Ein Mann – Ein Wort! (VII)

Siebter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Feinde der Freiheit

von Susanne Kablitz

Die Gespräche mit meinem Vater stellten mich vor die Frage, wo wir wohl im Jahre 2043 oder sogar 2053 stehen würden. Noch erschien mir dies unendlich weit weg zu sein, aber es war wohl so, dass je älter man wurde, die Zeit immer schneller raste und dass – so erzählte es mir meine Mutter, wenn Sie in den Pausen Ihrer jeweiligen Lektüre aus ihrem Leben plauderte – die Jahre nur so verflogen. Ich erfuhr, welche Fehler meine Mutter sich schwor, sie niemals zu machen und dann doch beging. Es waren spannende Momente.

Die Eltern meines Vaters waren beide schon gestorben, aber wir stöberten oft in den Tagebüchern meiner Großmutter, die sie mir als damals noch einzigem Enkelkind mit den Worten hinterlassen hatte: „Lebe und lerne, jeden Tag, und lass Dich niemals unterkriegen. Egal, was passiert – auch wenn der Himmel einzustürzen droht. Wer Erfolg haben will, braucht Durchhaltevermögen und einen starken Willen. Rückschläge gehören zum Leben dazu. Wer sie meistert, bekommt Charakter, wer sie nicht meistert, Almosen.

Hör auf Dein Herz und benutze Deinen Verstand. Sei mutig, ehrlich und konsequent. Lerne zwischen Neid und Gerechtigkeit zu unterscheiden. Sei selbstbewusst, aber nicht arrogant; sei sparsam, aber nicht geizig; sei hilfsbereit, aber lass Dich nicht ausnutzen. Es ist keine Schande hinzufallen, es ist keine Schande, zeitweise den Weg zu verlieren und sich zu verirren. Es ist aber eine Schande, nicht zu diesen Dingen zu stehen und die Verantwortung dafür bei anderen zu suchen. Du bist für Dein Leben zuständig, Du bist für Dein Glück verantwortlich, niemand sonst.“

Dieser Zweig meiner Familie war ein besonders „harter Knochen“ gewesen; ein Krieg und jede Menge Entbehrungen hatten aus beiden Menschen gemacht, die für „Papperlapapp“ wenig Verständnis zeigten. Aber sie waren aufrecht, geradlinig und herzensgut. Mein Vater sagte häufig: „Dein Großvater ist wie Ludwig von Mises – zwar in anderen Bereichen blitzgescheit, aber genauso standhaft und unbeirrbar.

Ein Mann – ein Wort. Immer! Auch dann, wenn es ungemütlich wird.“

Vor unseren Gesprächen konnte ich damit noch nicht allzu viel anfangen, jetzt wurde mir vieles klarer. Ich hatte keine Erinnerungen an meinen Großvater, ich war noch sehr klein als er starb und meine Großmutter lebte auch nicht viel länger. Ich erbte die Tagebücher, mein Vater die vielen Bücher, Notizen und Zeitungsausschnitte, die in seiner Bibliothek ein neues Zuhause gefunden hatten.

Als ich an diesem Abend wieder einmal im Tagebuch meiner Großmutter stöberte, fand ich einen Eintrag aus dem Jahr 1978 und las ihn mir laut vor: „Unbedingt abzulehnen ist der Gebrauch des Ausdrucks Vergesellschaftung (an Stelle der Verstaatlichung) der Produktionsmittel. Der Marxismus bedient sich dieses Ausdrucks und nennt den sozialistischen Charakter die „Gesellschaft“, weil er bewußt die Öffentlichkeit über den Charakter seines Programms täuschen will. Der Ausdruck „Staatssozialismus“ ist ein Pleonasmus; jeder Sozialismus ist Staatssozialismus.

In der politischen Sprache pflegt man von Staatssozialismus zu sprechen, um eine bestimmte Art der Durchführung des sozialen Programms zu bezeichnen… Planwirtschaft ist heute ein beliebter Ausdruck für Sozialismus. Auch die Ausdrücke Staatskapitalismus und Zwangswirtschaft sind synonym mit Sozialismus. Man kann den Sozialismus auch in der Gestalt durchführen, daß die äußeren Formen der Marktwirtschaft beibehalten werden.

Das Sondereigentum wird dem Namen nach belassen. Unternehmer wirtschaften scheinbar weiter, kaufen und verkaufen, verwenden Lohnarbeiter und zahlen Löhne. Doch sie befolgen dabei durchaus die Weisungen der Regierung. Die Regierung befiehlt, wo, was und zu welchem Preis sie zu kaufen haben, welche Arbeiter sie beschäftigen und wie hoch sie sie zu entlohnen haben, was und wie sie zu erzeugen und an wen und zu welchem Preise sie zu verkaufen haben. Die Regierung leitet somit die Produktion und bestimmt alle Preise und Löhne und damit auch die Höhe des Einkommens und der Lebenshaltung jedes Einzelnen. Auch das ist echter Sozialismus.“

Neben diesem Eintrag hatte meine Großmutter notiert: „Wer sind die Feinde der Freiheit?“.

