Ein Wahldebakel?

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Die Bundestagswahl 2017 ist vorbei und damit der Alltag wieder eingekehrt. Wirklich? Ich denke nicht. Ganz im Gegenteil. Doch dazu später mehr. Zunächst einmal das Wahlergebnis, aus Sicht der beiden (besser 3) Parteien CDU und SPD ein Desaster, von der CSU ganz zu schweigen.

Aus der Vergangenheit bin ich gewohnt, vom jeweils zuständigen Wahlleiter bereits kurz nach der Wahl eine tabellarische Übersicht des Wahlergebnisses auf der Internetseite zu finden. In diesem Jahr ist der Bundeswahlleiter dafür zuständig, doch statt der Tabelle habe ich lediglich schöne bunte Bildchen zu sehen bekommen. Für den gemeinen Wähler doch völlig ausreichend, oder nicht? Ich habe also ein wenig gesucht und bin dann auf diese Wahltabelle in einem PDF-File gestoßen und habe die entsprechende vorläufige Tabelle(1) als PDF gespeichert. Allerdings habe ich das File nicht vollständig gelesen und habe auch nicht vor, sie komplett zu lesen. Sie wissen ja, ich bin vom Weltlichen ab und dazu zählt auch die Politik.

Nun, der nächste Bundestag wird wohl ein wenig teurer werden, als alle zuvor gewählten Bundestage. Warum? Das wüsste ich auch gerne und habe deshalb eine Anfrage an den Bundeswahlleiter geschickt, woran es liegt, dass dieser Bundestag mit 709 Abgeordneten bestückt wird, so vielen, wie noch nie zuvor. Das lässt sich aus meiner Sicht nicht mehr mit Überhangmandaten erklären.

Nochmal die Erklärung von Überhangmandaten. Unser Land ist bei den Wahlen zunächst in die 16 Bundesländer und in jedem Land in entsprechende Wahlkreise aufgeteilt. Da wir ein gemischtes Wahlsystem haben, haben die Wähler eine Erst- und eine Zweitstimme zu vergeben. Mit der Erststimme wird der für jeden Wahlbezirk von den meisten Parteien aufgestellte Direktkandidat einer Partei gewählt (Direktwahl) und mit der Zweitstimme die Partei, für die sich der Wähler entscheidet. Das bedeutet, der Direktkandidat eines Wahlbezirks, der in diesem Wahlbezirk die meisten Stimmen erhält, ist ein direkt gewählter Kandidat und zieht ganz sicher in den Bundestag ein, sogar dann, wenn seine/ihre Partei die 5%-Hürde nicht erreichen konnte. Für die Zweitstimme stellt jede Partei eine so genannte Landesliste auf in welcher die von der jeweiligen Partei vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt werden. Üblich ist, dass dort der von der jeweiligen Partei aufgestellte Direktkandidat auch in der Landesliste an erster Stelle aufgeführt wird, um sicherzugehen, dass dieser Kandidat auch gewählt wird, wenn er das Ziel, als Direktkandidat in Bundestag einzuziehen, verfehlt hat. Hat er das Direktmandat erreicht, ist seine Nominierung in der Landesliste bedeutungslos und fällt weg, daher rücken alle übrigen in der Landesliste geführten Kandidaten eine Stelle vor.
Das ist dann eine Verhältniswahl, also die Anzahl Stimmen, die für eine Partei abgegeben werden, im Verhältnis zur Zahl der im Wahlkries insgesamt abgegebenen Stimmen.

Bei der Auszählung der Stimmen kann es nun passieren, dass eine Partei eine Direktkandidatur gewonnen hat, aber in dem entsprechenden Wahlkreis nicht genügend Zweitstimmen, die entscheidend sind, wie viele Kandidaten die Partei ins Rennen schickt. Weil aber die Direktkandidatur zwingend ein Bundestagsmandat mit sich bringt, zieht dieser Kandidat auch in den Bundestag ein und damit hat die Partei einen Kandidaten mehr im Bundestag, als ihr rechtmäßig anhand der Berechnung der Zweitstimmen zustehen würde. Dieses Mehr ist dann ein Überhangmandat.

