Veranstaltung mit Gabriele Krone-Schmalz und Matthias Platzeck im östlichen Brandenburg stiess auf grosses Interesse
von Eva-Maria Föllmer-Müller (zeit-fragen)
Am 25. November 2017 trafen sich im Schloss Neuhardenberg, östlich von Berlin gelegen, die Journalistin und Buchautorin Gabriele Krone-Schmalz und der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg und heutige Präsident des Deutsch-Russischen Forums Matthias Platzeck (SPD) zu einem Podiumsgespräch. Moderiert wurde die Veranstaltung von Frank Mangelsdorf, Chefredaktor der «Märkischen Oderzeitung». Thema der Veranstaltung war «Im Verhältnis: Russland und Europa».
Der Ankündigungstext sprach von einem «gestörten Verhältnis zwischen Russland und Europa» und kommentierte: «Wie belastet die Beziehungen auch immer gerade sein mögen: Beide Seiten stehen einander alles andere als gleichgültig gegenüber, und das Interesse an einem grundsätzlich guten Miteinander kann wohl beiden unterstellt werden. Grund genug also, nach Wegen zu suchen, wieder aufeinander zuzugehen.»
Teilnehmer der Veranstaltung waren etwa 200 Interessierte, viele von ihnen aus Berlin angereist. Bereits drei Stunden, nachdem die Veranstaltung im Juni bekanntgeworden war, hatte es keine Karten mehr gegeben. Nichtsdestotrotz: Noch an der Abendkasse versuchten einige Interessierte ihr Glück. Immerhin liegt Neuhardenberg nicht gerade um die Ecke. Etwa eineinhalb Stunden fährt man von Berlin Richtung Osten, zum Teil über Land durch die Mark Brandenburg, die gewässerreichste Landschaft Deutschlands, mit ihren schönen Baumalleen bis fast hin zur polnischen Grenze.
Russlandversteher – das Beste, was einem passieren kann
Die Teilnehmer kamen ganz auf ihre Kosten, was sich immer wieder am reichlich gespendeten Beifall zeigte. So auch gleich schon zu Beginn, als Gabriele Krone-Schmalz den verbreiteten Negativgebrauch des Begriffes «Russlandversteher» kritisierte, mit dem auch sie immer wieder bezeichnet wird. Sie habe nie verstanden, warum der Begriff «verstehen» so negativ ausgedeutet werden kann, verstehen im Sinne von begreifen sei die Grundlage für vernünftiges Handeln. Man müsse doch erst einmal verstehen, bevor man etwas beurteilen (und nicht verurteilen) könne, um eine Basis für vernünftiges Handeln zu haben. Russlandversteher zu sein sei daher das Beste, was einem passieren könne.
… tausendjährige kulturelle und menschliche Beziehungen
Auf die Frage des Moderators, was in den vergangenen 27 Jahren, seit der anfänglichen Begeisterung im Westen für Gorbatschows Perestroika und Glasnost, mit unserem Verhältnis zu Russland passiert sei, holte Matthias Platzeck aus: Die Ursachenforschung werde wohl noch dauern, aber es sei «gruselig», was passiert sei. Dabei sei Russland ein Land, zu dem wir tausendjährige kulturelle, menschliche und zivilgesellschaftliche Beziehungen haben. Unsere Geschichte sei so eng wie mit kaum einem anderen Land verwoben, mit allen Hoch- und Tiefpunkten. Was wir nicht vergessen dürften: In den Jahren 1989/90 sei eine Fehlentscheidung getroffen worden. Man sei im Westen davon ausgegangen, dass der Westen den Kalten Krieg gewonnen habe. Francis Fukuyama veröffentlichte sein Buch «Das Ende der Geschichte» und rief den endgültigen Sieg von westlicher Demokratie und Kapitalismus aus. Es sollte künftig nur noch eine Supermacht geben. Es gab aber auch die Charta von Paris und den Tenor: «Wir werden ab sofort nur noch friedlich miteinander umgehen.»
