Euro-Krise: Keine Lösung

Michael von Prollius (ef-magazin)

Vermögenssicherung als Herausforderung

Die wirtschaftliche Lage in Europa ist ein schwer entwirrbares Knäuel aus bereinigenden Entwicklungen und konterkarierender Geld- und Wirtschaftspolitik, aus deflationären und reflationären Entwicklungen, aus strukturellen Verbesserungen und ungelösten – in der aktuellen Architektur unlösbaren – Systemdefiziten.

Die Euro-Bilanz seit Ausbruch der Krise ist dramatisch schlecht

Wachstum: Die Entwicklung des realen BIP in der Euro-Zone betrug von 2008 bis 2013 minus 1,7 Prozent. In der ersten Dekade (2000 bis 2010), die nach der Lissabon-Strategie der EU Europa zur wachstumsstärksten Region der Welt machen sollte, waren kümmerliche 1,15 Prozent für die EU und sogar nur 1,0 Prozent für die Euro-Zone zu verzeichnen. Deutschland glänzte mit 1,3 Prozent. Die Aussichten bleiben unklar; derzeit wächst nur Deutschland, sonst sieht es mau aus.

Verschuldung: In der Euro-Zone betrug die Bruttoverschuldung 2007 66,2 Prozent, nur sechs Jahre später, 2013, waren es 92,6 Prozent. Die Lage an der südlichen Peripherie zeigt nahezu durchweg Schuldenstände von über 100 Prozent, besonders drastisch fällt der Verschuldungsanstieg für Spanien aus. Die viel kritisierte Austeritätspolitik ist ein Märchen, das auf Steuererhöhungen beruht. Die Aussichten: Die Deutsche Bundesregierung schafft nicht einmal einen Verschuldungsstopp.

Die Arbeitslosigkeit ist in der Euro-Zone ab Mitte 2011 (ohne Deutschland) angestiegen – von zirka sieben Prozent vor Platzen der Weltfinanzblase auf rund 14 Prozent 2013. 20 Millionen Arbeitslose sind in Europa erfasst! Die sich öffnende Schere zwischen Deutschland mit vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit und der übrigen Euro-Zone ist Konsequenz des falschen Wechselkurses: Der deutsche Euro ist unterbewertet, der Euro der südlichen Peripherie ist überbewertet; die Wettbewerbsfähigkeit bleibt unzureichend. Die Aussichten: keine Trendwende in Sicht.

Zudem hat ein dramatischer Einbruch der Industrieproduktion stattgefunden, Deutschland ausgenommen. Er beträgt bis zu einem Drittel in Ländern wie Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Joachim Starbatty sprach von einem „Deindustrialisierungsprozess“.

Die Bereinigung reicht bisher nicht aus.

Zwar nimmt das Wachstum der Euro-Geldmenge ab: 2008 waren es noch zwölf Prozent pro Jahr und 2013 nur noch vier Prozent. Allerdings ist die Geldmenge von 2007 M1: 3,6 Billionen Euro und M3: 7,8 Billionen Euro auf 2014 M1: 5,5 Billionen Euro und M3: 9,9 Billionen Euro gestiegen. Seit 1980 hat sich M3 verzehnfacht, das deutsche BIP aber nur vervierfacht. Als positives Zeichen kann die Entwicklung der spanischen Immobilienpreise dienen (Index – 2001: 1.000; 2008: 2.300; Ende 2013: 1.400). Auch die Euro-Bankkredite schrumpfen. Eine Ursache liegt darin, dass Nachfrager und Anbieter Kredite scheuen und eine Eigenfinanzierung bevorzugen, gegebenenfalls Investitionen verschieben; das wäre ein Indikator für abflauendes Wirtschaftswachstum. Indes stellt der Euro-Bankensektor ein strukturelles Risiko dar. Seine Bilanzsumme ist von 2007 rund 25 Billionen Euro auf 2012 rund 35 Billionen Euro angeschwollen und hatte 2000 nur 15 Billionen Euro betragen. Zum Vergleich: Das BIP der Euro-Zone beträgt weniger als zehn Billionen Euro. Europa ist bekanntlich „overbanked“, und den Banken fehlt eine solide Grundlage. Die Finanzinstitute haben noch zu viele faule Kredite in den Bilanzen, ihre Profitabilität ist zu gering, und die Eigenkapitaldecke reicht trotz Erhöhungen nicht aus, um große Schocks auszuhalten.