Ich las weiter und fand folgendes: „In der freien Gesellschaft gibt es keine Klassen, die durch unüberbrückbare Interessengrundsätze geschieden sind. Gesellschaft ist Solidarität der Interessen. Der Zusammenschluß von Sondergruppen hat immer nur den Zweck, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sprengen. Sein Ziel und sein Wesen sind antisozial.“  Ludwig von Mises, Die Gemeinwirtschaft, 1922

So wie mein Vater mir erzählte, konnten meine Großeltern nie viel mit dem „Klimbim“ anfangen, der in der üblichen Presse zu finden war. Zu einer Zeit, wo Computer, geschweige denn das  Internet noch undenkbar waren, wo die erste Urlaubsreise mit dem VW Käfer oder der „Ente“ nach Italien ging, zu einer Zeit, wo Kinder noch tatsächlich auf der Straße Fangen und Gummitwist spielten, wo es noch eine Samstagabend-Unterhaltung und nicht „Wie schlucke ich die Hoden von Kängurus herunter“ gab, wo wir uns zu Hause am Telefon für ein Treffen verabredeten und uns sogar am Treffpunkt tatsächlich fanden, war die Informationsbeschaffung deutlich aufwendiger, das Spektrum sehr viel kleiner. Den Mainstream stellte die Presse jedoch auch damals schon nicht besonders in Frage.

Aber es gab Bücher und die wurden verschlungen. Bücher, die zum Teil sehr alt waren und die mein Vater im Antiquariat aufbereiten ließ, weil sie so zerlesen waren.

Wie ich heute erfuhr, hatten meine Großeltern Ludwig von Mises und die von ihm mit aller Hingabe vertretene „Österreichische Schule“ sehr verehrt. Meine Großmutter hatte Unmengen von Zitaten mit der Hand abgeschrieben, die Bücher waren mit unzähligen Anmerkungen versehen.

Was beiden besonders zu imponieren schien, war die Tatsache, dass Herr Mises eine Konjunkturtheorie dargelegt hatte, die die allgemeine Meinung und die verbreiteten und leider auch angewendeten Theorien auf den Kopf stellte. Er führte aus, dass entgegen der allseits so überaus beliebten Politik der permanenten Kreditausweitung durch extrem niedrige Zinsen und ohne reale Wertdeckung diese stets nur zu Scheinaufschwüngen und somit zwangsläufig zu dramatisch verlaufenden, jedoch vorhersehbaren Konjunkturzyklen führten, die immer in Depressionen endeten.

Hierzu fand ich einen im Tagebuch meiner Großmutter mit einem Hinweis auf von Mises Werk aus dem Jahre 1922 und dort stand: „Ratlos stehen die Politiker der Krise gegenüber, die sie heraufbeschworen haben. Und sie wissen keinen anderen Ausweg zu empfehlen als neue Inflation oder, wie man in der jüngsten Zeit zu sagen pflegt, Re-Deflation. Die Wirtschaft soll ,,angekurbelt” werden durch neue zusätzliche Bankkredite (d. h. durch zusätzliche Zirkulationskredite), wie die Gemäßigten wollen, oder durch Ausgabe von neuen Staatsnoten, wie die Unentwegten wünschen.

Doch die Vermehrung der Menge des Geldes und der Umlaufsmittel wird die Welt nicht reicher machen und das nicht wieder aufbauen, was der Destruktionismus niedergerissen hat. Ausdehnung des Zirkulationskredits führt zwar zunächst zum Aufschwung, zur Konjunktur; doch diese Konjunktur muß notwendigerweise früher oder später zusammenbrechen und in neue Depression einmünden. Durch Kunstgriffe der Bank- und Währungspolitik kann man nur vorübergehende Scheinbesserung erzielen, die dann zu umso schwererer Katastrophe führen muß.

Denn der Schaden, der durch die Anwendung solcher Mittel dem Volkswohlstand zugefügt wird, ist um so größer, je länger es gelungen ist, die Scheinblüte durch fortschreitende Schaffung zusätzlichen Kredits vorzutäuschen.“

Ich fragte meinen Vater, was Herr Mises unter einem „Zirkulationskredit“ verstand und bekam die Antwort: „Mit dem Begriff „Zirkulationskredit“ bezeichnet Mises den „Bank“-Kredit, der nicht durch Ersparnisse, also Konsumverzicht aus dem laufenden Einkommen, gedeckt ist sondern durch „neues“ Geld in Umlauf gebracht wird und somit keinen „inneren“ Wert hat.“

Das erschien mir logisch. Unlogisch erschien mir allerdings, warum so viele Menschen der dauerhaften Kreditausweitung nachhingen und nicht begreifen wollten, dass ein Wohlstand, der auf Schulden aufgebaut ist, auf Dauer mit absoluter Sicherheit höchst unangenehm wird. Und vor allem – was hatte das mit den „Feinden der Freiheit“ zu tun?

Mein Vater lehnte sich in seinem Ohrensessel zurück, legte seine Pfeife mit dem wundervollen Vanilleduft zur Seite, nahm einen Schluck Pfefferminztee und sprach die Worte zu mir, die ich bis heute – 30 Jahre später – niemals vergessen habe.