Russland gab es damals auch noch. Aber das Land lag am Boden – und der Westen sei damit nicht annähernd angemessen umgegangen. Statt dessen herrschte im Westen die Vorstellung, wir hätten die besten Werte, die beste Demokratie, das beste Wirtschaftssystem. Also bliebe den Russen, wenn es ihnen wieder besser gehen sollte, gar nichts anderes übrig, als so zu werden wie wir. Man frage sich bis heute viel zu wenig, welche Geschichte, welche Traditionen, welche Mentalität dieses Volk habe. Er sei fest davon überzeugt, dass Russland und die Russen für sich einen eigenen Weg suchen und finden werden.
«Ideologische Überstülpereien»
Aber auf Russlands Suche nach einem eigenen Weg habe der Westen mit dem erneuten «Feindbild Russland» reagiert. Dieses Feindbild sei nicht erst gestern entstanden, sagte Gabriele Krone-Schmalz. Im Westen sei immer gesagt worden, wir hätten den Kalten Krieg gewonnen. Aber allein, wenn man das sage, sei der Kalte Krieg nicht vorbei. Wenn er wirklich vorbei sein soll, müssten sich beide Seiten als Gewinner fühlen können. Aber wir hätten alles mit unserem Massstab gemessen: Uns gehe es besser, und wir machten alles besser.
Gabriele Krone-Schmalz spricht aus Erfahrung. Sie war in den Jahren des Umbruchs als Russlandkorrespondentin der ARD in Moskau und hat es selbst erlebt: Alle seien eingefallen und hätten gesagt: Das müsst ihr so und so machen, und jetzt müsst ihr dies und jenes machen. «Diese ganzen ideologischen Überstülpereien haben viel von den guten Ansätzen kaputtgemacht und tun es bis heute», sagte sie. Russland habe drei Revolutionen gleichzeitig bewältigen müssen: erstens den Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft, zweitens von der Vorherrschaft der Kommunistischen Partei hin zu einem rechtsstaatlich orientierten System und drittens von der Sowjetunion zum Nationalstaat. Der Westen habe hierfür wenig Verständnis gezeigt. Statt dessen habe man immer noch mehr westliche Bevormundung draufgesetzt.
«Wenn wir uns das auf Augenhöhe angeschaut hätten …»
Matthias Platzeck weiss, wovon er redet, wenn er über die Auswirkungen der Jelzin-Ära auf das Selbstwertgefühl der Menschen in Russland spricht. So habe man ihm damals erzählt: «Jetzt sind wir gar nichts mehr, wir stellen auf der Welt überhaupt nichts mehr dar.» Wenn man heute «in der Tiefe Russlands» bei einer Diskussion die Begriffe Marktwirtschaft, Demokratie oder Privatisierung verwende, werde es «eisig» im Saal, weil sich für viele Russen damit ihr schlimmstes Trauma der jüngeren Vergangenheit verbindet, nämlich die Jahre 1991–1998, in denen 95 % der Bevölkerung fast alles verloren haben.
«Dass wir das alles so wenig berücksichtigen, so wenig wahrnehmen, hat etwas mit mangelndem Interesse zu tun, sonst hätten wir an manchen Stellen anders gehandelt, wenn wir das alles wahrgenommen hätten, das ernstgenommen hätten, wenn wir uns das auf Augenhöhe angeschaut hätten», fügte Platzeck hinzu.
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Seriöser Journalismus …
Die meisten westlichen Medien haben dabei eine höchst ungute Rolle gespielt. Unter grossem Beifall wies Krone-Schmalz auf die Diskrepanz zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung hin. Auf die Frage des Moderators, ob wir uns zu wenig Zeit nähmen und die Dinge nur schwarz-weiss beschreiben würden, erklärte Gabriele Krone-Schmalz, die auch Journalismus lehrt, was seriöser Journalismus auch heute leisten müsse. Auch wenn heute alles schneller gehen müsse, die Welt komplexer geworden sei, dürfe die Gründlichkeit nicht geopfert werden, und man könne es sich nicht so einfach machen, dass man deswegen die Welt in Gut und Böse einteilt.