Vermögenspreisinflation ist längst Realität

Spekulative Blasen sind unübersehbar geworden. Sie bestehen insbesondere an den Anleihemärkten, durch das künstliche Drücken der Zinsen. Darüber hinaus auch an den Börsen. Von Anfang 2008 bis Anfang 2009 verlor der DAX über 50 Prozent. Seither sind die Kurse wieder um über 160 Prozent gestiegen. Auch die Kosten (Renditen) für Staatsanleihen wurden künstlich gedrückt. Eine Verschuldung ist im Langzeitvergleich billig wie nie zuvor möglich und das bei der höchsten Staatsverschuldung jemals (1,3 Prozent für zehnjährige Bundesanleihen in Deutschland). Kein Wunder, die EZB hat signalisiert, keinen strauchelnden Staat und keine strauchelnde Bank zahlungsunfähig werden zu lassen. Das ermuntert Investoren, inzwischen nicht mehr nur Banken, sondern langfristig agierende institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, Anleihen schlechter Schuldner zu kaufen. Griechenland leiht sich Geld zu einem Zins von unter fünf Prozent, und das nur zwei Jahre nach einem Schuldenschnitt von 90 Prozent und bei einer Schuldenlast von 175 Prozent, also 70 Prozent mehr als vor der Finanzkrise. Deshalb fordert die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Interventionsspirale noch weiter zu drehen. Das staatliche Geldsystem läuft längst wieder auf inflationären Hochtouren: Vor der Finanzkrise wurden pro Quartal riskante Unternehmensanleihen in Höhe von 30 Milliarden Dollar emittiert – inzwischen sind es 90 Milliarden Dollar.

Die Leitzinsen liegen im Euro-Raum, USA und Japan praktisch bei null Prozent, 2007 waren es noch 3,5 Prozent in der Euro-Zone und 5,5 Prozent in den USA. Die Zinsen haben mit der marktwirtschaftlichen Realität nichts zu tun. Hoch problematisch bleibt die Verflechtung Banken-Staat und die damit verbundene Abhängigkeit von billigem Geld (Überschuldung).

Deflation wird verhindert

Deflation ist eine rein politische Entscheidung geworden und wird von der EZB nicht zugelassen. Die Bereitschaft, den Euro-Geschäftsbanken sogar Teile ihrer Kredite abzukaufen, und der Kauf von Staatsanleihen stehen seit langem im Raum beziehungsweise sind Realität. Im heutigen Geldsystem, in dem die Zentralbanken das Monopol der Geldproduktion innehaben, kann die Geldmenge im Grunde jederzeit im gewünschten Umfang ausgeweitet werden. Die Rede von EZB-Chef Draghi vom 26.07.2012 spricht für sich: „The ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro, and believe me it will be enough.“ („Die EZB ist bereit, alles zu tun, um den Euro zu erhalten, und glauben Sie mir, es wird reichen.“) Die EZB hat ein Perpetuum mobile mit einer Gewinngarantie für die Banken und billigem Geld für die Regierungen errichtet.

Allerdings gibt es bisher kein funktionierendes Perpetuum mobile. Die ordnungspolitischen Geldprobleme Europas bleiben ungelöst:

Geldsozialismus: Ein staatliches Währungsmonopol für viele divergente Wirtschaftskulturen.

Fiskalsozialismus: Das Aufrollen von Marktwirtschaft und Gesellschaft durch die Regierungen und Bürokratien von nationaler Ebene bis zur EU.

Zentralismus statt Non-Zentralismus mit einem europäischen Steuerkartell statt Wettbewerb.

Welche Perspektive hat Europa? Keine gesamteuropäische Deflation, aber Stagflation wahrscheinlich.

Szenarien:

Erstens, japanisches Szenario: Fortgesetzter Ausbau der Transferunion (Südeuropa wird absehbar nicht wettbewerbsfähig, Druck zur Schuldenrestrukturierung steigt), weiter steigende Staatsverschuldung, anhaltende Manipulation der Zinsen auf Niedrigstniveau, sinkende Kreditvergabe. Das Wachstum bleibt unzureichend und weiter unter eigentlichem Potential (vielleicht vier bis acht Prozent angesichts der Basisinnovationen). Deflationsstarre. Bestrebungen zur Sezession und zum Euro-Austritt nehmen zu.