„Kleines, das internationale Papiergeldsystem wäre schon längst kollabiert, hätten die Zentralbanken den Finanzmarktbeteiligten nicht zugesagt, die Notenpresse anzuwerfen, um all die offenen Rechnungen zu bezahlen. Du hast gerade erst erlebt, was in Amerika passiert ist und hier sieht es auf niedrigerem Niveau ganz und gar nicht besser aus.

Das, was die keynesianischen bzw. monetaristischen Ökonomen als das Abklingen einer Abschwung-Phase identifizieren, ist aus „österreichischer Sicht“ eben das nicht mehr enden könnende Merkmal eines kreditgetriebenen Aufschwungs, eines Schein-Booms, der mit einem großen Kawumm platzen wird. Je größer der Papiergeld-Reichtum, desto böser und verhängnisvoller die Armut, die ihm folgen wird. Und sie wird folgen – wenn nicht heute, dann auf jeden Fall morgen. Aber morgen scheint eben besser zu sein als heute, niemand möchte von all den schmerzhaften Konsequenzen aus der notwendigen Korrektur persönlich betroffen sein. Und so wird gehofft und geglaubt, dass der Kelch an ihnen vorübergeht und ein Wunder geschieht!

In der Hoffnung auf dieses Wunder vetrauen sie darauf, dass das viele Geld, das in das Elend hineingeführt hat, sie nun aus diesem auch wieder befreien wird. Hat das jemals funktioniert? Hast Du es jemals erlebt, dass ein Feuer mit Feuer gelöscht wird?

Um das gemeingefährliche Spiel der “Eliten” vorantreiben zu können, wird auf Kosten der normalen Bevölkerung die Mär von der Notwenigkeit steigender Steuern und Sozialabgaben (die ja auch eine Form der Steuer sind) verbreitet, die Farce von angeblicher Sparsamkeit, die aber unter gar keinen Umständen im Bereich der Staatsausgaben stattfinden darf, gepredigt und der breiten Masse mit sektenhafter Einlullungstaktik der Geist vernebelt. Die, die kaum genug zum Leben haben, werden mit Almosen ruhiggestellt; diejenigen, die noch etwas haben, sollen dies gefälligst als Beweis ihrer Sozialkompetenz mit möglichst schlechtem Gewissen abgeben.

Uns wird eingebläut, wir bräuchten nur enger zusammenzurücken, nur solidarischer sein, nur hilfsbereiter und weniger anspruchsvoll, während die, die uns dies einreden, eine Dekadenz an den Tag legen, dass es nur so kracht.

Doch warum sollte sich an deren Denkweise auch etwas ändern? – Wir machen doch schließlich mit. Viele Menschen begegnen mir, die mir weismachen wollen, dass der Sozialismus und sogar der Kommunismus die menschenwürdigeren Gesellschaftssysteme sind. Die Systeme, wo nicht dem Gelde gehuldigt wird. Wo es menschlicher ist und nicht vom Wettbewerb geprägt. Wo es eine Garantie auf „bezahlbaren“ Wohnraum, kostenlose Bildung, sichere Arbeitsplätze gibt.

Sie scheinen vieles vergessen zu haben, denn gerade hier geht es den Herrschenden immer deutlich besser als dem normalen Volk, denen nicht mehr zugeteilt wird als es den Gebietern in den Kram passt. Beide Systeme sind nichts anderes als Staatskapitalismus und die Herrschaft einer privilegierten Minderheit. Die in der Demokratie lebenden Menschen werden feststellen, dass egal, wen sie wählen, sich nie etwas ändert.

Und nun schau Dir an, wie unsere Welt inzwischen aussieht. Wir haben keine Freiheit, wir haben nur noch Freiheiten. Fremde Menschen entscheiden darüber, was wir tun dürfen und was nicht. Die Einwohner der Elfenbeintürme schwadronieren darüber, wem sie wie viel wegnehmen dürfen und was sie uns gestatten. Sie haben keinen Respekt und keine Ehre, aber sie entscheiden darüber, wie ein Leben auszusehen hat.

Wir sollten alle Anstrengungen darauf verwenden, die Botschaft zu verbreiten, dass Freiheit für alle gut ist, nicht nur für die Reichen. Gerade für die ärmeren Teile der Bevölkerung ist das, was derzeit passiert von großem Nachteil. Sie werden die ersten sein, die merken, dass es besser gewesen wäre, sie hätten aus der Geschichte ihre Lehren gezogen.“

Noch lange nachdem mein Vater zu Bett gegangen war, saß ich hier im „Raum der großen Geister“ und dachte darüber nach, wie unser Leben in 30 Jahren aussehen würde. Ich wusste nicht, was wahrscheinlicher war. Hatten wir den Weg zurück zur Freiheit gefunden und waren wieder voller Selbstvertrauen oder hatten wir das, wofür so viele vor uns ihr Leben geopfert haben, endgültig zu Grabe getragen?

Dies ist der siebte und letzte Teil einer Serie, die in respektvoller Erinnerung an den herausragenden österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises (1881 – 1973) in sieben Gesprächsintervallen erscheint.

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