Ein Erfolg der zum Weitermachen auffordert

Die ersten Debatten in der Friedensbewegung über eine Beteiligung an den Aktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg waren von viel Skepsis begleitet. Die Vorbereitungen in den verschiedenen Bündnissen gestalteten sich schwierig. Die verschiedenen Formationen der außerparlamentarischen Bewegungen hatten eigene Schwerpunkte und unterschiedliche Aktionsvorschläge. Eine gemeinsame Plattform und die Durchführung der gesamten Aktionswoche mit unterschiedlichen inhaltlichen Aktionen gelang leider nicht. Deshalb war es ein großer Erfolg, den wir vor allem unseren Hamburger Freunden, aber auch unseren Partnern aus Migrationsorganisationen zu verdanken haben, dass es am 27. Januar 2017 gelang, einen gemeinsamen Aufruf für eine gemeinsame Demonstration am 8. Juli zu vereinbaren. Erstmalig seit Jahren Anti Globalisierungskritischer Aktionen gelang es, die Fragen von Krieg und Frieden im Aufruf deutlich zu betonen.

Zur Erinnerung der Aufruf beginnt mit den Sätzen:

„Es läuft etwas gehörig falsch auf der Welt:

  • Kriege und bewaffnete Konflikte wie in Syrien, in Kurdistan, im Irak oder der Ukraine scheinen kein Ende zu nehmen. 1,8 Billionen Euro werden jährlich für Rüstung und Krieg ausgegeben. Gleichzeitig steigen die Rüstungsexporte.
  • Über 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die Grenzen Europas und Deutschlands sind wieder abgeschottet. Auf der Suche nach Sicherheit ertrinken tausende Menschen im Mittelmeer, das zur tödlichsten Grenze der Welt geworden ist.“

Sicherlich gab und gibt es unterschiedliche Bewertungen in verschiedenen Teilen der Friedensbewegung über die politischen, strategischen und taktischen Differenzierungen gegenüber den 19 auf dem Gipfel vertretenen nationalen Repräsentanten. Acht der 20 an dem G20-Tisch Sitzenden – wir zählen die Europäische Union als ein Mitglied, obwohl nicht alle Staaten der Europäischen Union Mitglieder der NATO sind – gehören der NATO an. Diese NATO-Staaten haben mit weiteren Acht der G20 Staaten militärische sicherheitspolitische Kooperationen, meistens unter dem Stichwort „Partnership for Peace“, aber seit den letzten NATO Gipfeln in Brüssel, Warschau und Newport/Wales auch weitere Sicherheitspolitische Vereinbarungen, geschlossen. Diese Staaten sind Japan, Indien, Australien, Mexiko, Süd Korea, Indonesien, Brasilien und Saudi-Arabien. Es sitzen also 16 Staaten an diesem Tisch,
die eng mit einem Militärbündnis verbunden sind, das sich offensiv auf seine Fahnen schreibt, die Rohstoff- und Profitinteressen und die Handelswege der wesentlichen imperialen Mächte dieser Welt zu sichern.

Für uns war zudem klar, dass alle dort vertretenen Länder an Kriegen und/oder an der Aufrüstungs- bzw. Rüstungsexportpolitik beteiligt sind. Um den unterschiedlichen Einfluss und realen Gestaltungswillen der politischen Repräsentanten wissend, haben wir uns besonders gegen die Kriegsführungsstrategien und die Dominanz der NATO engagiert.

In den vergangenen Monaten verständigten wir uns zwischen der „Kooperation für den Frieden“, dem „Bundesausschuss Friedensratschlag“, dem „Bremer Friedensforum“ und dem „Hamburger Forum“ auf einen eigenen Beitrag für die inhaltlichen Debatten beim „Gipfel für globale Solidarität“ am 5. und 6. Juli auf dem Kampnagel-Gelände in Hamburg. Wider Erwarten war die Resonanz unserer zwei Podiumsrunden mit jeweils über 400 Teilnehmenden außergewöhnlich gut. Es ist ein Beleg dafür, dass Friedensarbeit und die internationale Vernetzung der Friedensbewegung inzwischen wieder zu einem wichtigen Thema geworden sind. Beim „Alternativgipfel“ wurde in 11 Podiumsrunden und 80 Workshops über die Entwicklung anderer Lebens- und Arbeitsbedingungen, für einen nachhaltigen Klimaschutz, gegen ökologischen Raubbau, gegen Kriegspolitik und Militarisierung, die zu millionenfacher Flucht der Menschen führen, diskutiert.


