Gedanken eines Hartz4- Empfängers

Gastbeitrag von Rainer

Liebe Menschen da draußen,

nach aufopferungsvoller harter fast 30-jähriger Arbeit bin ich inzwischen zum Hartz4-Empfänger geworden. Mit Mitte 50 und leicht gehbehindert bin ich auf dem Arbeitsmarkt kaum noch vermittelbar. „Dann können sie sich ja  als Kassierer im Supermarkt (sitzende Tätigkeit)  bewerben“, so die freundliche Dame im Job-Center. Meine Frage daraufhin an die nette Systemdame: Haben Sie schon mal in einem Supermarkt einen über 50-jährigen an der Kasse gesehen? Dort sitzen doch nur junge weibliche Sklaven für einen Hungerlohn oder als Minijob. Können sie das wirklich verantworten, was sie den sozial schwachen Menschen hier antun?

Ich kam mir inzwischen wie in einer Kühlkammer vor, weil die systemfreundliche Dame eine extreme Kälte ausstrahlte, so als wenn ich Frau Merkel im Fernsehen sehe. Nachdem ich zu passiv bei einigen Jobvorschlägen war, wurde der Sklavensold gekürzt. Also musste ich sparen.

Als Hartz4-Empfänger und Raucher habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine Rauchersucht preiswerter gestalten könnte. Ganz aufhören zu rauchen kann ich bei diesem Elend und dem Volksbetrug im besetzten Deutschland nicht. Meine Idee, weniger fürs Rauchen auszugeben, hat sich zu einer Denksportaufgabe entwickelt, die ich nun näher ausführen möchte.

Ein Tabakbeutel reicht für etwa 35-40 selbstgedrehte Zigaretten. Vor einigen Tagen habe ich 36 Kippen nicht in den Müll geworfen, sondern gesammelt und den Resttabak rausgepult.  Von dem Tabak aus 3 Kippen konnte ich mir eine neue Zigarette drehen. Nun meine Frage:

Wieviel Zigaretten konnte ich mir aus 36 Kippen zusätzlich drehen?

So naiv wie ich früher war, habe ich als Arbeiter regelmäßig SPD gewählt. Ich war auch gewerkschaftsorientiert. Seit Schröder/Fischer hat sichs bei mir ausgewählt. Als Hartz4-Empfänger wird man schnell ausgegrenzt. Kneipenbesuche mit alten Kumpels sind nicht mehr drin. Ich hocke zwangsläufig viel zu Hause. Als H4-Empfänger musste ich natürlich auch eine kleinere Wohnung mieten, was in der heutigen Zeit nicht so einfach ist. Eine überlebensfähige Rente kann ich mir auch abschminken.

Danke an die Redaktion für die Veröffentlichung meiner Gedanken und vielen Dank für die tollen Kommentare hier.

LG

Rainer

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Gedanken eines Hartz4- Empfängers
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3 Kommentare

  1. Hallo Rainer,

    ich bin EU-Rentner mit aufstockender Grundsicherung. Ich rauche zwar nicht und vermisse auch keine Kneipenbesuche, weil ich auch keinen Alkohol trinke, aber ich esse gerne…

    Und gutes gesundes Essen in reichlichen Portionen gibt es in der Situation ja ebenfalls nicht.

    Der ganze Terror im JobCenter hat meinen damals schon nicht optimalen Gesundheitszustand drastisch verschlechtert. Insbesondere fünf erzwungene Umzüge quer durch Deutschland in unter drei Jahren haben meinen sozialen Bezügen und meiner Gesundheit den Rest gegeben.

    Nach einer ungerechtfertigten Sanktion, weil ich am Ende nicht mehr zu einer Arbeiststelle am anderen Ende der Republik pendeln wollte. Abends um 22 Uhr 30 losfahren und dann um 19 Uhr am Folgetag wieder am Bahnhof ankommen, durfte ich 5,5 Jahre dem Geld hinterherlaufen.

    Dass danach die sogenannte Arbeitsbeziehung gelitten hatte, haben auch die Mitarbeiter des JobCenters gemerkt. Die hatten dann eine so große Angst vor mir, dass sie sich immer nur zu zweit mit offener Tür als Fluchtweg mit mir unterhalten haben. Und mir dann sehr bald den Weg in die Rente geebnet.

    Gut an der Situation ist v.a., dass der Terror des Förderns aufgehört hat und das wenige Geld immer pünktlich auf dem Konto ist. Keine falschen Berechnungen mehr. Alles funktioniert.

