Europas vertane Chancen! Teil VI/VI

von Heiner Hannappel (fortunanetz)

Die USA greifen nicht ein wie zu früheren Zeiten und lassen zu vieles geschehen und überlassen dem Chaos das Regime! Und ein jeder fragt sich, warum? Ziehen sich die USA in eine verhängnisvolle Isolation zurück, welches aber nicht ihrer Interessenlage entsprechen würde?

Warum greifen wir Europäer nicht ein, obwohl diese bedrohliche Situation quasi vor unserer Haustüre liegt und lichterloh brennt. Warum ist die westliche Welt so inaktiv?

In der Vergangenheit übernahmen die USA, da sie die überlegenen Streitkräfte besaßen, regelmäßig die Rolle als Weltpolizist. Die finanziellen Ressourcen schöpften die USA seit 1971, der Auflösung der Dollarbindung an die Golddeckung durch den Petrodollar. Alle Welt musste um Öl, Gas und Rohstoffe zu kaufen, diese in Dollar bezahlen. Auch der weltweite Handel wurde überwiegend in Dollar abgewickelt. So entstand eine ungeheure Nachfrage in den Dollar jenseits der Stärke der US-Wirtschaft. Da die USA ihre Werkbänke nach Japan, später China abgegeben haben, schrumpfte ihre Wirtschaftsleistung, somit auch das BIP. Dem gegenüber stiegen unaufhörlich die Kosten der vielen Kriege weltweit und belasteten jeden US-Haushalt weit über seine Einnahmen hinaus.

Da aber den Anlegern so langsam schwante, dass sie Ihr Geld eventuell nie mehr wiedersehen könnten, was sie in den unersättlichen USA immer wieder anlegten und die Zinsen gegen null lagen, suchte sie sich andere Anlagemöglichkeiten.

Um aber die gewohnte Politik einer weltweit agierenden Supermacht weiterführen zu können, finanzierten sich die Vereinigten Staaten über die Druckerpresse der US-FED in einer Größenordnung von 85 Milliarden Dollar monatlich. Bislang haben also die US-Banken, denen die FED gehört, ca. 4,9 Billionen Dollar wertlosen Buch- oder Papiergeldes in den Schlund der Regierungsschulden gestopft. Da aber der US-Dollar Weltleitwährung ist, verschuldeten sich die USA mit dem so inflationären Dollar in der ganzen Welt bis zur Halskrause und verstreuten Ihre hausgemachte Inflation weltweit. Der unsägliche US-Präsident Bush Junior verbot 2006 sogar die Veröffentlichung der Geldumlaufmenge „M3“. Seither kann die Welt nur noch raten, welchen Wert der Dollar eigentlich noch hat. Trotzdem ist dieser schwindsüchtige Dollar immer noch bei allen Beteiligten bei Wirtschaft und Handel der Referenzpunkt und die USA benutzen die Instrumentarien Ihrer Währung, der Wall Street, ihrer Banken gnadenlos, um andere Banken, auch europäische Banken bei Verstößen gegen die amerikanische Justiz, Interessen und Richtlinien mit Milliardenbeträgen abzustrafen. Mit welchem Recht eigentlich?

Die Verfügungsgewalt der Amerikaner im globalen Finanz-System wird für viele Staaten immer mehr zu einem Anachronismus, der nicht länger hinzunehmen ist.

Die USA winden sich nun in einem Schuldensumpf von über 17,8 Billionen Dollar Staatsschulden und ca. 65 Billionen Dollar Schulden von Staat und Bürgern. Nimmt man die impliziten und expliziten Schulden, also auch die Pensionszahlungen der Zukunft und andere Verpflichtungen des Staates zusammen, stehen die USA in einem Schuldensumpf von über 200 Billionen Dollar!

Dass bei einer derart hoffnungslosen, nie bedienbaren Verschuldung der USA hier die Welt so langsam das Vertrauen in die US Währung verliert und sich auf andere Wege begibt wie es die BRICS – Staaten wie China, Russland, Indien, Südafrika und Brasilien, bald auch die Türkei tun, ist logisch und verständlich.

Diese beschlossen schon ein Gegenstück zur Weltbank und des IWF und sind so dabei, dem Dollar als Perpetuum mobile der US Selbstfinanzierung das Wasser abzugraben, was aber gegen die US Staatsdoktrin verstößt, welche eben von allen Staaten der Welt den Dollar als alleiniges Zahlungsmittel für Gas, Öl und andere Rohstoffe verlangt um am Petrodollar prächtig ohne jegliche Eigenleistung zu verdienen. Die Vereinigten Staaten hatten als sie die Golddeckung des Dollar nicht mehr gewährleisten konnten, dieses System beendet. Am 15.August 1971 kündigte US-Präsident Richard Nixon die Goldbindung des Dollars auf. Alle Nationen, die die bislang mit Gold gedeckte Dollarreserven hatten, saßen mit einem Schlag auf Unmengen wertlosen Papiergeldes und kamen sich zurecht bestohlen vor. Prompt lösten sich die anderen Marktteilnehmer auch vom Goldstandard und wurden wegen des Leitwährungsstatus des Dollars zu dessen verlängertem Arm, auch der Euro.