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Die Atmosphäre der Veranstaltungen beim „Gipfel für globale Solidarität“ erinnerte stark an die Sozialforen Anfang des Jahrhunderts. Bunte Vielfalt, Info-Tische, zentrale Veranstaltungen („Podien“) und jede Menge Workshops. Bereits zur Auftaktveranstaltung kamen über 1000 Menschen – besonders viele Hamburgerinnen und Hamburger verschiedenen Alters.
Diese Vielfalt bei den Veranstaltungen, in den Aktionen und bei den Demonstrationen kennzeichnet die eigentliche Stärke der Proteste zum G20 Gipfel in Hamburg. Vereint in der Einsicht, dass wir die Veränderung dieser Welt nicht den Mächtigen überlassen können, sondern sie jetzt in die eigenen Hände nehmen müssen. Bei unseren Podien wurde besonders die aggressive Politik der NATO und ihre enge Verbandelung mit der EU und dem Großteil der Staaten, die am G20-Gipfel teilnehmen, unter Beteiligung von Gastreferenten aus den USA, Frankreich, Großbritannien und von den Philippinen thematisiert. Die große Beteiligung gerade von jüngeren Menschen, verdeutlicht, wie sich nun auch diese Generation politisiert. (Weitere Informationen dazu unter www.friedensdemo.org.)

Dieser Alternativgipfel fand in den Medien kaum Beachtung. Umso wichtiger ist, dass wir als Friedensbewegung aus dem offensichtlich vorhandenen Bedürfnis nach Diskussion und Vernetzung für unsere Themen aktuelle Schlussfolgerungen ziehen.

Die unter uns, die einige Tage in Hamburg dabei waren, sahen, dass die Innenstadt, einer Festung glich. Eine Festung, die in den letzten Monaten systematisch und akribisch vorbereitet und gebaut wurde. Das Straßenbild in Hamburg war verwaist – wenn man von den lautstarken Polizeikolonnen und den unterschiedlichen Demonstrationen und Aktionen absieht.

Der Protest und Widerstand gegen die Treffen der Regierungsvertretungen wurde bereits im Vorfeld kriminalisiert. Wir kennen es von G8/G7-Treffen, aus Heiligendamm, von der Sicherheitskonferenz in München oder von Blockupy Aktionen in Frankfurt. Doch wie brutal demokratische Grundrechte in Hamburg einfach außer Kraft gesetzt wurden, war durchaus von einer neuen beängstigenden Qualität.

Die Bundesregierung und der SPD-geführte Senat in Hamburg hatten alles unternommen, um die Proteste gegen den G20-Gipfel möglichst klein zu halten: eine Unmenge an.

„Auflagen“ (z.B. für Protestcamps), Schikanen, Abdrehen von Buslinien, Zwangsurlaube, Aufforderung an die Bewohnerinnen und Bewohner die Stadt zu verlassen, Hetze in einigen Mainstream-Medien und ein Maximum an Repressionskräften mit ca. 22 000 Polizisten.
Die Bevölkerung sollte in der Weise verunsichert werden, die Aktionen und Demonstrationen seien die Verursacher der Einschränkungen von Bewegungsfreiheit. Dazu wurden dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit die zurechtgebogenen Versammlungsgesetze mit Möglichkeiten der Einschränkung des Demorechts entgegengehalten. Regeln und Gesetze wurden mit staatlicher Willkür gebrochen.

Während der offizielle Gipfel – auch von den Medien als nicht erfolgreich interpretiert – mit einem unverbindlichem (aber zutiefst neoliberalen) Papier endete, gingen am Samstag, den 8. Juli fast 80 000 Menschen gegen den G20-Gipfel auf die Straße. Dazu haben wir mit unserer eigenen Mobilisierung (sicher regional unterschiedlich mit hoher Beteiligung aus Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein) beigetragen. Die Friedensbewegung bildete einen eigenen großen Block, zu dem Friedensinitiativen mit ihren Transparenten und Forderungen gehörten. Das Leittransparent hatte das Motto: „Statt G20: Kriege beenden! Abrüsten!“. Positiv zu vermerken ist zudem, wie viele sich spontan dieser Demonstration, auch den Aktionen in den Tagen zuvor, anschlossen. Sie bildeten den größten Teil der Teilnehmenden. Gerade das macht uns Hoffnung.

