gefühlt. Daher muss die Frage gestellt werden, ob hinter der – zumal jahrelangen – militärischen Intervention in diesen Gebieten seitens Kiew überhaupt noch eine andere langfristige politische Zielsetzung stehen kann als jene, die „abtrünnigen“ Volksgenossen, letztlich unter Androhung des Verlusts ihrer Bürgerrechte, ihres Besitzes, ihrer Gesundheit und, im Extremfall, ihrer Existenz, dazu zu zwingen, ihre ausgeprägten, über Jahrzehnte gewachsenen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu kappen sowie die eigenen kulturellen Wurzeln bis hin zum Sprachgebrauch weitgehend zu verleugnen. Sie würden somit zu Bürgern 2. Klasse im (zu dieser Zeit eindeutig immer noch) eigenen Land degradiert und hätten sich politisch vollends einer Zentralregierung zu unterwerfen, die sich einem Militärbündnis anschließen will, das strategisch immer klarer gegen jenes Land ausgerichtet ist, dem sich wesentliche Bevölkerungsteile im Osten und Süden der Ukraine kulturell, wirtschaftlich, aber auch ethnisch offensichtlich deutlich stärker verbunden fühlen als dem Westen des „eigenen“ Staates.

John McCain solidarisiert sich während seines Besuchs des prowestlichen Oppositionslagers auf dem Maidan öffentlich mit dem Rechtsextremen Oleh Tjahnybok und spricht auf der Bühne. (Foto: Mr.Rosewater / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Nach langen Jahren des Bürgerkriegs, in denen keinerlei Bereitschaft der prowestlichen Seite zu erkennen war, die völkerrechtlich verbindlichen Ergebnisse von Minsk II umzusetzen, konnte, wenn überhaupt jemals, von einer Kapitulation der „Terroristen“ in den östlichen Oblasten ernsthaft nicht mehr ausgegangen werden. Da gleichzeitig jedoch klar auf der Hand lag, dass die Ukraine allein einer möglichen Intervention Russlands kaum etwas würde entgegensetzen können, ist der Verdacht, Kiew habe mit seinen westlichen „Freunden“ für eben diesen Fall langfristige geheime Vorabsprachen getroffen und es durch immer weitere Angriffe auf die östlichen Gebiete geradezu darauf angelegt, diese Intervention zu provozieren, alles andere als von der Hand zu weisen. Zurück zur Chronologie:

25.03.21: Selenskyj setzt die neue ukrainische Militärdoktrin in Kraft mit den Zielen: Mitgliedschaft in der NATO und Reintegration der Oblaste Donezk und Luhansk sowie der Krim.

04.02.22: Putin und Xi fordern bei den Winterspielen in Peking einen Stopp der NATO-Osterweiterung.

Ab 15.02.22 registriert die OSZE eine 10- bis 16-fache Intensivierung der Waffenstillstandsbrüche westlich und östlich der Kontaktlinie (von 153 (am 15.02.) auf 2.400 (am 19.02.) Vorfälle). Dort, wo diese klar zugeordnet werden können, stellt sie 3- bis 5-mal mehr Angriffe aus dem Westen als aus dem Osten fest. Laut OSZE-Akten ist ferner belegt: Am 15.02. greift die Kiewer Seite in Luhansk zuerst an und beginnt damit die seit Beginn des Bürgerkriegs in ’14 heftigste Kampfphase vor Einmarsch der russischen Truppen [49].

18.02.22: Die Regierungen von Donezk und Luhansk ordnen als Reaktion auf von westlichen Leitmedien nicht bestätigte Truppenkonzentrationen der ukrainischen Armee im Osten der Ukraine die Evakuierung ihrer Bevölkerungen nach Russland an, die unmittelbar daraufhin anläuft [50, 51].

22.02.22: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz droht Selenskyj: Erhält die Ukraine keine Sicherheitsgarantie (wie durch eine NATO-Mitgliedschaft), fühlt sie sich nicht mehr an die im Budapester Memorandum von 1994 vereinbarte Atomwaffenfreiheit gebunden.