Die BRICS – Staaten haben nun zum Ziel, untereinander Handel mit ihren eigenen Währungen zu treiben, um den Dollar von ihren Geschäften auszuschließen. Russland praktiziert dies schon mit dem Iran, der Türkei und China. So lässt Putin schon einmal verlauten, dass es nicht einsehbar sei, dass seine Gas- und Öllieferungen an Deutschland und Europa mit dem schwindsüchtigen Dollar abgewickelt werden müssen und genau so gut mit dem Euro bezahlt werden können. Andere Länder könnten in naher Zukunft diesem Beispiel folgen, mit der Folge, dass die Nachfrage nach Dollar drastisch abnehmen würde.

Was wäre denn, wenn Europa von Putin geradezu gezwungen würde, alle Rohstoffe inklusive Öl und Gas in Euro zu bezahlen, weil Russland keinen Dollar mehr akzeptiert?

Was wäre denn, wenn gleichzeitig durch die desolate Situation im Nahen Osten die Öl- und Gaslieferungen höchst gefährdet sind?

Was wäre denn, wenn aus diesen Gründen Europa, oder auch nur Deutschland nichts anderes übrig bliebe, als die Forderungen Russlands zu akzeptieren, um Einbrüche in der Wirtschaft zu vermeiden, oder die Preise für das Heizen der Wohnungen nicht unbezahlbar zu machen?

Was wäre denn, wenn die Bürger in Europa aus diesen Gründen im Winter auf die Straße gehen und protestieren, weil die Regierungen nicht vorausschauend gehandelt haben, um eine derartige Situation unbezahlbarer Strom-, Öl-, wie Gasrechnungen zu vermeiden?

Was passiert, wenn dann in einer Kaskade des Vertrauensverlustes in den Dollar, dieser seinen Status als Leitwährung verliert und die USA dann ihre selbst verschuldete Inflation im eigenen Land erleben müssen und diese Folgen nicht mehr in die Welt exportieren können?

Dann ist der Dollar schlichtweg am Ende und die beherrschende Position der USA in der Welt auch.

Dieses alles wissen die US Regierung und das sie stützende Kapital und werden alles, aber auch alles versuchen, diesen Zustand zu vermeiden, um den Status der US-Hegemonie zu wahren.

Hier liegt künftig ein gewaltiger Sprengsatz zwischen Europa, den USA und Russland.

Hier muss Europa, wenn es denn dazu noch in der Lage ist, Einigkeit und die Stärke eines selbstständigen politisch unabhängigen Wirtschaftsraums demonstrieren, um nicht zwischen den Interessen der USA und Russlands mit den BRICS – Staaten zerrieben zu werden.

Hier liegt aber auch die einmalige Chance, dass Europa wieder selbstbestimmt in der Welt als gleichberechtigter Partner seine Rolle wiederfindet, welche es in den beiden Weltkriegen abgegeben hat.

Das alles versuchen die USA mit allen noch zur Verfügung stehenden Kräften zu hintertreiben und eines dieser Knebelungsinstrumente ist das Freihandelsabkommen TTIP und das ebenso heimlich in der australischen Botschaft ausgehandelte TISI Abkommen.

Es ist mit meinem demokratischen Verständnis völlig unvereinbar, dass diese geplanten Verträge es ausländischen US-Firmen gestatten, einen Einfluss im Gesundheitswesen und kommunalen Angelegenheiten zu bekommen. Zwar wird dieses vom Wirtschaftsminister Gabriel in Abrede gestellt, doch auf den Papieren, welche vorliegen und vom Ersten Deutschen Fernsehen recherchiert wurden, steht nicht, dass meine Befürchtungen ausgeschlossen sind.

Dazu gehört auch, dass die Vereinigten Staaten es versuchen, Europa gegen seine Interessenlage in eine Konfrontation mit Russland hinein zu manövrieren, um dann im Ergebnis wieder auf US Kurs getrimmt zu werden, wobei die wirtschaftlichen US Risiken ungleich geringer sind als die der EU mit ihren Staaten, besonders Deutschland, welche alle so schnell keinen Ersatz für die russischen Lieferungen haben.

Es scheint allerdings so zu sein, dass der Plan der US Regierung aufgeht, denn zu sehr haben die europäischen Staaten ihre Sanktionen gegen Russland schon in Stellung gebracht. Zu sehr ist Russlands Putin darüber verärgert. Und schon existieren Verträge mit China über ÖL- und Gaslieferungen. Was ist denn, wenn Russland später unsere Energiekäufe nicht mehr benötigt, da es sich weitsichtig anderweitig orientiert hat?