Die Themen Gerechtigkeit, Klimaschutz und Frieden standen in den Reden und auf den Transparenten während der gesamten Demonstration und bei den Kundgebungen im Vordergrund. Alle diese Themen wurden gar nicht oder völlig unzulänglich auf dem Gipfeltreffen der G20-Staaten zum Thema gemacht.

Sehr abgestuft wurde dann das Recht auf Demonstration von den Behörden zugelassen, eingeschränkt oder auch bei anderer Gelegenheit von der Polizei einfach behindert. Das Zeltcamp in Entenwerder wurde geräumt. Eine Demonstration der Polizeimacht. Äußerst aggressiv wurde am 6. Juli aus nichtigen Gründen eine Demonstration mit 12 – 15.000 Teilnehmenden angegriffen. So sollten die Bilder provoziert werden, welche die Innenbehörde nachträglich zur Rechtfertigung ihrer Eskalationsstrategie benötigte. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Bild der Berichterstattung auch in den Medien gedreht. Auch viele Journalisten hinterfragten nun die staatliche Eskalationsstrategie. Sie forderten Deeskalation. Die Frage der Gewalt an den verschiedenen Schauplätzen während des Gipfels bleibt zu klären – auch mit einem Untersuchungsausschuss. Wir als Friedensbewegung wissen, was Hass, Gewalt und Machtgehabe erzeugen. Es wäre daher wichtig gewesen sich im Bündnis früher, deutlicher und klarer auf einen Aktions- und Demokonsens zu verständigen, der Aktionen sinnloser Gewalt eindeutig ausschließt. Das, wie auch die staatliche Eskalationsstrategie, müssen umfassend aufgearbeitet werden.

Wir sagen es deutlich: Es gibt Alternativen zum Modell des G20-Gipfels. Während die Welt am Wochenende auf den G20-Gipfel schaute, wurde in New York Geschichte geschrieben. 122 UN-Mitgliedstaaten beschlossen nach monatelangen Verhandlungen einen Verbotsvertrag für Atomwaffen. Das völkerrechtlich bindende Abkommen verbietet Entwicklung, Produktion, Besitz, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen. Allem Widerstand der Atommächte zum Trotz wird der Verbotsvertrag nach der Ratifizierung vermutlich noch in diesem Jahr in Kraft treten. Der 6. August wird ein Tag sein, wo wir als Friedensbewegung bundesweit darauf hinweisen werden.

Bei aller Kritik an der Konstellation der UNO: sie bleibt der verbindlichere Ort der völkerrechtlichen Vereinbarungen. Denn die Entscheidung vom 7. Juli in New York ist wichtiger für die Entwicklung der Menschheit als der „totale Fehlschlag“ des G20–Gipfels.

Wir werden uns gemeinsam über unsere weiteren Aktionen und unsere Mobilisierung für eine friedlichere und gerechtere Welt verständigen. Dazu wird ein bundesweites Treffen der Friedensbewegung am 8. Oktober (wahrscheinlich in Essen) eine gute Gelegenheit sein.
Thematisieren werden wir diese Frage aber auch bei den Veranstaltungen zum Antikriegstag, am 1. September und während der Aktionen an der US Air Base Ramstein Anfang September. Die Möglichkeiten und die Bereitschaft für größere und große Aktionen auch der Friedensbewegung sind durch „Hamburg“ besser geworden.

Für die Koordination der Friedensaktivitäten zum G20–Gipfel in Hamburg

Reiner Braun (Mitglied des Kooperationsrates der Kooperation für den Frieden, IPB)
Andreas Grünwald (Hamburger Forum)
Ekkehard Lentz (Bremer Friedensforum)
Willi van Ooyen (Bundesausschuss Friedensratschlag)

Spendenkonto
Unsere Beteiligung an der Demo kostete Geld. Allein schon für den Lautsprecherwagen und für
eine Anlage, mit der wir möglichst viele Menschen erreichen wollen. Dazu kommen Zuschüsse für
das Demo-Bündnis.

Für den Alternativgipfel hatten wir Gäste der Friedensbewegung aus den USA, von den
Philippinen, aus Großbritannien und Frankreich sowie weitere Gäste eingeladen. So entstehen
Hotel und Reisekosten. Für eine finanzielle Unterstützung unserer gemeinsamen Aktionen sind
wir deshalb sehr dankbar.

Spendenkonto:
Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V.
IBAN: DE20 5005 0201 0200 0813 90
Stichwort: Frieden-G20

Quelle: bremerfriedensforum 

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