Würdigt man all diese Fakten möglichst unparteiisch im Hinblick auf das für ernsthafte friedenspolitische bi- oder multinationale Übereinkommen unabdingliche Primat der Wahrung gegenseitiger, geopolitisch objektiv nachvollziehbarer Sicherheitsinteressen und -anforderungen, so müsste Folgendes außer Frage stehen – und unter gesprächigen, um realistische Einschätzung der Sachlage bemühten Militärs beider Seiten ist dies auch der Fall:

Nachdem aufgrund der hier aufgeführten, aus russischer Sicht über Jahrzehnte eingetretenen systematischen Verschlechterungen im Hinblick auf eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands eine plötzliche oder wenigstens absehbare Abkehr der NATO von ihrem Osterweiterungskurs unter fortdauernder Missachtung der russischen Interessen mitnichten zu erwarten ist, kann – und darf Russland eine Integration der Ukraine in die NATO mit der wahrscheinlichen Folge der Stationierung z.B. taktischer und strategischer, nuklear bestückter Kurz- und Mittelstrecken- oder Hyperschallraketen auf ukrainischem Territorium
keinesfalls zulassen!

George Friedman lässt grüßen, aber u.a. auch Willi Wimmer, Oskar Lafontaine, Karl Albrecht Schachtschneider, Eugen Drewermann, Ray McGovern, Jacques Baud, Daniele Ganser, Helga Zepp-LaRouge sowie weitere Verschwörungstheoretiker, aber auch aufgeklärte Teile der Friedensbewegung. Und mit Sicherheit auch Willy Brandt, Egon Bahr und Peter Scholl-Latour, weilten sie noch unter uns.

An dieser Stelle erinnere ich ferner an die Kuba-Krise 1962 und die damals bis zum Äußersten entschlossene US-Regierung, eine Bedrohung der USA durch nuklear bestückbare russische Raketen in unmittelbarer Nachbarschaft der USA unter keinen Umständen hinzunehmen – und dies eingedenk der später bekannt gewordenen historischen Tatsache, dass dieser Vorstoß der UdSSR schlicht eine geostrategische Reaktion auf die bereits drei Jahre zuvor erfolgte Stationierung von US-Atomraketen u.a. in der Türkei und in Italien gewesen war.

Während die Zahl der Atomwaffenstaaten von einem auf acht gestiegen ist, befinden sich fast alle Atomwaffen der Welt im Besitz von zwei Ländern, den Vereinigten Staaten und Russland. Nicht abgebildet ist Nordkorea, das drei Atomwaffen getestet hat, aber vermutlich nicht über Atomwaffen verfügt, die in irgendeiner Form eingesetzt werden können. Die Daten stammen aus dem Bulletin of the Atomic Scientists.

IV. Existenzialistische Ebene

(Menschen- und Weltbild betreffende sowie ethische Aspekte) oder:

Die unerträglich verlogene Hybris des von den USA völlig demokratisch dominierten „wertebasierten Westens“: Der Zweck heiligt eben doch die Mittel – solange sie nur von den Guten eingesetzt werden

Wird just an dieser Stelle der Bestandsaufnahme – falls die genannten und belegten Fakten nicht direkt abgewiesen oder geleugnet werden – dann mit der Behauptung einer System-Überlegenheit des Westens – also hinsichtlich eines Vergleichs der jeweils innen- oder gar auch außenpolitisch herrschenden Verhältnisse – im Sinne eines Vorrechts der ethisch, demokratisch oder humanistisch weiterentwickelten Seite argumentiert, um sich so über die unbestreitbare geopolitische Dynamik und Faktenlage (s. Teil III.) hinwegzusetzen, so offenbart dies eine in höchstem Maße irrationale, anmaßende und heuchlerische Sicht auf die Gesamtzusammenhänge.

