Eine bäuerliche Idylle

von Heinz Sauren (freigeist)

Saftige Wiesen, sanft im Wind wiegendes Korn und das tägliche Brot. Romantische Assoziationen zu einem Berufsstand, dessen Arbeitsalltag oft nur wenig, mit der verklärenden Sicht auf ihn, zu tun hat.

Bauern sind die größten Grundbesitzer, die größten nationalen Nahrungsmittelproduzenten und haben mit dem Landwirtschaftsministerium, eine eigene Interessenvertretung innerhalb der Bundesregierung. Ein traditionsbewusster Berufsstand, mit Hang zu Superlativen und viel Einfluss.

Dennoch befindet sich der deutsche Bauer in einer tiefen Identitäts- und Existenzkrise. Mit seiner Identität hadert er schon, bei der Suche nach sich selbst. Einst selbstbewusst als Bauer gerufen und beschimpft, empfahl er sich als Landwirt der Wirtschaft, adelte sich dann als Agrarökonom um schlussendlich zum Energiewirt zu mutieren. Quantensprünge eines agrarhistorischen Bewusstseins.

Wer so zielstrebig, bei dem Versuch sich zu finden, seine Richtung verliert muss ein Getriebener sein. Getrieben von der Angst, das die immer magerer werdenden Gewinnmargen, irgendwann die Unwirtschaftlichkeit bedeuten. Jeder Bauer kennt einen Nachbarn, der dem großen Höfe sterben zum Opfer gefallen ist. Die Hektar die ein Bauer, im Vergleich von heute zu den 1950er Jahren, zur Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz benötigte, hat sich verzehnfacht. Es ist wie überall in der freien Wirtschaft. Die Kleinen werden von den Großen gefressen und die Großen von den Banken, den Kapitalgebern dieser Expansion. Wirtschaftliches Wachstum als einziger Schutz nicht gefressen zu werden, denn es gilt der Grundsatz,  je größer ein Betrieb desto höher der Gewinn aus Rationalisierung und Agrar-Subvention.

Nicht am Euter einer Kuh, sondern am Firmenrechner beginnt der Arbeitsalltag, eines modernen Landwirtschaftsbetriebes. Erst die Überwachung der automatischen Melkautomaten am Bildschirm, nebst interaktiver Zitzensaugstärkenregulierung, dann schnell die GPS gestützte Ernteflächenberechnung, mit automatischer Synchronisierung des Traktorfahrprogramms und nicht vergessen den Tagespreis der zu erwartenden Ernte, an der Onlinebörse zu checken und anhand der Charts den Erntezeitpunkt zu bestimmen. Bauern als Agarsystemmanager.

Doch selbst perfektes Timing, höchste Effizienz, konsequente Rationalisierung und wachstumsoptimierte Saaten reichen nicht aus, wenn die Natur nicht mitspielt. Im Sinne der Trader und Börsen, tut sie das nie. So kommt der Bauer mit dem Versuch der Natur auf die Sprünge zu helfen, zu seinem folgenschwersten Superlativ. Bauern sind die größten Abnehmer der Pharmaindustrie. Nicht nur extrem gesundheitsschädliche Fungizide, Pestizide und chemische Dünger, sondern auch künstliche Hormone und Unmengen von Antibiotika finden sich in den Giftküchen der landwirtschaftlichen Betriebe und dort bleiben sie nicht. Stoffe, mit denen innerhalb der Chemieindustrie, nur unter Sicherheitsauflagen und mit Schutzanzügen hantiert wird, werden offen gelagert, gemischt und über die Böden entsorgt.  Ausgebracht auf die Felder sind die Böden auf Jahre biologisch tot und Flüsse werden zu Düngerströmen, die die Küsten verseuchen. Den Tieren verabreicht, wird das Fleisch zur Zwangsmedikation der Verbraucher. Der Bauer, ein Chemielaborant ohne Ausbildung, oder Giftmischer ohne Gewissen?

Was zählt, ist der Gewinn und der sinkt fortwährend, da der Kapitalkostenanteil beständig steigt. Da hilft es auch nicht, das sich der Rohertrag pro Pflanze, Tier oder Hektar sich in den letzten Jahrzehnten, nahezu verdreifacht hat. Die aktuelle Lösung für den Bauern heißt, Energie. Das Ergebnis sind Monokulturen mit speziell gezüchteten und ungenießbaren Kartoffeln oder Mais, welche nachhaltig die Ökosysteme schädigen, die Notwendigkeit von Nahrungs- und Futtermittelimporten erhöhen und durch die Investitionen in Biogasanlagen, den Kapitalkostenanteil weiter erhöhen. Der Bauer als grüner Energieversorger, oder als rücksichtsloser Umweltterrorrist?

Der Nutzen einer Volkswirtschaft an der Agrarindustrie ist hoch, doch wiegt er den Schaden durch die moderne Landwirtschaft auf? Wenn der Preisdruck auf den Erzeugermärkten so anhält, der Kapitalkostenanteil in Agrarprodukten weiter ansteigt und die Landwirtschaft weiterhin ausschließlich wirtschaftlichen Forderungen zu folgen hat, kann es bald keine Bauern mehr geben. Es wird günstiger sein, alle Felder brach liegen zu lassen und die Nahrungsmittel zu importieren. Der Bauern als Artefakt einer vergangenen Kultur?

Die Landwirtschaft kann auf Dauer nur überleben, wenn sie ihre Produktion wieder in Einklang mit den natürlichen Zyklen des Wachstums, der Böden und des Wetters bringt, auch wenn das weniger ertragreich ist. Es steht in der Verantwortung der Bauern, natürliche Lebensmittel zu produzieren, sowie das Ökosystem zu erhalten und zu schützen. Es steht in der Verantwortung der Verbraucher, durch Konsumeinschränkung und Lenkung auf einheimische Produkte, dies den Bauern zu ermöglichen und es steht in der Verantwortung der Politik, heimische Agrarproduktionen vor internationalen  Wirtschaftseinflüssen zu schützen.

Dann werden wir vielleicht auch wieder sanft im Wind wiegendes Korn sehen. Unser Brot.

Ich verbleibe in diesem Sinne

Heinz Sauren

 

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