Ein Mann – Ein Wort! (IV)

Vierter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über billiges Geld

von Susanne Kablitz

Gestern war einer der seltenen Abende gewesen, für den wir einen „Familien-Fernseh-Event“ beschlossen hatten. Früher hatten wir über das Programm demokratisch abgestimmt, aber das war für  meine Mutter und mich meist nicht so gut gelaufen. Schmonzetten und rührselige Romanzen kamen bei meinem Vater und meinen beiden Brüdern nicht wirklich gut an.

Also gab es jetzt vor diesen recht seltenen Ereignissen ein paar Tage vorher Vorschläge und jeder von uns musste erklären, warum es gerade diese Sendung sein sollte. Gleiche Begründungen oder der bloße Hinweis auf „ältere Rechte“ zogen nicht. Wer die beste oder auch kreativste Idee hatte, bekam die meisten Stimmen. Das klappte eigentlich ganz gut und so war für gestern die Wahl auf „Forrest Gump“ mit Tom Hanks gefallen. Es war mir aufgefallen, mit welcher Vehemenz mein Vater für diesen Film plädierte, obwohl ich wusste, dass er ihn bereits mehrfach gesehen hatte.

Zudem bestand er darauf, dass ich die „Qualitätsmedien“ der letzten Tage besonders aufmerksam lesen sollte und hatte vorgestern unser Thema für diesen Samstag-Abend verändert. „Ich möchte mit Dir über billiges Geld reden, Kleines und deshalb machen wir einen „Dringlichkeitstausch“.

Im Moment verstand ich noch nicht ganz, in welchem Zusammenhang „Forrest Gump“ dazu stand, bekam aber einen Hinweis darauf als Forrest im Film sagt: „Dumm ist der, der Dummes tut!“ und mein Vater mich dabei besonders intensiv beobachtete.

Nun saßen wir wieder hier oben in seiner Bibliothek auf dem Dachboden, umzingelt von „großen Geistern“ und ich stellte fest, dass mein Vater bestimmte Aussagen in den mir zum Lesen verordneten Zeitungen rot umrandet hatte. Er bat mich, sie ihm laut vorzulesen und dazu zu sagen, von wem sie stammten.

„Nicht die heutigen Schulden sind das Problem, sondern der hysterische Streit um die Schuldengrenze. Wenn Politiker mutwillig den Staatsbankrott riskieren, dann wird auch die dynamischste Wirtschaft überfordert“ schrieb Nikolaus Piper am vergangenen Montag in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Nikolaus Piper hat Wirtschaftswissenschaften studiert, ist Diplom-Volkswirt und hat mehrere Bücher geschrieben, von denen eines als Wirtschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet wurde.

„Kreditwürdigkeit ist wie Jungfräulichkeit – sie kann bewahrt, aber nicht so leicht wiederhergestellt werden. Es ist also verrückt, damit herumzuspielen. Die Drohung, das Schuldenlimit nicht zu erhöhen, obwohl man das Geld schon ausgegeben hat, ist wie eine politische Massenvernichtungswaffe“  so Warren Buffet, die „Investment-Legende“ gestern in der Online-Ausgabe des Handelsblatts.

„Die Menschen denken darüber nicht richtig. Alles, was die Fed macht, ist, kurzfristige Schuldtitel auszugeben und langfristige Schuldtitel zu kaufen. Es ist nicht, als ob sie Geld schaffen würde. Sie gibt Reserven heraus, aber diese Reserven sind – im Gegensatz zu früher – voll zum Marktzins verzinst. Im Kern sind das kurzfristige Schuldtitel des Staates, mit denen sie langfristige Schuldtitel des Staates kauft. Sie versucht so, die Zinsstrukturkurve zu verändern. Das ist nicht besonders gefährlich. Es wird einige Zeit dauern, bis das wieder abgewickelt ist, aber die Tätigkeit als solche ist nicht sonderlich gefährlich.“