Denn was verbirgt sich hinter einer Ethik, die sich im Ernstfall einer militärischen Konfrontation nicht daran stört, dass das werthaltigere System – diese Beurteilung sei für die Fragestellung einfach mal als zutreffend vorausgesetzt – den Kriegszustand gegen das unterlegene oder, kaum verhohlen in vielen Varianten ja auch schon zum Ausdruck gebracht, gegen das schlechtere oder gar böse System unbeirrt aufrechterhält? Und zwar so lange, bis Letzteres, so das erklärte Ziel nicht nur der deutschen Politik, bestenfalls ruiniert und dadurch seinen Kontrahenten faktisch schutzlos ausgeliefert ist? Was für eine Ethik ist das, die, anstatt mit Nachdruck diplomatische Bemühungen für einen Waffenstillstand, daran anknüpfende Friedensverhandlungen und eine Beendigung der Sanktionen anzustrengen, nahezu ausschließlich auf ihre vermeintliche militärische Überlegenheit setzt – um diese, allerdings nur im Falle eines tatsächlichen Sieges, auf einer ideologisierten Meta-Ebene à la „God‘s own Country“ möglicherweise sogar als „Beweis“ für das Dogma des eigenen Gutseins, der eigenen Überlegenheit, ja Unbesiegbarkeit zu missbrauchen? Wäre das nicht schlicht eine Moral des Stärkeren, dessen Gutsein und Rechtschaffenheit sich am Ende nurmehr aus dessen Fähigkeit ableitet oder darin beweist, über den Feind zu obsiegen?

Um die Zustimmung der Bevölkerung nicht zu verlieren, muss eine derart beschränkte Politik entweder behaupten, ihre strikte Haltung sei ausschließlich in der absoluten Weigerung der Gegenseite begründet, ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen. Diese Einschätzung betreffend die russische Seite teile ich mitnichten; die gesamte hier beschriebene Vorgeschichte zu diesem Konflikt legt eine gänzlich andere Deutung nahe.

Alternativ kann nur noch proklamiert werden, man müsse vor Aufnahme von Verhandlungen zunächst bestimmte Kriegsziele erreichen, um sich gegenüber dem Gegner noch jene Vorteile zu verschaffen, die offenbar als nicht verhandelbar eingeschätzt werden, weshalb man auch bei dieser Argumentation den Fortgang des Krieges auf unbestimmte Dauer sowie mit ungewissem Ausgang eindeutig willentlich befördert. Allein diese Ausrichtung weist keinerlei ethische Prinzipien mehr auf. Zumindest dürfte folgendes Spiegelargument jedermann einleuchten: Verhalten sich beide Parteien gemäß obiger Ausrichtung, kann sich ein solcher Krieg praktisch endlos und zunehmend zerstörerisch hinziehen – zum allergrößten Schaden der im Kriegsgebiet Lebenden; dann wäre man um keinen Deut „besser“ als der systemisch oder moralisch angeblich unterlegene Antagonist. Ein ethisches Gebot sollte im Übrigen jedoch unabhängig von den Subjekten gelten, auf die es sich bezieht – also auch unabhängig vom jeweiligen anderen Subjekt.

Nun zu noch grundsätzlicheren Überlegungen, die m.E. unverzichtbare Elemente einer zukunftsfähigen Ethik zu umreißen versuchen: Die Beurteilung sowie der damit einhergehende, wertende Vergleich verschiedener politischer Systeme liegt auf einer fundamental anderen Betrachtungsebene als die Analyse objektiv feststellbarer militär- und geostrategischer Gegebenheiten und Konstellationen; eine wie auch immer motivierte Vermischung beider Sphären wird schlimmstenfalls dazu führen, dass man den Selbsterhaltungswillen und das daraus erwachsende vitale Selbstverteidigungsbedürfnis eines Antagonisten nicht als eine ihm a priori zustehende, nicht relativierbare Grundeigenschaft oder Grundberechtigung anerkennt, sondern diese von der eigenen Beurteilung des Wertes, oder kompromissloser: des Existenzrechts dieses Antagonisten nach zudem subjektiven und somit potenziell willkürlichen Kategorien und Kriterien abhängig macht. Dies aber wird, gerade aus einer auf Konkurrenz und Sieg ausgerichteten Weltsicht heraus, zur Folge haben, dass dem Gegner – in „milderer“ Form nur teilweise, im extremsten Fall auch gänzlich – die Legitimität der Sicherstellung seiner Selbsterhaltung aufgrund dessen diagnostizierter Unterlegenheit oder gar Minderwertigkeit abgesprochen wird.

