EU und USA erhöhen Druck auf Ukraine

Von Peter Schwarz (wsws)
4. Februar 2014

Die Europäische Union und die USA haben die Münchener Sicherheitskonferenz vom Wochenende genutzt, um den Druck auf die Ukraine massiv zu erhöhen. Sie wollen erreichen, dass eine Technokratenregierung eingesetzt wird, die harte wirtschaftliche Reformen nach den Vorgaben des Internationalen Währungsfonds verwirklicht, dass die Verfassung geändert, die Macht des Präsidenten beschnitten und die Opposition an der Macht beteiligt wird.

Um ihr Ziel zu erreichen, planen sie nach Aussage der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton erhebliche kurzfristige Finanzhilfen für die Ukraine. Das Wall Street Journal, dem Ashton die Pläne erläuterte, spricht vom „bisher bedeutendsten Schritt des Westens, den geopolitischen Kampf um die Ukraine wieder zu eröffnen, seit der ukrainische Präsident Janukowitsch dem Wirtschaftspakt mit der EU den Rücken kehrte und stattdessen ein Abkommen mit Russland über 15 Milliarden Dollar Hilfe unterzeichnete“.

Im Unterschied zu den meisten anderen Presseorganen verzichtet das Sprachrohr der Wall Street auf beschönigende Phrasen über Freiheit und Demokratie und spricht offen aus, worum es den Westmächten in der Ukraine tatsächlich geht: Um einen „geopolitischen Kampf um Einfluss“ und darum, „Moskaus Fähigkeit zu dämpfen, die Ukraine wirtschaftlich und politisch zu kontrollieren“.

In München waren sämtliche Hauptakteure der Auseinandersetzung um die Ukraine versammelt: Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel für die USA, Außenminister Sergei Lawrow für Russland, Außenminister Frank-Walter Steinmeier für Deutschland sowie zahlreiche andere deutsche und europäische Minister und hochrangige Vertreter der EU. Aus der Ukraine waren Außenminister Leonid Koschara, die Oppositionsführer Witali Klitschko und Arseni Jazenjuk sowie der Oligarch Petro Poroschenko angereist, der die Opposition unterstützt und als zukünftiger Regierungschef im Gespräch ist.

Klitschko wurde von den Medien und den Teilnehmern als Star der Sicherheitskonferenz gefeiert. Er sprach im Rahmen einer Podiumsdiskussion, an der auch der ukrainische Außenminister Koschara und der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski teilnahmen, und traf sich zu zahlreichen Hintergrundgesprächen, unter anderem mit Kerry und Steinmeier.

Diese ermutigten Klitschko offenbar, den Druck auf die ukrainische Regierung weiter zu erhöhen. Bereits am Sonntag war er wieder in Kiew und rief vor 10.000 Demonstranten zum Aufbau von Bürgerwehren auf. „Bildet Bürgerwehren in jedem Hof, in jedem Bezirk, in jedem Haus“, sagte er.

Klitschkos Partei Udar (Schlag) wird von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt und gefördert. Seit der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch im November letzten Jahres die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU kurzfristig absagte und stattdessen ein Kreditabkommen mit Russland vereinbarte, organisieren Udar und zwei weitere Parteien, Batkiwschtschina (Vaterland) und Swoboda (Freiheit), Dauerproteste gegen die Regierung.

Sie werden dabei von der amerikanischen, der deutschen und zahlreichen anderen europäischen Regierungen offen unterstützt. Auch der Umstand, dass Swoboda faschistische und antisemitische Standpunkte vertritt und sich auf Stepan Bandera beruft, der im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis zusammenarbeitete und das Blut zehntausender Juden und Kommunisten an den Händen hat, hält sie nicht davon ab.

Die Opposition verfügt aber trotz der Behauptung, sie vertrete das ganze ukrainische Volk, über keine Mehrheit. Sie genießt vor allem im Westen des Landes Unterstützung, während sie im Osten, wo viele Russen leben und das Zentrum der Schwerindustrie liegt, auf offene Feindschaft stößt. Die von der EU verlangten und von der Opposition unterstützten Wirtschaftsreformen hätten zudem für die große Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung ähnlich verheerende Auswirkungen wie die Sparprogramme der Troika in Griechenland.

Unter diesen Umständen haben sich die Proteste radikalisiert. Vertreter von Swoboda und anderer faschistischer Organisationen haben Regierungsgebäude besetzt und liefern sich Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften, die ihrerseits mehrfach mit großer Brutalität gegen Demonstranten vorgegangen sind. Im Bemühen, das Land unter ihren Einfluss zu bringen und Russland zu schwächen, haben es die Westmächte an den Rand des Bürgerkriegs und der Spaltung getrieben.

Nun haben sie Mühe, die Geister wieder zu bändigen, die sie entfesselt haben. Inzwischen ist auch im Osten des Landes eine „Ukrainische Front“ gegründet worden, die gewaltsam gegen die pro-europäischen Kräfte vorgehen will. „Was vor zwei Monaten noch aussah, als könne es sich zu einem Volksaufstand entwickeln, wird zunehmend zu einem Guerillakrieg“, kommentiert die Süddeutsche Zeitung.

Das hindert die EU und die USA nicht daran, dass Feuer weiter anzufachen. Für sie ist die Ukraine mit ihren 46 Millionen Einwohnern, ihren Transportrouten für Gas und Öl, ihren Rohstoffen und ihrer gewaltigen Fläche von großer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Der langjährige Chefredakteur der Zeit, Theo Sommer, hatte schon im vergangenen Herbst geschrieben, es gehe „um ein neues und großes geopolitisches Spiel“, um die Frage: „Wo soll die östliche Grenze der EU liegen, wo die westliche Grenze des russischen Einflussgebiets?“

Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat sich in München zwar bitter über die Einmischung der USA und der EU beschwert. Er warf ihnen vor, sie hätten „gewalttätige Proteste aufwiegelt“ und dies habe nichts mit Demokratie zu tun. Doch Lawrow scheute einen größeren Konflikt, nicht zuletzt aus Rücksicht auf das Gelingen der Olympischen Spiele, die am kommenden Freitag im russischen Sotschi beginnen.

Als Vertreter einer autoritären Regierung, die die Interessen eng mit den westlichen Finanzmärkten verbundener Oligarchen vertritt, ist Lawrow zudem – wie auch die ukrainische Regierung – organisch unfähig, an breitere Massen zu appellieren und ihnen eine Perspektive zu bieten.

In München wurde im Beisein Lawrows der Vorschlag diskutiert, dass die OECD in der Ukraine vermittelt, deren Vorsitz momentan die Schweiz innehat und der auch Russland angehört. Das Ergebnis einer solchen Vermittlung dürfte ziemlich genau den Vorstellungen von Steinmeier und Kerry entsprechen.

 

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