„Ich glaube nicht, dass Aufseher oder Notenbanker gut darin sind, Blasen zu erkennen, weil es keine Blasen an den Finanzmärkten gibt. Blasen sind etwas, was Menschen den Märkten verbal anheften, um im Nachhinein einen Krach zu erklären. Aber Blasen sind nicht prognostizierbar. Auch wenn die Preise schon lange gestiegen sind, weiß man nicht, ob sie noch weiter steigen oder zusammenbrechen werden“, und hörte meinen Vater in schallendes Gelächter ausbrechen als ich ihm dieses Zitat des neuen Wirtschafts-Nobelpreisgedenkträgers Eugene Fama vorlas, der sich in der Online Ausgabe der Frankfurter Allgemeine Zeitung am Donnerstag die Ehre gegeben hatte.

„Aber in den 27 Fällen der vergangenen 40 Jahre, in denen das Schuldenlimit angehoben wurde, sei das immer wieder genutzt worden, um wichtige politische Änderungen vorzunehmen, die tatsächlich die Ausgaben reduzieren und uns auf einen vernünftigeren fiskalischen Weg bringen würden”.

Ich glaube, dass das Gelächter meines Vaters bis zu unseren Nachbarn zu hören war, als ich ihm dieses letzte Zitat vorlas, das von John Boehner, dem republikanischen Sprecher des Repräsentanten-Hauses der USA stammte, der in dem Artikel in der Online-Ausgabe der „Welt“ am 09. Oktober versicherte, dass er mit Obama übereinstimme, dass die USA „ihre Rechnungen bezahlen sollen.“

„Kleines, vier Zeitungen, die zu den sogenannten Qualitätsmedien gehören, vier Aussagen, dass wir uns weder Sorgen zu machen brauchen, noch uns in Anbetracht der höchsten Schuldenstände aller Zeiten Gedanken machen müssen, ob in dieser Welt nicht ganz gewaltig etwas schief läuft.“

Mein Vater stand auf und zog das Buch „Das Scheingeldsystem“ von Murray Newton Rothbard, neben Friedrich August von Hayek der bedeutendste Schüler Ludwig von Mises, aus dem Regal und las mir vor: “Für den Staat waren das erzwungene Münzmonopol und die Verordnungen über gesetzliche Zahlungsmittel Meilensteine auf dem Weg zur Herrschaft über das Geld ihrer Völker…. Die Regierungen konnten nur dadurch zu unumschränkten Herrschern über das Geld werden – und ihre Münzfälschereien blieben nur deshalb unangefochten – weil es in den letzten Jahrhunderten zur Verbreitung von Geldsubstituten kam.“

Er blickte mich an und versuchte zu ergründen, ob ich die Essenz seines Zitats verstand. Er beschloss deutlicher zu werden.

„Die dreisteste Art, wie der Staat die Inflation anheizen kann, besteht eher darin, den Banken ein Privileg zu erteilen, demzufolge sie die Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten verweigern und trotzdem mit ihren Geschäften fortfahren könne. Während jeder andere seine Schulden zurückzahlen oder in Konkurs gehen muß, wird den Banken erlaubt, die Einlösung ihrer Belege zu verweigern und gleichzeitig ihre eigenen Schuldner zur Zahlung zu zwingen, wenn deren Kredite fällig werden.

Gewöhnlich wird dieser Sachverhalt als „Einstellung der Metallgeldauszahlungen“  bezeichnet. Richtigerweise wäre wohl der Ausdruck „Lizenz zum Diebstahl“ – oder wie sonst könnte man die staatliche Erlaubnis nennen, seine Geschäfte weiterführen zu dürfen, ohne seine Verträge einhalten zu müssen?“

Das war ein Ding! Meine Vorstellung war immer gewesen, dass es die Banken allein sind, die die ganze Verantwortung für das finanzielle Elend dieser Welt trugen. Das Gehörte hier verteilte den Schmutz deutlich gleichmäßiger.