Eine hoch ausgebildete Ethik zeigt sich hingegen gerade darin, jeden Menschen, und hier insbesondere den „Konkurrenten“, sei dieser eine Person, Gruppe, Nation oder ein Land, als einen lebendigen Organismus zu betrachten, der allein deshalb bereits – also völlig unabhängig von seinen sonstigen, Vererbung, Sozialisation und Selbstbestimmung unterliegenden Eigenschaften – über unveränderliche, da genetisch, biologisch und psychologisch determinierte Grundtriebe verfügt, zu denen notwendig der Selbsterhaltungstrieb zählt.

Da deren Existenz eigentlich nur anerkannt werden kann und sich eben deshalb jeder Bewertung oder Relativierung grundsätzlich entziehen sollte (welche, wenn doch vorgenommen, Subjekt und Objekt unabdinglich voneinander trennt, ja trennen muss), kann eine urteilende Instanz, die einem anderen durch ihre Entscheidungen und Handlungsweisen, aber auch ihre Proklamationen dessen Recht auf Selbsterhaltung beschneidet oder abspricht, weder als ethisch noch als human bezeichnet werden; tut sie es dennoch, so kommt dieses Verhalten, und zwar völlig unabhängig vom beurteilten Niveau des Antagonisten, einer Umkehrung des von jener Instanz behaupteten Sachverhalts gleich und ist damit zutiefst unaufrichtig.

Fazit:

1. Die Sicherheitsinteressen aller Völker, Ethnien oder Länder basieren auf Abwehr- bzw. Notwehrrechten und sind daher originär defensiver Natur.

2. Bei der Beurteilung bzw. Würdigung der geopolitischen Sicherheitsinteressen eines fremden Landes sollten dessen innenpolitische Verhältnisse (übrigens ebenso wie die eigenen) keine Rolle spielen, da Erstere, akzeptiert man das Konstrukt „anderer Staat“ bzw. „fremdes Land“ grundsätzlich als völkerrechtlich legitimiertes Subjekt und zugleich als konsistenten Organismus, völlig unabhängig von Letzteren objektiv existieren.

3. Eine wirklich ethische Haltung missachtet nicht – und urteilt daher nicht über – das jeglichen Sicherheitsinteressen zugrundeliegende Recht auf Selbsterhaltung anderer Völker, Ethnien oder Länder (im Folgenden: Organismen); sie erkennt – wie in Bezug auf den eigenen Organismus – vielmehr an:

a) Die Funktion der Selbsterhaltung bei allen lebenden Organismen, unabhängig von deren sonstigen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Eigenschaften, ist natürlich gegeben;

b) Daher leitet sich zwingend das grundsätzliche Recht eines jeden Organismus ab, diesem Selbsterhaltungstrieb bei potenziell existenzieller Bedrohung durch andere Organismen adäquaten – notfalls auch zerstörerischen – Ausdruck zu verschaffen.

4. Hält sich jede Regierung, unabhängig von ihrer – vermeintlichen oder tatsächlichen – ethischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder militärischen Überlegenheit, an diese Maximen, ist die grundlegendste Vorbedingung für eine konstruktive Verständigung über die verbliebenen bi- oder multilateralen Probleme und Interessenkonflikte mit der Zielsetzung eines ganzheitlichen und somit fairen Interessenausgleichs erfüllt. Man unterscheidet nicht zwischen vermeintlich „verschiedenen“ Daseinsformen mit unterschiedlichen Graden der Existenzberechtigung, sondern erkennt eine allen Bewertungen vorausgehende und sich diesen somit entziehende Gleichheit aller Organismen vorbehaltlos an.