=> möglich.

Zweitens, Krisenüberwindung: Die Wettbewerbsfähigkeit wird wieder hergestellt, Zinsen steigen, Investitionen werden wieder attraktiv und steigen, ein boomendes Nordeuropa zieht Südeuropa mit – Aufbruchstimmung entsteht, ein Herauswachsen aus der Schuldenkrise wird möglich, auch in den USA und Japan.

=> unwahrscheinlich.

Drittens, Stagflation: ähnlich wie das Japan-Szenario, aber inflationär. Das Wohlfahrtsstaatsmuseum EU ist gekennzeichnet durch hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit, niedriges Wirtschaftswachstum, teilweise wettbewerbsfähige, teilweise sklerotische Wirtschaften, Bürokratie und Zentralismus (Mindestlöhne, Entlassungsverbote, steigende Lohnkosten); Negativzinsen führen zu Liquidität, nicht aber zu Investitionen, Löhne und Preise steigen, Inflationspolitik und Inflationsspirale gehen Hand in Hand. Weltweit bricht sich eine höhere Inflation Bahn. Niedrige Zinsen machen unverantwortliche Staatsschulden weiter tragfähig, eine relative Verarmung einerseits und Bereicherung andererseits hat ihre wesentliche Ursache im Geldsystem.

=> wahrscheinlich, Durchwursteln mit fortgesetzter Umverteilung.

Vermögenssicherung mit der Perspektive auf einen Börsencrash

Inzwischen mehren sich die Warnungen vor einem Einbruch an den Aktienbörsen. Der den europäischen Gesamtmarkt abbildende Stoxx-600-Index ist nach Stefan Böhm, Chefredakteur des „DaxVestor“, seit Juni 2012 um 48 Prozent gestiegen, die KGV-Bewertung ist mit 17,5 auf den höchsten Stand seit 2002 geklettert. Das sei allein aber nicht für eine Börsenkorrektur ausreichend. Indes warnte Jeremy Grantham, Chef-Investment-Stratege bei Grantham Mayo Van Otterloo & Co., vor einer fundamentalen Börsenkorrektur auf den langfristigen Trend spätestens im Umfeld der US-Präsidentschaftswahlen 2016. Das Trendniveau liegt bei der Hälfte der aktuellen Indizes. Auch Claus Vogt warnte bereits in seinem Marktkommentar vom 7. April angesichts überbewerteter US-Börsen vor einer Halbierung des DAX und der US-Indizes und prognostizierte einen deutlichen Goldpreisanstieg. In der aktuellen Ausgabe von „Krisensicher investieren“ sieht er starke Kaufsignale für Silber und Gold. Und Thorsten Polleit wiederholt im „Degussa Marktreport“ vom 20.06.2014 die Erkenntnis, dass „zwischen Öl- und Goldpreis in der langen Frist ein recht enger, positiver Verbund zu beobachten ist. Öl und Gold sind offen- sichtlich Inflations- und Krisenbarometer zugleich“. Das scheinen Investoren bereits zu beherzigen. Gold und Silber gehören zu den am stärksten gewachsenen Anlageklassen seit Jahresbeginn (9,5 und 6,8 Prozent). Noch scheint Zeit zu sein, sich einzudecken.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Forum Ordnungspolitik.

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Mit den unqualifizierten Polit-Darstellern in Berlin und Brüssel wird es auch keine Lösung geben.

Die explizite und implizite Staatsschuld Deutschlands lag im Jahr 2011 bei 288 Prozent des BIP.

Explizite Staatsschuld = 82 Prozent

Implizite Staatsschuld
· Gesetzliche Rentenversicherung = 85 Prozent
· Gesetzliche Krankenversicherung = 83 Prozent
· Soziale Pflegeversicherung = 38 Prozent

Quelle: „Steht uns das Schlimmste noch bevor?“ (S. 94) [mit Bewertungen und Rezensionen zum Buch]

 

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