Fehlende Kalorien im Ernstfall

FINCABAYANOGastbeitrag von Stefan Mudry (Finca Bayano)

Unter „Crash- Bedingungen“ würden Nahrungsmittel zur Mangelware. Ohne Pestizide, ohne chemische Düngemittel und ohne billige Energie für landwirtschaftliche Maschinen, die Bewässerung, den Transport und andere moderne Errungenschaften könnte nur ein Bruchteil der Lebensmittelnachfrage befriedigt werden. Wären wir darauf angewiesen, unsere Lebensmittel organisch zu erzeugen, müssten wir entweder mit einem Bruchteil der heute zu Verfügung stehenden Kalorien auskommen oder nur ein Bruchteil von uns könnte überleben.

Wer davon ausgeht, dass ein Zusammenbruch des Systems in naher Zukunft wahrscheinlich ist, bereitet sich möglicherweise auf dieses Szenario vor. Es gibt haufenweise Werbung über Wasserfilter, Konservendosen, Waffen und viele andere Dinge, deren Besitz im Falle einer Krise von Vorteil wäre. Es gibt aber kaum Aussagen darüber, an welchem Ort und unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenbruch des derzeitigen Systems überlebt werden kann. Vor allem fehlen Hinweise darauf, dass Mitteleuropa aus verschiedenen Gründen nicht geeignet ist. In diesem Bericht gehe ich darauf ein, dass die Lage des Zufluchtsorts wichtiger ist als die Vorbereitung insgesamt.

Gibt es dort, wo du deinen Zufluchtsort hast, genügend Nahrung? Diese Frage ist einfach zu beantworten. Finde heraus, wie viele Kalorien das Land unter natürlichen Bedingungen produzieren kann und teile die Anzahl der Kalorien durch die Anzahl der Menschen, die dort leben. Vergiss aber nicht, dass du im Falle eines Zusammenbruchs deine Nahrung selbst erzeugen musst. Dazu bedarf es körperlicher Arbeit und mehr Energie; Konserven sind nur für den Notfall geeignet. Wenn nach deiner Berechnung die Anzahl der täglich zur Verfügung stehenden Kalorien unter 2.000 liegt, wären das im Ernstfall bereits Stressbedingungen. Würdest du aber auf reichhaltige Mahlzeiten bestehen, die du heute genießt, müsstest du in Zeiten leerer Regale die fehlenden Kalorien anderen wegnehmen. Und zwar mit Gewalt, denn andere würden ihre Nahrung so verteidigen wie du deine verteidigen würdest. Anderen wären aber in der gleichen Situation wie du; ihnen würden auch Kalorien fehlen, welche sie dir möglicherweise wegnehmen würden – mit Gewalt. So, oder ähnlich, könnte sich die Lage in einer dünn besiedelten ländlichen Gegend darstellen.

Die Situation ändert sich jedoch drastisch, wenn du in der Nähe einer Stadt lebst. Welche Formel könnte in diesem Fall zur Berechnung der zur Verfügung stehenden Kalorien herangezogen werden? Das ist schwer zu sagen. Es würde davon abhängen, wie viele Menschen sich entscheiden würden, in die Gegend zu kommen, wo du deinen Zufluchtsort hast und es würde davon abhängen, wie viele von ihnen lebendig ankämen. In beiden Fällen handelt es sich um Unbekannte. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass alle, die stark genug sind, anzukommen, keine Nahrung mitbringen. Im Gegenteil: Sie kommen, um sich Nahrung zu holen. Und zwar von dir – möglicherweise mit Gewalt. Füge die Anzahl dieser hungrigen Seelen zu der Zahl der Personen hinzu, die Grundlage deiner ersten Rechnung waren und berechne die zur Verfügung stehende Nahrung nochmals. Wenn das Ergebnis im Bereich von 1.500 Kalorien pro Tag und Person liegt, ist im Ernstfall von gravierenden Problemen auszugehen. Wenn nur 1.000 Kalorien pro Anwärter übrig bleiben – oder sogar noch weniger – stellt sich die Frage des Überlebens. Nun könntest du sagen, dass du eine Waffe hast. Dein Nachbar hat aber auch eine. Du hast mit Konserven vorgesorgt? Aber wie lange dauert es, bis du krank wirst?  So kann das Problem der fehlenden Kalorien nicht gelöst werden. Ich will gar nicht erst die Zeit verschwenden, die Situation in den Städten zu erörtern, denn dort kann so gut wie nichts Essbares hergestellt werden. In einem worst-case-Szenerio würde mit hoher Wahrscheinlichkeit alles, was größer als ein kleines Dorf ist, zum Schlachthaus.

