Euro-Crash mit Ansage

US-Ökonom Roubini prophezeit Zusammenbruch der Währungsunion in diesem Jahr. Die Prognose bündelt Argumente der Euro-Skeptiker

Von Conrad Schuhler

Nouriel Roubini gilt spätestens seit Krisenausbruch 2007/2008 (Platzen der Immobilien- und Bankenblase) als Star. Damals hatte er die Krise exakt vorhergesagt. Seit Juli 2012 gibt er die Prognose ab, daß der Euro wahrscheinlich das Jahr 2012 nicht überleben wird. Ende August bekräftigt er im Handelsblatt: »Der Währungscrash ist unvermeidlich.«

Die Gedanken des Professors an der New York University bündeln die Argumente der Euro-Skeptiker: Demnach hätten erstens alle bisherigen Maßnahmen nur Zeit gekauft. Auch diesmal werde die Erleichterung nur kurz anhalten. Denn die »Märkte« wüßten genau, was sie bekämen: Die Fiskal-, Banken- und Transferunion oder der Euro löse sich auf. Bis klare Entscheidungen in Richtung stärkere Integration fallen, wetten die Märkte daher auf die Auflösung. Klar sei zweitens auch, daß die Erhöhung der Zinsen für Staatsanleihen in den sogenannten Peripherieländern von drei auf sechs oder sieben Prozent alle »Spar«-Anstrengungen noch so harter Austeritätsprogramme zunichte machen. In Italien zum Beispiel stieg die Zinsspanne seit Februar 2012 um 300 Basispunkte (drei Prozent). Bei einer Staatsverschuldung von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bedeutet dies eine Erhöhung der Schuldenlast um 3,6 Prozent des BIP.

Drittens sei die Lage in den von der Krise besonders betroffenen Staaten miserabel, und sie verschlechtere sich weiter. In Griechenland kollabiere das System in den nächsten sechs Monaten. Die Depression greife weiter um sich, das Bankensystem zerfalle. Es werde dann zu Neuwahlen kommen, die die Syriza – die Linksallianz – gewinnen wird. Der Austritt aus dem Euro wäre die logische Folge. Spanien und Italien verlören ihren Zugang zu den Kapitalmärkten, sie scheiden aus dem Euro aus oder sie werden unter das Kuratel der Euro-Zone gestellt. Dies wäre das Ende der Währungsunion.

Die deutschen Regierung hoffe, sich weitere zwölf Monate durchwursteln zu können und dabei Griechenland mit Finanztransfers am Leben zu halten. Eine Lockerung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) soll helfen, die Zeit zu gewinnen, bis Spanien und Italien aus dem Gröbsten heraus sind. Allerdings geraten beide Länder immer weiter in die Misere hinein. Die deutsche Strategie führe (mit) zum Zerbrechen des Euro.

Der wirtschaftlich stärkste Euro-Staat wollte und wolle um jeden Preis seine Waren absetzen und habe dafür schier unbegrenzt Lieferkredite gewährt. Vieles, wie die Waffengeschäfte mit Griechenland, wurde mit Korruption durchgezogen. Nun wäre Deutschland gefordert, seinen Teil an der Bewältigung der Schulden zu übernehmen, aber es weigere sich.

Ein Problem sei auch, daß Kerneuropa weniger »sparen« und mehr ausgeben müsse, wenn die Krisenländer die Austeritätspolitik fortsetzten. Dahin führten zwei Wege – Konjunkturpakete oder Steuersenkungen, was die deutsche Regierung ablehnt. Oder man erhöht die Löhne. Jahrzehntelang wuchsen diese geringer als die Produktivität. Nun müßten sie einige Jahre stärker als die Produktivitätszuwächse steigen.

Roubini sieht nicht nur die Zukunft in Europa düster, die Weltwirtschaft insgesamt könnte 2013 den »perfekten Sturm« erleben. Die Euro-Zone könnte sich auflösen, die USA könnten die »Fiskalklippe« hinunterstürzen (Fiskalklippe wird der Umstand genannt, daß die USA ab 2013 nach den bisherigen Beschlüssen ihren Staatshaushalt um 4,5 Prozent des BIP kürzen müssen), und das Wachstum Chinas und der übrigen BRIC-Länder (Brasilien, Rußland, Indien, China) könnte sich abrupt abschwächen.

Das Gerüst der Argumentation Roubinis trägt nach wie vor. Die Euro-Gruppe nebst EZB bleibt bei ihrer »Strategie der Trippelschritte« (Sachverständigenrat). Mit der Erklärung von Zentralbankpräsident Mario Draghi (26. Juli) schöpften die Spekulanten Zuversicht, weiter auf eine unsicherere Euro-Zukunft wetten zu können. Draghi bekräftigte, die EZB würde weiter Staatsanleihen kaufen. Aber die Empfängerländer müßten erst einen Hilfsantrag stellen und die Regierungen der Mitgliedsländer sich bereiterklären, Geld aus den Rettungsfonds EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) und ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) für den Ankauf von Anleihen der Krisenstaaten einzusetzen. Sodann wären strenge Auflagen einzuhalten, die zwischen Gebern und Nehmern zu vereinbaren wären. Im Grunde bedeutet die neue Regelung ein Näherrücken an die Devise der deutschen Regierung: Geld nur bei Gegenleistung und scharfer Kontrolle.

Es bleibt also beim Durchwursteln. Die neue »Dicke Bertha« (benannt nach einem berüchtigten Krupp-Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg) in Gestalt des ESM, der mit Banklizenz von der EZB unbegrenzte Geldmittel erhalten und in Käufe von Staatsanleihen stecken könnte, läßt noch auf sich warten. Die Entscheidung, ob der ESM überhaupt je in Kraft treten wird, und wenn ja, in welcher Form, liegt beim Bundesverfassungsgericht. Dieses entscheidet am 12. September über die Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsbeschlüsse über ESM und Fiskalpakt. Das Gericht müßte getreu der Linie, daß der Abwanderung von Macht nach Europa neue demokratische Regulierungen zu folgen hätten, neue verfassungs- und demokratierechtliche Konstruktionen vorschreiben. Wie der Urteilsspruch auch ausfallen wird, er wird auf jeden Fall zu einer weiteren Zeitverzögerung führen.

Dieser Zeitverlust wird der offiziellen »Euro-Rettung« nicht gut bekommen. Denn die »Problemstaaten«, die noch nicht vollständig pleite sind, nähern sich dieser mit Riesenschritten. Das Drama nimmt seinen Verlauf, so wie Roubini es voraussagt.

Aus isw-report 90 »EURO-ZONE – Inkassobüro für die Banken? Zerbricht der Euro? Kraft für ein soziales Europa?«

Quelle: jungewelt 

 

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