5. Das – ohnehin auf Täuschung der Öffentlichkeit sowie teilweise auch auf Selbsttäuschung beruhende und im außenpolitischen Agieren sich mehr oder weniger explizit zeigende – Selbstverständnis (A) des „Wertewestens“ als Gesamtorganismus hingegen lautet:

„Wir repräsentieren unzweifelhaft das Gute, denn unser Gesellschaftsmodell basiert auf der Würde, der Freiheit, der Freiwilligkeit und Freizügigkeit des Individuums sowie dem Menschen- und Völkerrecht. Somit sind wir allen abweichend ausgerichteten Gesellschaftssystemen moralisch überlegen.“ (=> „Seinssphäre“, „Zweck“ oder „Sinn“)

Hieraus leitet der Westen – unter klarer Führerschaft der USA und als einziges Bündnis weltweit – eine folgenschwere Selbstermächtigung (B) ab:

„Daher besitzen wir das moralische Recht (manche sprechen hier gar von einer moralischen, gar gottgegebenen, Pflicht), unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zum Wohle aller Menschen in den Ländern unserer Partner zu stärken und in anderen, weniger entwickelten Ländern einzuführen oder durchzusetzen.“ (=> „Handlungsebene“, „Mittel“ oder „Ausdruck“)

Diese Etablierung des „bestmöglichen“ Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells geschieht sachgerecht, d.h. abgestuft entsprechend den vor Beginn einer Intervention jeweils herrschenden Gegebenheiten, Zu- und Umständen, wahlweise

  • durch an oft tiefgreifende Bedingungen geknüpfte finanzielle Unterstützung (die diese Länder, auch durch bestimmte Formen der „Entwicklungshilfe“, jedoch sukzessive in die völlige finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeit von den „Geberländern“ treibt),
  • durch Infiltrierung (über Stiftungen, Institute, NGOs und „Nachrichtendienste“ bis hin zu (para-) militärisch organisierten Regime Changes),
  • durch Sanktionierung (Wirtschaftskrieg gegen die gesamte Bevölkerung – mit ähnlichen Folgen wie solchen durch Krieg verursachten),
  • durch indirekten Einsatz militärischer Gewalt (Waffenlieferungen an erklärte Gegner dieser Länder, auch während kriegerischer Auseinandersetzungen),
  • durch offene (para-) militärische Konfrontation (Sabotage, Krieg, Genozid) sowie schließlich – und erneut
  • durch an bestimmte finanz-, wirtschafts-, macht- und rechtspolitische sowie militärstrategische Bedingungen geknüpfte Versorgungs-, Wiederaufbau- und Entwicklungshilfen (s. „amerikanischer Exzeptionalismus“).

Diese hyperelitäre Selbstermächtigung (s. B) ist – selbst bzw. gerade wenn die sie vermeintlich legitimierende Selbstbewertung (s. A) der Wahrheit entspräche – per se antidemokratisch, unethisch und inhuman; denn sie missachtet, ignoriert oder negiert die in den Punkten 1 bis 3 erläuterten Leitsätze und entlarvt A im fortschreitenden historischen Prozess immer offensichtlicher als ein weltanschauliches, ideologisch verbrämtes Trojanisches Pferd, angefüllt mit Grundüberzeugungen, Zielvorstellungen, Instrumentarien und Handlungsoptionen, die den erklärten Idealen nahezu entgegengesetzt sind und sich, gerade auch im Umgang mit dem Ukrainekrieg bzw. mit Russland, immer unverhohlener in B offenbaren.