Mein Vater schien enorm wütend zu sein als er „Nationalökonomie“ von Ludwig von Mises vom Tisch nahm. Dieses Buch fand selten den Weg zurück ins Regal, so oft las er darin. „Fast jedes der dort geschriebenen Worte passt in unsere heutige Zeit. Es ist fast so, als hätte Mises in die Zukunft gesehen. Er lebte in Zeiten, die unseren heutigen sehr ähnlich sind. Nur damals hatten die Menschen nicht die Möglichkeiten wie heute, es gab nicht diese vielen Zeitungen, es gab nicht Dutzende von Fernsehprogrammen, es gab kein Internet. Warum nur bemerken so viele nicht, in welcher Gefahr wir uns befinden und dass das alles schon einmal da war?“

Er konzentrierte sich auf die vor ihm liegenden Zeilen und zitierte: „Ein Rückblick auf die Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts kann heute feststellen, daß das Versagen des Liberalismus in der Bankfrage dem kapitalistischen System zum Verhängnis geworden ist. Daß die liberalen Politiker in diesem Punkte vor den volkstümlichen Irrtümern zurückgewichen sind, daß sie die doppelte Irrlehre, daß der Staat auf „billiges“ Geld und hohe Preise hinarbeiten müsse und daß man beides durch Kreditausweitung dauernd und ohne sonstige Nachteile erzielen könne, nicht auzurotten vermochten, daß sie den von der Currency-Schule begonnenen Kampf gegen die Politik der Kreditausweitung nicht mit aller Macht fortgesetzt haben, hat die schwerwiegendsten Folgen gehabt. …

Die öffentliche Meinung gewöhnte sich daran, in den „Auswüchsen der Haussepekulation“ und in den Widrigkeiten des Niedergangs Übelstände zu erblicken, die dem kapitalistischen System notwendigerweise anhaften. Sozialistische und interventionistische Ideen konnten allgemein Anklang finden, weil man in den Krisen eine unabwendbare Begleiterscheinung „freier“ Wirtschaft zu sehen glaubte. Man begriff nicht, daß die Übelstände, die man beklagte, die Folge von Bemühungen waren, den Zinsfuß künstlich durch Kreditausweitung zu drücken, und suchte daher die Wirkungen der Intervention auf dem Darlehensmarkte nicht durch Beseitigung  der Einrichtungen , die Kreditausweitungen möglich machten, zu erreichen, sondern durch weitere Interventionen zu Gunsten der geschädigten Interessen einzelner Gruppen und Schichten. So verstrickte man sich immer stärker in das Gestrüpp der Interventionen, aus dem sich kein Ausweg mehr finden ließ.“

Und das 1940! – geschrieben zu einer Zeit, die uns zu Recht als eine der dunkelsten Kapitel unserer jüngeren Vergangenheit in Erinnerung bleiben wird. Ich wusste nicht, ob ich noch mehr hören oder lesen wollte. In der üblichen Presse waren Lobhudeleien auf die Schuldenmacherei zu hören. Billiges Geld schien der Schlüssel zum Glück zu sein.

Ich hatte gelesen, dass die USA seit der Beendigung des Streits zwischen Demokraten und Republikanern, den mein Vater spöttisch den „Zeitvertreib für Gelangweilte“ nannte, neue Schulden in Höhe von 328 Milliarden US-Dollar gemacht hatten und die aktuelle Verschuldung nun bei rund 17 Billionen US-Dollar lag.

„Politiker sprechen immer von Vertrauen. Aber in welcher Tatsache sehen sie diese Forderung nach Vertrauen begründet? Es wird davon schwadroniert, dass die USA „pleite sei“.  Dabei wäre dieser Zustand geradezu paradiesisch, stünde dann nämlich der Kontostand bei „Null US-Dollar“. Dann wären sie pleite. Jetzt sind sie klinisch tot. Die verschwenderischen Regierungen haben mit der Bankenwelt gemeinsame Sache gemacht.