Vorgesehen sind an sich 598 Bundestagsabgeordnete, doch in diesem Jahr werden es 709 Abgeordnete (nach vorläufiger Berechnung) sein, die in den Bundestag einziehen, also 111 Abgeordnete mehr, als ursprünglich vorgesehen. Das möchte ich folglich vom Bundeswahlleiter erklärt bekommen. Doch diese zusätzlichen Kosten (pro Abgeordnetem die Diät, der steuerfreie Zusatzbeitrag, die Büroausstattung, auch für die zugelassene Zahl der Mitarbeiter, die kostenfreie Bahncard für das ganze Jahr und die Kosten, die ich noch vergessen habe) sind nicht alles. Denn die Pleiten bei den Ergebnissen speziell von SPD und CDU/CSU bringen es mit sich, dass die Abgeordneten, die nun wieder zurück ins normale Leben müssen, Anspruch auf eine Übergangszahlung haben, für jedes Jahr ihrer BT-Tätigkeit ein komplettes Monatsgehalt. Ob das auch den steuerfreien Zusatzbeitrag umfasst, da bin ich überfragt. Der Bund der Steuerzahler rechnet mit Mehrkosten für den neuen Bundestag in Höhe von ca. 220 Millionen Euro.

Noch ein kleines Schmankerl. Das Grundgesetz schreibt vor, dass der Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl zum ersten Mal zusammenkommt. Aber es gibt keine Vorschrift, bis wann eine neue Regierung gebildet werden muss. Solange die noch nicht im Amt ist, regiert die alte Konstellation kommissarisch weiter und das kann dauern.

Mitunter habe ich ja eine rege Phantasie und nachdem ich Ausschnitte der „Großen Runde“ am Wahlabend gesehen habe und Schulzes harsche Worte in Richtung Merkel vernommen habe, stelle ich mir vor, dass wir auch hier mal wieder gründlich veralbert wurden. Eine Ampel-Koalition, also Grüne, FDP, CDU, CSU wäre eine Koalition von 4 Parteien, Parteien, die nach ihren eigenen Aussagen sehr unterschiedliche Ziele haben. Aber Schulz hat ja klar gemacht, dass die SPD in die Opposition geht. Hier setzt meine Phantasie ein. Die Koalitionsgespräche zwischen diesen Parteien werden sicherlich viel Zeit in Anspruch nehmen und viele von der Presse verkündete Streitigkeiten um einzelne Themen, die ein Miteinander zunächst unmöglich machen. Inzwischen regiert die Groko munter weiter und da sich die FDP vermutlich nicht mit den Grünen einigt (eine Annahme, die aber irgendwie bereits am Wahlabend durch die Blume verkündet wurde) und die CDU nicht mit einer Minderheitsregierung oder den Kompromissen leben will, die von FDP und Grünen gefordert werden und die CSU bei den meisten Themen auch dazwischen funkt, wird Schulz schließlich „schweren Herzens“ und wegen der „großen damit verbundenen Verantwortung“ seinen Traum, nun in die Opposition zu gehen, aufgeben und doch die Bereitschaft äußern, sich der Verantwortung zu stellen und erneut mit der CDU/CSU zu koalieren (denn auf eine Neuwahl ist keine der Parteien scharf). Sollte es so kommen, dann halte ich das für ein abgekartetes Spiel, denn dass die Verluste dieses Mal groß sein würden, war allen Parteien bekannt. Habe ich recht, dann wurden wir (aus meiner Sicht) einmal mehr verarscht. Hätte es nach der Wahl gepasst, dass die CDU mit der FDP eine Regierung bilden kann, dann sähe es vielleicht anders aus. Allerdings, auch wenn es zu einer erneuten Groko kommen sollte, eines bleibt, eine Opposition, deren Stimmenzahl dieses Mal reichen würde, dass zumindest Abstimmungen, die Zwei/Drittel-Mehrheiten erfordern (bspw. Grundgesetzänderungen) durch die Opposition verhindert werden können.

Doch selbst, wenn meine Phantasie Wirklichkeit werden sollte, steht fest, Schulz wird kein Kanzler, der Ärmste. Man sieht, der Glaube kann Berge versetzen, aber keinen Schulz ins Kanzleramt, ausgenommen als Vize.

Fußnoten

(1) Tabelle Wahlergebnis BT-Wahl 2017

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Und dann noch das: Opposition mit Storno-Option: SPD bei drohendem „Staatsnotstand“ auch zu Regierung bereit

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