6. Selbstverständlich ist die Entscheidung für die Leitsätze 1 bis 3 sowie deren Einhaltung durch Regierungen, Staaten oder Länder konsequent nur umsetzbar in einer Welt,

a) in der keine oder zunehmend weniger Verschwörungen, vor allem auf internationaler oder globaler Ebene, stattfinden (können), die notwendigerweise auf das Konzept von gegnerischen „Spielern“ – und somit auf Gewinner und Verlierer – ausgelegt sind und dadurch intrinsisch immer neue Feindbilder und Feinde, im Innen gleichermaßen wie im Außen, schaffen müssen,

b) in der imperialistische, marktradikale und totalitäre Zielsetzungen sowie exzeptionalistische und transhumanistische Menschenbilder und Gesellschaftsmodelle weitestgehend überwunden oder wenigstens zurückgeschlagen sind,

c) in der Krieg als „bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Carl von Clausewitz, u.a. Militärwissenschaftler und -ethiker), sinnigerweise zunächst auf multipolarer, im Idealfall irgendwann einmal vielleicht auch auf non-polarer Basis, keine derartige Dominanz mehr entfalten kann, wie dies fatalerweise gegenwärtig noch immer oder, aus europäischer Sicht, gar wieder verstärkt der Fall ist,

d) in der das Verteilungsproblem – und komplementär dazu der (zumindest bis zu einem bestimmten historischen Moment) bis ins Unermessliche sich immer schneller steigernde Reichtum einer winzigen Anzahl sog. UHNWIs (ultra-high-net-worth Individuals: Superreiche) – als die größte materielle Ursache sämtlicher weltweiter Krisen in ausreichender Relevanz erkannt ist und ernsthaft angegangen wird,

e) in der die Verlustangst jedes Individuums und im Speziellen der Mächtigsten und Superreichen, die sich zudem im kollektiven Unbewussten der gesamten Menschheit über Jahrtausende extrem manifestiert hat, als entscheidende (massen-) psychologische Ursache für die immer ungerechtere Verteilung aller materiellen und geistigen Güter erkannt ist und eine möglichst umfassende wie weltweite, auf individueller wie kollektiver Ebene notwendige Auseinandersetzung mit dieser initiiert bzw. fortgeführt wird – mit der Vision ihrer endgültigen Überwindung.

 

In einer solchen Welt leben wir noch nicht; daher sind die genannten Maximen in nächster Zukunft noch nicht umsetzbar; allerdings sind sie auch nicht neu, bereits seit Langem denk-, erfahr- und daher überprüfbar, und ihre Richtigkeit liegt angesichts der Entwicklung unserer Welt zunehmend auf der Hand. Und in je stärkerem Maße immer mehr Menschen diese Leitsätze ernsthaft überdenken, überprüfen und schließlich auch als essenziell erkennen und empfinden, desto mehr geben wir als Menschheit einer Entwicklung in diese Richtung eine reale Chance.

Denn seit Langem schon ist wissenschaftlich bewiesen: Die Erde ist groß und reich genug an Raum, Ressourcen und Lebensenergie für mindestens 12 Milliarden zufriedene Menschen; wir müssen nur noch lernen, aus dem – im Verlauf der Gesamtentwicklung der menschlichen Spezies über lange Phasen durchaus unvermeidlich herrschenden – sozialdarwinistischen Konkurrenzprinzip allmählich, aber vor allem gemeinsam auszusteigen, das Verteilungsproblem möglichst friedlich zu lösen und mit den Ressourcen dieser Welt verantwortungsvoll und nachhaltig umzugehen.

Letzteres gilt selbstverständlich auch dann, wenn sich künftig zeigen sollte, dass einige Ressourcen vielleicht gar nicht so knapp sind, wie dies massenmedial unablässig behauptet wird, sei es aus schierer Panik, wirklicher Sorge, auf Basis gefährlicher, da oft instrumentalisierter Halbwahrheiten, aus wirtschaftlichem Kalkül oder aber – ist das wirklich so undenkbar? – aus rein machtpolitischen Erwägungen heraus.

