Frontalangriff auf das solidarische Rentenssystem

Frontalangriff auf das solidarische Rentenssystem

von Peter A. Weber (qpress)

Ammenmärchen von der sicheren Rente: Eine uralte Sau wird mal wieder durchs Dorf getrieben. Die Profiteure aus der Versicherungswirtschaft und der Wirtschaft haben die staatliche Umlagerente unter Beschuß genommen. Angeblich sei sie nicht mehr finanzierbar, nach der erfolgreichen Strategie „steter Tropfen höhlt den Stein“. Dieses Ammenmärchen wird gebetsmühlenartig vorgetragen, was es jedoch nicht wahrer macht. Die Argumente kommen daher mit demographischem Wandel und der Generations-Gerechtigkeit, mit der eine regelrechte Spaltung der Gesellschaft zwischen Jung und Alt betrieben wird. Dabei ist die Produktivität der Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund des Einsatzes neuer Technologien, Kostensenkungen und Stellenabbau (Kündigungsproduktivität) ständig gewachsen. Nur eine Umverteilung des dadurch erschaffenen Profits ist nicht erfolgt. Digitaler Umbau und Roboter sorgen dafür, daß das Schreckgespenst eines Kollapses aus demographischen Ursachen weiter getrieben wird.

 

Neoliberale Kampagne

Die aktuelle Kampagne stammt aus dem Hause des Wirtschaftsministers Peter Altmaier. Sie wird vorgetragen vom sog. „Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie“. Es suggeriert dem unbefangenen Leser, daß es sich dabei um ein unabhängiges Fachgremium handelt. Wenn man sich die Zusammensetzung genauer anschaut … [Lobbypedia], dann läßt sich leicht feststellen, daß die Beteiligten zum allergrößten Teil harten Interssengruppen entspringen. Die da wären: Versicherungswirtschaft, Banken und Wirtschaftsverbänden, lobbyistische Organisationen, Think Tanks und andere Zweckverbände. Sie sind bis auf die Knochen neoliberal eingestellt. Diese Vertreter berufen sich zwar darauf, daß sie in diesem Beirat ehrenamtlich tätig sind, was längst nicht bedeutet, daß sie auch unabhängig urteilen und beraten. Und genau das wäre von einem Gremium der Bundesregierung zu erwarten. Es sollte seine Aufgabe sein, in erster Linie die Interessen der Wähler und Bürger zu verteidigen.

Die neuerliche Propagandaktion mit der Androhung von einem Renteneintrittsalter von zunächst 68 und dann von 70 Jahren sowie weiter bis unter das Existenzminimum sinkenden Nettorenten (35 – 40 % !!!) beabsichtigt offensichtlich die Zerschlagung des staatlichen Rentensystems. An diese Stelle, so der neoliberale Traum, soll vorzugsweise die 100 %ig private Altersversorgung treten. Daran können sich die Konzerne eine goldene Nase verdienen. Wobei der Staat planmäßig mit Subventionen die Kassen der Kapitaleigner füllen darf. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer, die sich eine derartige Versicherung nicht leisten können, dürften am Ende in die Armutsrente fallen.

Distanzierung als Wahlkampfmasche

Interessant ist zu beobachten, daß selbst Teile der Union verhaltene Kritik an diesem Frontalangriff auf die Existenz von Millionen Menschen üben. Aber ernst nehmen darf man diesen Versuch nicht, denn wir haben schließlich Wahlzeit! Noch heuchlerischer ist die gespielte Bestürzung von SPD-Scholz. Er gaukelt den lupenreinen Sozialdemokraten vor, es handele sich um eine astreine opportunistische Verhaltensmaßnahme aus wahltaktischen Gründen. So, als ob die SPD in den letzten Dekaden niemals an der Regierung beteiligt oder sie sogar geführt hätte. Mithin gehört sie zu den Hauptverantwortlichen der Rentenmisere.

Grundlegende Rentenreform

Die an den Haaren herbeigezogene Rentenlüge ist nicht tot zu kriegen. Leider Gottes fallen noch viel zu viele Menschen in naiver Weise darauf herein. Folglich brauchen wir eine grundlegende Umstrukturierung unseres Rentensystems, bei dem alle Versichertengruppen, auch die Beamten, in ein einheitliches Konzept der Finanzierung eingebunden sind. Dabei muß die Einnahmesituation verbessert werden – und stärkere Schultern sollten auch mit höheren Beiträgen beteiligt werden, wobei die Bemessungsgrenzen erheblich nach oben zu verschieben sind. Jedenfalls kommen wir nicht an der Lösung vorbei, daß eine sozialere und gerechtere Grundlage für die Rente geschaffen wird, in die alle einbezogen werden müßen. Hier noch ein aktueller Ausblick auf das Geplante: Rente mit 68? Diese Jahrgänge wären betroffen … [NTV].