Viele Journalisten hätten heute ihr Selbstverständnis dahingehend geändert, dass sie meinten, sie müssten die Menschen auf einen besseren Weg bringen. «Das finde ich fatal.» Demgegenüber habe Journalismus die Aufgabe, «so gut es geht, die ganze Geschichte zu erzählen, nicht nur eine Seite, und auf jeden Fall Perspektivwechsel vorzunehmen, sich also in die Lage von jenen hineinzuversetzen, von deren Lebensrealität ich berichten will, damit ich das besser verstehen und einordnen kann.» Wenn sich aus Gründen der schnellen Orientierung, und weil alles kompliziert ist, ein Mainstream bildet und eine Stimmung entsteht, dass alles, was abseits dieses Mainstreams passiert, auf jeden Fall extremistisch sein müsse oder nicht passe, schaffe man eine Situation, dass sich «Mehrheiten in der Bevölkerung in dieser Presse nicht mehr wiederfinden».
… statt schablonenhafter Berichterstattung
Auch Matthias Platzeck kritisiert die schablonenhafte Berichterstattung. Es sei ein dramatischer Zustand, dass bei so schwierigen Vorgängen, die die Friedensarbeit betreffen, kaum noch differenziert werde. Es sei eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was die Menschen bewegt, was sie denken, und dem veröffentlichten Bild. «Das ist ein Zustand, der sollte uns alarmieren.» Und: «Medien sollen nicht erziehen, sie sollen berichten, was wirklich ist.»
Mit Respekt und gewisser Distanz berichten, was ist
Deutliche Worte fand Gabriele Krone-Schmalz in diesem Zusammenhang zur Berichterstattung über Donald Trump: «Wie ich Trump finde, ist völlig unerheblich. Ich muss als Journalistin erklären, warum er gewählt wurde.» Es könne nicht sein, dass man das auf eine «respektlose Art und Weise macht, weil man selbst den Typ nicht verknusen kann». Es sei viel zu kurz gegriffen, so zu tun, als sei Trump nur möglich gewesen, weil «irgendwelche Dienste da irgendwelche E-Mailaccounts gehackt haben». Das sei «Verdachtsberichterstattung». Man sollte berichten, was ist, und dies mit Respekt und einer gewissen Distanz. Darauf hin müsse man Artikel lesen. Zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und den USA trage es nicht bei, wenn jeder Kontakt zu Russland kriminalisiert werde, eher zu einer Verschlechterung. Ein gutes amerikanisch-russisches Verhältnis sei im Sinne der USA, habe Trump im Wahlkampf gesagt, «und da hat der Mann recht». Aber alles, was er jetzt in diese Richtung unternehme, diene dazu, Vorwürfe gegen ihn zusammenzutragen, «was ihn möglicherweise das Amt kostet».
Wichtig ist: vor Ort sein und Beziehungen pflegen
Matthias Platzeck, der ja ein Jahr lang Vorsitzender der SPD war, wurde vom Moderator auch auf das Verhältnis seiner Partei zu Russland angesprochen. Platzeck antwortete: «Es war ein schöner Abend … bisher.» Politik sei ein Handwerk, man müsse verstehen, was man macht, und das sei aufwendig. Für die Bewahrung des Friedens auf unserem Kontinent genüge es nicht, Papiere zu lesen, man müsse auch vor Ort sein, man müsse Beziehungen pflegen. In den Lebensläufen der Bundestagsabgeordneten finde man sehr viel Amerika, England, Frankreich, man finde öfter Neuseeland als Russland. Egon Bahr habe seine «back-channels» in Moskau immer sehr gepflegt, und wenn eine Situation gefährlich war, konnte er dort anrufen und habe auf gegenseitiger Vertrauensbasis zuverlässige Informationen bekommen. Kenne man sich nicht aus in einem Land, wachse die Gefahr eines Zufallskrieges eminent. Dies sei ein Baustein, wenn man heute von einer «Entfremdung der Völker» spreche. 2017 war das Jahr des deutsch-russischen Jugendaustauschs: «Dieses Jahr ist an uns vorbeigegangen, und das ist ein Alarmzeichen.»