Denn viele Informationen und Umstände aus den unterschiedlichsten Bereichen deuten darauf hin, dass die Protagonisten und Propagandisten jener stetig zunehmenden Macht- und Angsterzeugungspolitik den nicht wirklich neuen Topos der „künstlichen Verknappung“ sowie das „We don’t have Time“-Mindsetting à la Greta Thunberg aus einem ganz bestimmten Grund auf eine neue Kommunikations- und Emotionalisierungsebene im globalen Maßstab gehoben haben (wobei dieses „5-vor-12“-Alarm-Motiv ja keinesfalls grundsätzlich unzutreffend – aber genau deshalb auch besonders erfolgreich instrumentalisierbar – ist): Offensichtlich sind die meisten ihrer Repräsentanten – nach all den im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in ihrem Auftrag durchgeführten psychologischen, soziologischen, humanbiologischen und nicht zuletzt neurologischen Studien – zutiefst davon überzeugt, dass ein Klima der Angst und Bedrohung, hervorgerufen durch möglichst viele globale Schreckensszenarien, äußerst hilfreich dabei sein kann, deren zweifellos immer totalitärer werdende Massen-Kontroll-Zielsetzungen gegenüber einer verängstigten und in Aufruhr versetzten, kognitiv-dissonanten Menschheit zu verobjektivieren. Und wir erleben gegenwärtig, wie diese Agenda über verschiedenste Instrumente wie z.B. sog. Freihandelsabkommen, die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche (s. 5G-Rollout, „Smart City Charta“, Bargeldabschaffung), die Bürgeridentitäts-Nr., noch längst nicht überwundene Impfzwang-Konzeptionen, immer neue global-virale Bedrohungsszenarien, scheinbar unvermeidbare Kriege oder immer primitivere Feindbild- und Kontaktschuldnarrative mit aller Macht durchzusetzen versucht wird. So z.B. mit der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat [52].

Auf diese Entschließung Bezug nehmend, zeigt Dagmar Henn, wenn nicht bereits das dort herrschende, erschreckende Ausmaß von Realitätsverweigerung, so doch das hochoffizielle Negieren der sog. Unschuldsvermutung im Status des nicht vorliegenden Schuldbeweises auf, z.B. wie folgt: „Russland … setzt nicht nur ˏdie Energieversorgung als Waffe´ ein, auch an dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist es schuld: ˏ… dass durch die Beschädigung der Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und 2 am 26. September 2022 große Gasleckagen in der Ostsee verursacht wurden, was zudem ein Umweltanschlag auf die Union ist´.“ [53]

Das Zulassen eben dieser vermeintlichen „Undenkbarkeit“ hinsichtlich der tatsächlichen Radikalität im Denken und Handeln der Mächtigen dieser Welt und ihrer Erfüllungsgehilfen, einer Radikalität, die ich eben beispielhaft bezog auf die global-propagandistische Schaffung oder wenigstens Verschärfung angst-erzeugender Szenarien wie: „Es ist nicht genug für alle da“, „Der Klimawandel hängt entscheidend vom CO2-Ausstoß ab“ oder „Das Überleben des im Grunde unmündigen Menschen kann nur noch durch globale Kontrolle und technologische Optimierung sichergestellt werden“ – all dies jedoch weitestgehend zum Zweck der Durchsetzung völlig anders gearteter Partikularinteressen –, dieses Zulassen, das jede/r Einzelne für sich selbst leisten muss, ist es, das – und damit schließt sich der Kreis – auf die ursprüngliche Fragestellung zum Abschluss der Einleitung zurückverweist: „Warum wurden die eingangs aufgeführten Fragen (hins. der Themen ˏWaffenstillstand´ und ˏFriedensverhandlungen´), und zwar für jedermann hör- und nachvollziehbar, bisher nie wirklich, d.h. nie mit der eigentlich angemessenen medialen und politischen Durchschlagskraft gestellt – und allein schon deshalb auch nie tatsächlich beantwortet?“

Die Dimension wiederum dieser Undenkbarkeit, nämlich dass über eine friedliche Lösung für den gefährlichsten Konflikt seit der Kuba-Krise von den politisch Verantwortlichen gegenwärtig noch nicht einmal mehr nachgedacht wird, dürfte etwa auf demselben – verstörenden – Niveau liegen wie im Falle der massivsten Propagierung instrumentalisierter Schreckens-Narrative – und dennoch vollzieht sich erstere bereits seit fast einem Jahr unzweifelhaft vor aller Augen.