Warum sehen wir nicht einmal die Chancen einer von gegenseitigem Respekt und wirtschaftlichen Interessen getragenen Freundschaft mit unserem direkten Nachbarn, der über eine lange Zeit mit seinen schier unerschöpflichen Energievorkommen unseren Energiehunger zu stillen bereit ist?

Warum suchen wir unser Heil immer wieder ausschließlich nur an der angelsächsischen Seite, der finanzielle Macht über alles geht und zu deren Durchsetzung diese auch nicht vor Angriffskriegen zurückschreckt.

Russland hat ein riesengroßes Interesse an wirtschaftlichen Partnerschaften mit der deutschen und europäischen Industrie, weil seine eigene unterentwickelt ist. Bei einer beiderseitigen Interessenlage kann ich hier keine Abhängigkeiten sehen, da wir in der Welt von allem und jedem abhängig sind. Ein selbstbewusstes Europa könnte auch den USA Paroli bieten.

Aber Europa ist eben nicht selbstbewusst! Haben wir durch die NSA-Machenschaften nicht erfahren, wie die USA mit Verbündeten umgehen? Kanzlerin Merkel sollte gegenüber Obama und Putin klare Kante zeigen! Aber das wiederum funktioniert nur, wenn man weiß was man will und da habe ich bei Merkel so meine Zweifel.

Hieraus erkennt man unzweideutig, dass Europa sich von den bankrotten USA schnellstmöglich abnabeln muss, um im weltweiten Machtgefüge überhaupt noch einmal eine Rolle spielen zu können.

Es muss doch möglich sein, zu den USA und zu Russland ein gutes Verhältnis zu haben und für beide Staaten Konkurrent und Partner zugleich zu sein. Dafür muss man ja nicht einmal die Seiten wechseln, sondern nur die eigene Entscheidungshoheit demonstrieren. So eine Haltung nennt man auch Souveränität.

Nur, wenn ich mir die völlig überschuldete europäische Landschaft anschaue, fehlt mir bei dem Egoismus der Einzelstaaten mit deren Wunsch, die Belastungen der Banken und Staatsschulden überwiegend auf Deutschland abzuladen der Glaube an eine weittragende, vorausschauende, zukunftsorientierte Politik und mir schwant, dass das ewige Klein-Klein, einer kurzsichtigen Politik des Weiterwurstelns das Merkmal europäischen Denkens bleibt, da es in Europa keinen Politiker von Format gibt! Genau wie vor 100 Jahren, als eine Politik Bismarcks fehlte, eines Mannes von Format. Kein europäischer Staatsmann konnte sich je mit Bismarck messen und deshalb schlitterte Europa in seine Tragödie, an der es noch heute leidet.

Man bezeichnet Kanzlerin Merkel als die mächtigste Frau der Welt mit einem pragmatischen Politikstil, der vom Ende her gedacht und betrieben wird. Doch wenn ich mir ihren unsouveränen Umgang mit der NSA-Spionagekrise, die verkorkste Energiepolitik, die schon fast US hörige Willensäußerungen zu den Freihandelsabkommen sehe, dieses konzeptlose Taktieren in der Euro- und Finanzkrise, das aktive Hinnehmen von Vertragsbrüchen und das ständige Hinterherhecheln hinter den Folgen dieses, ihres Handelns, fehlt mir der Glaube an die gestalterische Kraft unserer Kanzlerin.

In der Krise um die Ukraine hat die gesamte EU-Führung versagt und die deutsche Regierung hat dies nicht verhindert, weil sie das Gängelband der USA nicht ablegen kann und deutsche Souveränität nicht konsequent praktiziert.

Wissen die USA über die NSA-Spionage zu viel über die Kanzlerin und ihre Regierung? Haben die USA Druckmittel, welche der Normalbürger, selbst die Politik nicht kennt? Warum gibt unsere Politik in entscheidenden Situationen immer klein bei?

Für mich stellt sich in Anbetracht dieser unlogischen, diffusen Winkelzüge unserer bundesdeutschen Politik immer wieder die gleiche Frage, ob unsere Souveränität gleichberechtigt mit unseren Nachbarn existiert, oder ob diese uns nur vorgegaukelt wird?

Frau Merkel ist eine meisterhafte Taktikerin der Macht und hat alle Konkurrenten bislang aus dem Feld geschlagen.

Doch in der Politik für Europa fehlen ihr die Visionen, welche man als Politiker aber braucht, um ein Ziel zu haben, welches man erreichen will.

Bei der Größe anstehender Problemlösungen bräuchten wir einen Politiker von der Statur Bismarcks, doch ein derartiger Glücksfall ist weltweit nicht in Sicht.

Heiner Hannappel
Koblenz
E.Mail: heiner.hannappel@gmx.de

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