Zweierlei Mass
Angesprochen auf die Frage, ob der Westen mit zweierlei Mass misst, wenn es um Russland geht, antwortet Gabriele Krone-Schmalz spontan, sie habe kein Buch geschrieben, bei dem sie dies nicht thematisiert habe. Jeden Tag könne man etwas dazu schreiben, das habe sich so eingebürgert. «Völlig egal, ob es um Doping geht oder um sonst etwas, dieses zweierlei Mass ist mit Blick auf Russland so etwas von fest etabliert und auch sehr verletzend.» Matthias Platzeck ergänzte: Bei Podiumsdiskussionen in Russland habe er es oft erlebt, wenn es um Völkerrechtsverletzungen seitens Russlands ging, dass er von Russen angesprochen wurde auf die Bundestagsbeschlüsse von 2003 zu den völkerrechtswidrigen Einmärschen der Amerikaner im Irak, die Hunderttausende von Menschenleben gekostet haben. «Warum hat damals keiner von euch nach Sanktionen gerufen?»
Mangelhafte Sensibilität gefährdet Boden der Gemeinsamkeiten
Am Ende der Veranstaltung warf der Moderator die Frage auf, welche Gemeinsamkeiten es noch zwischen Deutschland und Russland gebe. Krone-Schmalz antwortete, es gebe riesige Gemeinsamkeiten, nämlich das Interesse, dass es den Gesellschaften gut geht, dass man gut miteinander auskommt. Die grösste Gefahr sei, dass es auf Grund des Misstrauens, das jetzt da sei, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Das grösste Problem sei, dass die vielen Missverständnisse dazu führen können, «dass Dinge aus dem Ruder laufen, die man nicht mehr einfangen kann.»
Es brauche in Deutschland eine Gedenk- und Geschichtspolitik, sagte Matthias Platzeck, es gebe keine Zukunft, wenn das nicht untereinander geklärt sei. Wir müssten uns die Frage stellen, warum 27 Millionen Opfer des Feldzuges gegen die Sowjetunion, des «schlimmsten Vernichtungskrieges, den die Menschheit jemals gesehen hat», in unserer Gedenkmatrix nicht den gleichen Stellenwert haben wie andere Opfer. Nach diesem Vernichtungskrieg haben uns die Völker der Sowjetunion Versöhnung angeboten, am Ende auch Freundschaft. «Wir sind mit diesem Geschenk nicht annähernd sensibel umgegangen.» Die Zustimmung im Saal war gross.
Dies alles werde in Russland wahrgenommen, und es wachse die Entfremdung. Es gebe zwar eine ausgeprägte Zuneigung zu Europa und besonders zu Deutschland, aber Russland beginne sich nach und nach zu lösen. Diese zunehmende Entfremdung berge eine grosse Gefahr: Wenn man immer weniger wisse über Kultur, Verhaltensweisen, Sprache, könne man den anderen den grössten Unsinn erzählen, weil es keine anderen Erkenntnisse mehr gebe.
Wenn es «oben» nicht klappt … die Bedeutung von Städtepartnerschaften
Allerdings: Bei der kürzlich stattgefundenen Städtepartnerschaftskonferenz im russischen Krasnodar, an der auch die Aussenminister von Deutschland und Russland teilgenommen haben, sei die Stimmung anders gewesen: «Wir lassen uns das nicht kaputtmachen!» Und man habe dort das Jahr der regionalen und kommunalen Partnerschaften ausgerufen. Dies sei eine sinnvolle Initiative, die man jetzt mit Leben füllen müsse. Und unter grossem Beifall fügte er hinzu: «Wenn es ‹oben› nicht klappt, muss es wenigstens ‹unten› stimmen.»
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