Von den Entscheidern wird das Undenkbare also tatsächlich exekutiert – in diesem Fall durch Unterlassung einerseits und Steinzeitpolitik andererseits. Darüber sollten sich möglichst viele Menschen möglichst bald wirklich klarwerden und dazu kommen, für sie selbst bisher Undenkbares gedanklich, aber auch emotional zuzulassen, in der Folge über die sich daraus ergebenden Konsequenzen nachdenken – und diese allmählich in ihr gesellschaftliches Handeln umsetzen. Das geht.

Quellen:

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Gegenwärtige deutsche bzw. westliche Russland- und Ukraine-Politik
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4 Kommentare

  1. Meine Frage—warum können Humans nicht miteinander auskommen.?Sitzen alle auf der Gruselearth fest. Echte Bedrohungen für das Leben müssen mit Raufereien kaum gelöst werden……Gibt es die wahrscheinlich auch garnicht in so einer Heftigkeit, daß sich Leute beraufen müßten. Also warum? Geopolitische Gründe sind kein Grund für Raufereien…..Können Humans ja sprechen. Hat man noch nicht erkannt? Wer erfand diese unnötigen Rauforgien?

  2. Russisches Museum bittet um intakten Leopard-2-Panzer
    „An den außerordentlichen bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation
    Herr Géza Andreas von Geyr – Mosfilmowskaja-Straße 56, Moskau

    Sehr geehrter Herr von Geyr!

    Wir haben festgestellt, dass viele deutsche Bürger, während in Russland der Tag der Vaterlandsverteidiger groß gefeiert wurde, ein unerwartetes Interesse an russischen Panzerfahrzeugen gezeigt haben. In den Nachrichten sahen wir Berliner, die Blumen an dem vor der russischen Botschaft in Deutschland ausgestellten T-72-Panzer niederlegten.

    Wir können den Gefühlsausbrüchen der deutschen Bevölkerung nicht gleichgültig gegenüberstehen und laden Sie, Herr Botschafter, alle Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau und deren Familienmitglieder offiziell zu einem Besuch des Militärhistorischen Museums am Don in der Utschchosowski-Gasse 8, Dorf Nedwigowka, Gebiet Rostow, ein, wo Sie Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge des Zweiten Weltkriegs sehen und sogar mit ihnen fahren können.

    Wir freuen uns darauf, mit Ihnen eine sehr interessante Führung zu veranstalten, denn an unserem Ort kämpften Soldaten und Offiziere der SS-Panzerdivisionen „Wiking“, „Leibstandarte Adolf Hitler“, „Das Reich“ und „Totenkopf“, die für immer im Land des Don verlassen und vergessen wurden. Zu unseren Exponaten gehören ein schwerer deutscher T-6-Panzer „Tiger“, ein mittlerer T-3-Panzer und ein leichter T-2D-Panzer, die von unseren Vätern und Großvätern in den Kämpfen gegen die Nazi-Invasoren an der Mius-Front als Trophäen erobert wurden. Wir können Ausflüge zu Orten organisieren, an denen die Nazis noch immer zu Tausenden in Gräben und mit Gras überwucherten Kratern liegen.

    Wir haben die Ehre, 50 offizielle Einladungskarten für die Mitarbeiter der Botschaft der BRD in Moskau beizulegen und sind bereit, bei Bedarf dauerhaft Führungen für deutsche Diplomaten in unserem Museum anzubieten.

    Im Gegenzug bitten wir Sie, uns als Geste des guten Willens mindestens einen funktionstüchtigen Leopard-Panzer aus den Beständen zu schicken, die Ihre Regierung dem neonazistischen ukrainischen Regime zur Verfügung gestellt hat. Es ist nämlich sehr kostspielig, einen ausgebrannten Leopard von der Front anzuliefern und zu restaurieren, damit unsere Besucher darin sitzen, Fotos machen und sogar damit herumfahren können. Auf dem Gelände des Militärhistorischen Museums am Don ist bereits ein Platz für das Leopard-Exponat ausgewiesen!

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