Banken waren in der Vergangenheit selten darauf erpicht, als Hüter der Nächstenliebe in die Geschichte einzugehen. Schon sehr früh haben sie geltendes Recht gebrochen und wurden dafür sogar einmal bestraft. Nun werden sie für ihr Fehlverhalten belohnt, was auch nachvollziehbar ist, denn welche Institution sollte sonst den Staatsanleihenschrott, der nichts mehr wert ist, noch kaufen? Wer wäre so verrückt, Geld in etwas zu investieren, das nur wegen der Staatsgarantie noch einen Pfifferling wert ist? Und selbst das ist eine Lüge. Wie kann ein Staat für etwas garantieren, wenn er die bestehenden Verpflichtungen nicht einmal einlösen kann? Wie vertrauenswürdig soll jemand sein, der schon beim Geben des Versprechens hundertprozentig weiß, dass er einen ungedeckten Scheck ausstellt?

„Wie sagte Roland Baader? Die reine Goldwährung oder die zu 100 Prozent goldgeckte Währung ist der der einzig wirksame Schutzzaun, der zwischen Bürgern und Leviathan errichtet werden kann. In dem Moment, in dem die Bürger eine staatliche Papiergeldwährung akzeptieren, gibt es kein theoretisches und kein praktisches Hindernis mehr gegen ihre vollständige Ausbeutung und Versklavung – auch nicht in Form einer noch so perfekten Verfassung und er hatte einen recht unappetitlichen, wenn auch überaus treffenden Vergleich parat:

Wenn früher böse Buben Frösche mit einem Strohhalm aufgeblasen und zum Platzen gebracht haben, nannte man das Tierquälerei. Wenn heute Zentralbanken und Regierungen dasselbe mit ganzen Volkswirtschaften machen, nennt man das moderne Geld- und Konjunkturpolitik.“

Ich betrachtete meinen Vater und mir war gar nicht gut. Wie verantwortungslos – oder, was fast noch schlimmer war – wie ahnungslos waren die Menschen, die in den „Qualitätsmedien“ zu Wort kamen?

Bei dem Investmentheini konnte ich das verstehen, der verdiente mit der ganzen künstlichen Falschgeldflut Unmengen. Bei dem amerikanischen Politkasperl auch, denn wer sollte dessen Gehalt zahlen, wenn der Steuerzahler irgendwann sein Geld für sich brauchen würde? Bei diesem Piper konnte ich mir ebenfalls erklären, woher der Quatsch kam. Durch meinen Onkel, der auch Volkswirtschaft studiert und sich dann wegen dem „Irrsinn, der dort gelehrt wird“, für ein anderes Studium entschieden hatte, ahnte ich zumindest, dass die Lehren eines John Maynard Keynes Hochkonjunktur hatten.

Alle profitieren von dieser Falschgeldflut. Aber ein Nobelpreisträger? Gut, ok, auch Obama hatte schon einen bekommen und dann natürlich die EU, was besonders charmant war. Aber in meinem jugendlichen Kopf schwirrte die Idee, dass man einen Nobelpreis nicht unbedingt bekommen sollte, wenn man sich mit seinen Aussagen zum Horst machte.

Ich verstand jetzt, warum „Forrest Gump“ am Vorabend wichtig gewesen war. „Dumm ist, wer dummes tut!“.

„Die da oben“ sind leider nicht nur dumm. Sie sind Narren, sie sind Ausgeburten der Hölle, gemeingefährliche Kreaturen, die jeden über die Klinge springen lassen, der naiv genug ist, ihnen zu glauben. Ich schor mir, dass ich niemals dazu gehören wollte.

Dies ist der vierte Teil einer Serie, die in respektvoller Erinnerung an den herausragenden österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises (1881 – 1973) in sieben Gesprächsintervallen erscheint.

Erster Teil: Ein Mann – ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über den Liberalismus

Zweiter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Österreichische Schule der Nationalökonomie

Dritter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Freiheit und den Frieden

Fünfter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über schädliche Sozialpolitik

Sechster Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Gleichheit vor dem Recht

Siebter Teil: Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über die Feinde der Freiheit

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