Eine unauslöschliche Schande

von Pere Grau Romira

Es wäre wirklich unfassbar, wenn es nicht schon vorher befürchtet worden wäre: die Behandlung der katalanischen politischen Gefangenen bei ihrem Transport nach Madrid und jetzt in ihrem neuen Gefängnis wäre in einer normalen europäischen Demokratie undenkbar, ein Skandal. der viele Demissionen der Verantwortlichen verursachen würde. In Spanien, aber, kräht kein Hahn danach.

Vergegenwärtigen wir uns wieder, wer diese Gefangenen sind: sechs Landesminister einer widerrechtlich abgesetzten Regierung, eine Parlamentspräsidentin, die nur nach dem Reglement des Hauses entschieden hatte, und zwei Pazifisten, Vorsitzenden der zwei größten Bürgervereine Kataloniens (einer davon Abgeordnete des katalanischen Parlaments). Und erinnern wir uns auch, dass sowohl die Anklagen gegen alle neun wie auch ihre Inhaftierung eine gravierende Verletzung des spanischen Strafgesetzbuches und der juristischen Ordnung darstellen. Und mit diesen Fakten im Kopf schauen wir uns die letzte Entwicklung an.

Die neun Gefangenen wurden in einem Bus der Guardia Civil für Gefangenentransporte nach Madrid gebracht. Das bedeutete eine Tortur von sieben Stunden Fahrt in winzigen Zellen von etwa 1,60 m. Höhe, die nicht mal erlaubte einmal aufzustehen. Und der Bus wurde von zwei Helikoptern und einem Dutzend Schutzfahrzeuge mit bewaffneten Polizisten begleitet, als ob der Transport den meist gesuchten Terroristen der Welt gelten würde. Am Zielort wurden dann die sieben männlichen und die zwei weiblichen Gefangenen in zwei verschiedene Anstalten eingeliefert. Die männlichen Gefangenen  wurden in das Gefängnis Soto del real im Guadarrama Gebirge, nördlich von Madrid, gebracht. Bei der Annahme wurden ihnen, in einem neuen Ausdruck von rachedurstigen Schikanen, mehrere Sachen konfisziert: die Computer, womit sie ihre Verteidigung vorbereiten müssen, da alle wichtigen Unterlagen ihnen nur elektronisch geliefert werden; weiter alle Familienfotos, die sie bei sich hatten; dazu -und das ist fast eine unübertreffliche Komikeinlage in dieser skandalösen Geschichte- wurden ihnen auch alle Bekleidungsstücke entwendet welche irgendwie die Farbe Gelb hatten. Da diese Farbe  in Katalonien für den Kampf um die Freiheit der gefangenen steht, ist es anscheinend schon an sich „kriminell“ und wenn sie nur in einer Krawatte, Hemd oder Schal ist.

Der Guadarrama Gebirge ist in Winter eine sehr kalte Gegend, auch in diesem Jahr. Aber in dem Gefängnis Soto del Real funktioniert die Heizung nur 2 Stunden am Tag. Die Insassen in dieser Anstalt – alle – frieren so als ob sie in eine Kühlkammer eingeschlossen wären und viele gehen nach dem Mittagessen für den Rest des Tages ins Bett, um irgendwie des Zitterns Herr zu werden. Unter humanen Bedingungen für Buße Maßnahmen versteht man wirklich was ganz anderes.





Über den mehreren Pressestimmen, die darüber berichten, möchte ich die Artikel von Ralf Streck hervorzuheben, einer der wenigen Presseprofis, die über den katalanischen Konflikt immer fair und objektiv berichtet, ohne sich von der spanischen Propaganda beirren zu lassen:

https://www.heise.de/tp/features/Der-spanische-Prozess-gegen-den-katalanischen-Proces-4296622.html

https://www.heise.de/tp/news/Adieu-spanischer-Haushalt-adieu-sozialdemokratische-Regierung-4298584.html

Da der Obergerichtshof sehr viele Beweismitteln der Verteidigung abgelehnt hat (Dokumente, Videos, Zeugen, etc.) und sich bei dem Verfahren hauptsächlich auf viele äußerst fragliche Dokumente der spanischen Polizei und der rechtsextremen Partei Vox stützt, hat die Verteidigung eine Aufschiebung des Prozessanfangs um drei Wochen gebeten, um sich auf diese nachteilige Sachlage ordnungsgemäß vorbereiten zu können. Es scheint aber, dass der Obergerichtshof diese Bitte ablehnen wird.

Vergessen wir dabei nicht, dass die Anklage wegen Gewaltanwendung (die es nicht gab) vor allen Dingen auf erfundenen Attacken der Wähler gegen die Polizei am 1.10.2017 basiert, während die ganze Welt feststellen konnte, dass die Gewalt nur von der spanischen Polizei massiv angewendet wurde, Gegen die unverschämten Lügen des spanischen Außenministers, der behauptet hat, dass die Polizei nur geringe Schäden an sehr wenigen Personen verursacht hätte, und dass die mehr als 1.000 Verletzte ein „Fake“ wäre, hat sich eine katalanische Ärztin der umfangreichen Arbeit angenommen jede von den Wählern erlittene Wunde zu dokumentieren. Sie, Fr. Dr. Med. Nuria Pujol-Moix  ist emeritierte Professorin an der Autonomen Universität Barcelonas (UAB) und Forscherin bei dem international renommierten Forschungsinstitut am Krankenhaus Sant Pau, auch in der katalanischen Hauptstadt. In ihrem Bericht hat sie bewiesen, dass es tatsächlich 1.066 dokumentierte Verletzte gab. Davon 34 mit traumatischen Verletzungen am Schädel; 65 mit Verletzungen am Gesicht; 68 älter als 65 Jahre und von diesen 13 über 79 Jahre!; 432 mit mehrfachen Traumata durch Schlagstockschläge, Fußtritte, Stürze durch Schubserei, etc. Davon waren 137 vom Hals aufwärts. Der Rest hatte wegen einzelner Verletzungen und Quetschungen  auch klinisch behandelt werden müssen. Bei der Arbeit ist Dr. Pujol.-Moix von dem katalanischen Gesundheitsministerium mit den berichten der ärztlichen Notaufnahmen im ganzen Land am 1.10.2017 unterstützt worden.

Das alles, sowohl der Rachebestimmte Schauprozess gegen die katalanischen Politiker und ihre unwürdige Behandlung durch die spanische Behörden, wie die stete Verleugnung von ausreichend bewiesene Tatsachen  ist -und wird lange bleiben – eine unauslöschliche Schande für den Ruf des spanischen Staates, ein immer größer werdende Schmutzfleck auf die ach so „perfekte“ spanische Demokratie. Und auch wieder eine Handlungsweise, welche den Graben zwischen Katalonien und Spanien weiter vertieft. Und die Mitglieder der europäischen Institutionen (mit wenigen ehrenvollen Ausnahmen) schauen immer noch woanders hin…

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Eine unauslöschliche Schande
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2 Kommentare

  1. Bei mir werden Erinnerungen an das Franco-Regime wach – und: es gibt noch einen Staat, der sich demokratisch nennt, aber sich anmaßt, durch ein Lügengebäude andere nicht nur zur Rechenschaft ziehen zu müssen , sondern auch in Kriegen Chaos anrichtet und Millionen Tote hinterläßt.

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