Es ist vollkommen unmöglich vorher zu sehen, wann Versorgungsunterbrechungen auftreten, wie lange diese anhalten und vor allem, welchen Grades ein möglicher Zusammenbruch sein könnte. Einerseits kann es jederzeit und plötzlich passieren, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Entwicklung über Jahrzehnte hinzieht und der Zustand nicht als Zusammenbruch empfunden wird. Die Situation würde sich nur permanent verschlechtern. Ein Salami-Crash, sozusagen. Um dich vorzubereiten, könntest du dein Haus zur Festung ausbauen, um unter ‚weniger friedlichen Bedingungen‘ leben zu können. Aber wie viel ‚weniger friedlich‘ darf es außerhalb des Hauses werden, um sich drinnen immer noch sicher zu fühlen? Manche glauben, dass sich die Situation nach drei Monaten wieder normalisiert. Aber warum gerade drei Monate? Es kann drei Jahre dauern, oder noch länger. Kann jemand so lange in einer Festung bleiben? Die Turbulenzen sind möglicherweise noch nicht zu Ende, wenn Nahrung und Wasser knapp werden oder kein Feuerholz mehr vorhanden ist. Folglich ist ein Zuhause kein sicherer Zufluchtsort, nur weil es dein Zuhause ist. Es sei denn, es ist an der richtigen Stelle unter den richtigen Bedingungen.

Aber wo besteht dann die Möglichkeit, sich vorzubereiten und wo existieren gute Bedingungen? Sicherlich nicht in der Stadt und in dicht besiedelten Gebieten. Ebenso wenig sind Orte geeinet, die wegen der dort herrschenden Voraussetzungen Ziel vieler anderer sein werden, die sich auf der Suche nach Nahrung befinden. Wie wäre es aber mit einem Ort, wo es genügend Wasser gibt und eine Verknappung von Lebensmittel nahezu ausgeschlossen ist? Ein Ort mit den besten Voraussetzungen, die Krise zu überleben.

Die Finca Bayano liegt in einem sehr dünn besiedelten Gebiet im westlichen Panama. Wir horten keine Konserven voller Chemikalien, deren Verfallsdatum das Jahr 2030 ist. Saatgut ist für uns viel wichtiger. Es gibt keine Ravioli, aber wir vermissen sie auch nicht. Stattdessen gibt es frische Papayas, frische Bananen und viele andere Früchte und Gemüse.  Wir laufen wir nicht Gefahr verseuchtes Wasser zu trinken, da es aus unserer Quelle kommt. Daher brauchen wir auch keine Wasserfilter. Ferner gibt es das ganze Jahr über Früchte mit hohem Flüssigkeitsanteil mit den notwendigen Vitaminen. Selbst im Fall, dass andere uns alle unsere Lebensmittel wegnehmen – was schwierig wäre, weil wir sehr viel davon haben – wären wir noch in der Lage, zu überleben, da frisches Obst und Gemüse jeden Tag wächst. Wir graben auch keine Bunker, in welche kein Sonnenlicht fällt und wir bauen keine Festungen, die belagert werden können. Stattdessen pflegen wir gute Beziehungen zu unseren panamaischen Nachbarn im Dorf. Wir unterstützen die Dorfbewohner bei einem Wasser-Projekt und einige Panameños arbeiten auf der Finca Bayano. So bereiten wir uns auf eine ungewisse Zukunft vor. Wir bevorzugen einen Ort, wo es Wasser und Nahrung in Hülle und Fülle für alle gibt, die dort leben.

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