    Meine Wohnung im Plattenbau ist scheisse, aber sie ist sicher, auch wenn ich mehr duschen oder mehr heizen würde, als ich das im Moment tue, weil sie billiger als die Wohnungen bei anderen Vermietern ist.

    Ich gebe zu, dass ich mit Harz 4 und Grundsicherung geizig geworden bin. Allein für meine Hobbies gebe ich noch ein bisschen Geld aus: Elektronik basteln, Computer und 3d Druck. Allerdings sind auch da die Ausgaben moderat und jedes Teil wird direkt in China bestellt oder gebraucht gekauft.

    Ich hatte auch mal einen Garten, aber nach Einbruch und Diebstahl von für mich kaum ersetzbarem Werkzeug habe ich das Kapitel erstmal hinter mir gelassen. 

    Bei mir steht bald die Erneuerung oder Reparatur der Waschmaschine an. Die bräuchte schon seit Jahren neue Lager und Stoßdämpfer. Zum Glück kann ich das meist selber reparieren und brauche nur die Ersatzteile.

    Aber das Risiko, dass nach einer Reparatur das Ding nicht wieder läuft, ist so groß, dass ich mich bisher nicht dran getraut habe. Denn da fehlen 400-500 Euro auf dem Konto, um zur Not ein neues Gerät für die nächsten 10 Jahre anschaffen zu können.

    Gerade habe ich meinen Bürostuhl repariert. Der hat ein neues Sitzpolster bekommen und wird jetzt wieder viele Jahre weiterbenutzt werden. Jedes Mal wenn ich draufsitze freue ich mich, weil der jetzt besser ist als er das war, als er neu war.

    Mein ökologischer Fingerabdruck ist so drastisch klein, weil ich weder Auto noch Bus noch Bahn fahre, extrem wenig Strom verbrauche (meinen Kühlschrank habe ich aus Kostengründen abgeschaltet), sehr wenige Dinge neu kaufe, Altes repariere und alles so eingerichtet habe, dass ich wenig "Verbrauchsmaterialien" und laufende Kosten habe.

    Ich habe zwar auch einpaar Schätze aus den Zeiten vor dem offenen Strafvollzug Grundsicherung und Harz 4. Aber leider altern die Dinge eben auch. 

    Ich will aber nicht alles nur schlecht darstellen. Ich habe die Zeit, jeden Tag Sport zu machen. Zwar kein teueres Fitnessstudio oder Schwimmbad aber eben lange Spaziergänge (Nordic Walking, Gymnastik) oder mein Rudergerät und Hanteln. Ich kann über Dinge in Ruhe nachdenken. Ich kann viele Dinge tun, die mir Spaß machen.

    Nur eben Beziehungen zu anderen Menschen leiden, weil die meisten Dinge, die man gemeisam tut, eben Geld kosten würden und ich ungerne jedes Mal sagen möchte, dass das für mich nicht möglich ist.

    Das schlimmste an Grundsicherung ist aber, dass man auch keine Geschenke auch nicht aus der Verwandschaft erhalten darf. Da meine Verwandten sehr korrekt sind, hat sich in all den Jahren auch kein einziger Euro zu mir bewegt. Obwohl es denen nicht weh täte.

    Selbst wenn man von Seiten der Behörden die Regel beschließen würde (konjunktiv), die Verwandten im KZ verhungern zu lassen, dann würden sie selbst, wenn sie mit Lebensmitteln davor säßen, keinen Brotkrümel über die Mauer werfen.

    Das nennt sich Obrigkeitshörigkeit… Gute Christen ehemals im Kirchenvorstand eben… Aber auch damit lernt man zu leben.

    Schöne Grüße von der Küste

    Martin

    •  Unterstützung kann man auch auf andere Weise zukommen lassen oder umleiten, sofern gewollt? Yep, in der Not lernt man die Verwandtschaft kennen … oder beim Erben …

    • "Da meine Verwandten sehr korrekt sind, hat sich in all den Jahren auch kein einziger Euro zu mir bewegt."  Vermutlich ist die Korrektheit die Ausrede für nicht schenken zu wollen, weil sie entweder geizig sind oder meinen, Du hättest Dein Schicksal verdient.  Wem es gut geht, weil er sich anpaßt, hat wenig Mitleid für einen "Spinner", der sich nicht anpaßt und dadurch in die Bredouille gerät.

      Immerhin hast Du das Internet, vermutlich wie ich angeflanscht beim Nachbar, und kannst Du den ganzen Tag über Politik und Gott und die Welt philosophieren.  Damit gehört Dir, was unschätzbar ist, Deine Zeit Dir selbst.

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