Auszug aus Buchbetrachtung „Die große Rentenlüge“ von Holger Balodis und Dagmar Hühne:

„Fake-News gab es schon lange vor Trump. Ein Beispiel ist die zum Fakt erhobene These, die demografische Entwicklung erlaube keine ordentlichen Renten mehr. Auf derlei Unsinn basieren die Riester-Reform und die geplante Absenkung der Renten auf ein Armutsniveau für breite Schichten. Dazu kommt die Behauptung, private Vorsorge könne all das ausgleichen oder verhindern. Sie wäre effizienter und besser als die gesetzliche Rente. Genau das ist es, was wir für „die große Rentenlüge“ halten. Und weil nahezu alle politischen Parteien in nahezu skandalöser Weise an dieser Lüge beharrlich festhalten, mussten wir ganz einfach dieses Buch schreiben.“

„Wir beobachten die deutsche Sozialpolitik seit Jahrzehnten und müssen feststellen: Keine Lüge oder Irrtum (im Falle jener Politiker, die guten Glaubens ernsthaft davon überzeugt sein sollten!) hält sich so hartnäckig wie die Rentenlüge, nach der quasi zum Naturgesetz erhoben wird, dass niedrige Geburtenraten zu niedrigen Renten führen müssen. Dabei widerspricht dies fundamental allen Erfahrungen, die wir machen durften. Wir konnten entweder aus eigenem Erleben, Erzählungen oder Geschichtsbüchern feststellen, dass seit über 100 Jahren – nur unterbrochen von einem kurzen Intermezzo Anfang der 1960er Jahre – die Geburtenraten sinken. Das war aber nicht mit zunehmender Verelendung verbunden, sondern mit steigendem Wohlstand, kürzerer Arbeitszeit, mehr Urlaub, höheren Löhnen und auch höheren Renten. Die Produktivitätssteigerungen waren so hoch, dass sie für Arbeitnehmer wie Rentner mehr Wohlstand möglich machten.

Der demographische Wandel ist der falsche Maßstab

Frontalangriff auf das solidarische RentenssystemMit anderen Worten: Es gibt den demografischen Wandel. Doch erstens liegt er ganz wesentlich schon hinter uns und zweitens hat er keineswegs geschadet, weder der Gesellschaft im Allgemeinen noch der Rente im Besonderen. Und es gibt keinen erkennbaren Grund, weshalb dies in Zukunft anders sein sollte.“

Im Artikel des Kritischen Netzwerks mit dem Titel „Plan zur Rettung der Rente: Rente rauf! – So kann es klappen.“ werden eine Menge an Anregungen gegeben, wie das einzig soziale öffentliche Rentenversicherungs-System erneuert und auf sichere Füße gestellt werden kann. Und dies alles ohne Kapital-, Riester, oder privater Betriebsrente.

Zitat:

„An Stelle der Versicherung aus einer Hand trat nun ein dreigliedriges System aus gesetzlicher Rente, privater Riesterrente und hauptsächlich auch privater Betriebsrente. Damit werden jetzt für die angeblich gleiche Leistung die Arbeitnehmer erheblich zusätzlich belastet, während die Arbeitgeber durch niedrige Sätze zur gesetzlichen Rentenversicherung in Milliardenhöhe entlastet werden.“

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5 Kommentare

  1. Weniger Islamisierung und EU entspannt die Kassen. Die GKV steht auch vor der Pleite !

    Fakt ist, dass die Krankenkassen spätestens seit dem Beginn der Pandemie massive Finanzprobleme aufweisen. Im Jahr 2020 mußte der Bund 14,5 Milliarden Euro als Zuschuß dem Gesundheitsfonds zukommen lassen. Im übrigen war das schon seit dem Jahr 2017 der Fall. Anders formuliert – die Coronakrise wirkt auch in dem Kontext als Brennglas und Brandbeschleuniger zugleich. Kein Wunder also, dass im Wahljahr 2021 der Bundeszuschuß von 14,5 auf 19,5 Milliarden Euro erhöht werden mußte. Die spannende Frage ist, ob die 19,5 Milliarden Euro ausreichen werden. Gut möglich, dass diese Summe unter dem Strich nur bis zum Wahltag Ende September reichen wird. Dann ist es an der neuen Regierung, das Loch zu stopfen oder eben nicht. Zumindest dürfte es so sein, dass das Gros der gesetzlichen Krankenkassen bis zum Bundestagswahltag ohne größere Beitragssteigernungen wohl durchhalten wird !

  2. Die Riesensauerei ist, dass jetzt suggeriert wird, dass wegen der Renten gigantische Steuererhöhungen notwendig sind.

    Die versuchen jetzt davon abzulenken, dass die Steuererhöhungen wegen der völlig unsinnigen verbrecherischen Willkürmaßnahmen der Regierung (mitgetragen von der Opposition außer der AfD) anstehen. Das wollen die jetzt den Rentnern in die Schuhe schieben, um sich rein zu waschen. Die Politiker und Journailletypen sind der letzte Verbrecherdreck!!!

    Kein Wort davon, dass Leute, die nie in das Rentensystem eingezahlt haben, trotzdem durch dieses alimentiert werden und dass die Regierungen sich immer wieder an den Rentenkassen "vergriffen" haben und das Geld zweckentfremdet verschleudert haben.

     

    https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/rente-mit-68-das-rentensystem-implodiert-es-drohen-gigantische-steuer-erhoehunge-76670940,view=conversionToLogin.bild.html###wt_ref=https%3A%2F%2Fm.bild.de%2Fbild-plus%2Fpolitik%2Finland%2Fpolitik-inland%2Frente-mit-68-das-rentensystem-implodiert-es-drohen-gigantische-steuer-erhoehunge-76670940%2Cview%3DconversionToLogin.bildMobile.html&wt_t=1623352845259

     

        • KKR-Übernahme ist bekannt, doch es bleiben die gleichen Leute. Was man nicht alles tut für sein Geld? Wendehalst man mal eben um 180 Grad. Wessen Brot ich freß dessen Lied ich sing oder wie war der Spruch. Kann man die noch ernst nehmen? Haben genug Schaden angerichtet.

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