Nur wenn diese Gang noch einmal regiert, kann sie erledigt werden
Interview* mit Prof. Albrecht Goeschel**
Frage:
Herr Professor – das ist jetzt ja schon das übliche Spiel. Wir drohen ein Interview an und Sie geben uns erst einmal etwas zum Lesen. Diesmal war es ein Fachbeitrag aus dem Ökonomenmagazin MAKROSKOP. Bei einem der letzten Interviews war es ein Fachbeitrag aus der Vierteljahresschrift TUMULT. In beiden Veröffentlichungen haben Sie sich die Staatsfinanzierung der Bundesrepublik Deutschland vorgenom- men. So ganz nah an der drohenden erneuten Kanzlerschaft Merkels ist das aber nicht – oder ?
Goe.:
Ist es schon – dazu gleich mehr. Ich hätte jetzt aber eigentlich erwartet, dass Sie mich fragen, ob und wie das zusammenpasst: Tumult und Makroskop. Die Vierteljahresschrift wird landauf und landab als Edelblatt der neuen Rechtsintellektuellen kritisiert oder applaudiert, das Ökonomenmagazin führt seit einem Jahr bravourös die Jämmerlichkeit, aber auch Bösartigkeit der neo-liberalen Idiotien und Ideologien und ihrer Professor(inn)en vor und bezeichnet seine Linie als Progressiv.
Frage:
Ja, lieber Herr Professor, wenn Sie jetzt schon selbst die Interviewfragen stellen – geben Sie uns doch bitte auch gleich die Antwort !
Goe.:
O.K. – also zum Mitschreiben: Tumult und Makroskop vertragen sich ganz vorzüglich. Beide Publikationsorgane und ihre Redaktionen zeigen den festen Willen und die unerschrockene Bereitschaft zu schonungsloser und grundsätzlicher Kritik auf hohem Niveau. Gesinnungsschreiberei , Meinungswissen und Wirk-lichkeitsverfälschung überlassen sie den Wahrheitsmedien des Systems und den genau so schwer zu ertragenden Bekenntnisorganen des Linksmilieus.
Frage:
Und welche Wirkung erwarten Sie sich von Veröffentlichungen in Tumult und Makroskop?
Goe.:
Also diese Frage erinnert mich irgendwie an die im Studentenrebellionsjahr 1967 von überwollenden Journalisten, Diskussionsveranstaltern etc. gestellte und zu Recht verlachte Frage „Was wollen die Studenten ?“. Unabhängig von dieser Nebenbemerkung: Die große politische Aufgabe dieser Tage ist doch, die keineswegs mehr merkel-chloroformierten, sondern längst gemeinschafts-engagierten Leute, nationale und konservative Leute ebenso wie progressive Leute, mit all den Erkenntnissen und mit all dem Wissen über den Weltkapitalismus und über die US-imperialistische neue Weltordnung, aber auch über deren deutsche und europäische, asiatische, lateinamerikanische etc. Satrapien auszustatten. Es gibt einen
enormen Fundus an Erkenntnissen und Wissen, der aber leider in den falschen Händen ist . Von korrumpierten Regime-Soziologen oder raditionalistischen Links-Ökonomen möchten die Leute halt lieber keine Belehrungen bekommen.
Frage:
Da haben Sie jetzt aber keine Sorge, dass Sie vielleicht als „Populist“ oder gar als „Querfront-Denker“ verdächtigt werden ?
Goe.:
Also: Wenn ich mir die Leute ansehe, von denen solche Blödeleien kommen können und gerade in Bezug auf unsere fundamentale Kritik des kapitalistischen Sozialstaats, der Monstranz der Linken, auch schon gekommen sind, dann muss ich denen zu aller erst empfehlen, doch ruhig einmal ein paar lehrreiche Bücher zu lesen – dann kann man weiterreden. Auf den auch nicht unwichtigen Umstand, dass sich hier bevorzugt Leute mit gehobenen Spießer-Biographien vordrängen, muss ich dann gar nicht zu sprechen kommen.
Frage:
Für Tumult haben Sie in einem langen historischen Rückblick nachgezeichnet, dass und wie die Mehrwertsteuer als eine besonders heimtückische Konfiskationsart zur heute wichtigsten Einnahmequelle für das Merkel-Regime geworden ist. In Makroskop haben Sie einen ähnlichen Rückblick darauf geboten, auf welchen Wegen und über welche Stufen die Staatsfinanzierung aus Einkommens-, Unternehmens- und Vermögenssteuern abgebaut und durch eine Finanzierung der Staatsaufgaben und Staatsausgaben aus den Sozialbeiträgen der so genannten Arbeitnehmer ersetzt worden ist.
Goe.:
Genau um solche Analysen geht es, wenn man das Merkel-Regime und eventuelle Nachfolge- oder Ersatzregime der gleichen Art dauerhaft erledigen will. Der WeltKapitalismus und seine US-imperialistische Neue Weltordnung sind ja keine Weltregierung, sondern ein Interessennetzwerk nationaler Satrapien nebst der profitierenden Eliten einerseits und der Weltkonzerne und ihrer nationalen Filialen andererseits.
Dabei herrscht zwischen Teilen dieses Netzwerks auch noch ein erbitterter Konkurrenzkampf um die Höchstprofite. Es kommt daher darauf an, die spezifischen nationalen und supranationalen Ausplünderungskonzepte (EU, NAFTA, TTIP, CETA etc.) genau zu kennen, um sie erfolgreich bekämpfen zu können. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass man weiß, wie die jeweiligen Satrapien finanziert werden. Für Merkels Deutschland haben wir das in den Fällen Mehrwertsteuer und Sozialbeiträge jetzt erledigt. Als nächstes wäre die Lohnsteuer an der Reihe.
Frage:
In ihren zahlreichen Artikeln und Interviews der letzten Jahre haben Sie kein einziges Mal angeraten,die Parteien des Merkel-Regimes nicht mehr zu wählen.Warum ?
Goe.:
Nicht nur die Kanzlerinnenperson Merkel, sondern auch der GroKo-Clan und die gesamte Parlaments-Gang der Kopfnicker-Opposition muss unbedingt noch einmal ein paar Jahre Unheil anrichten. Die dann weiter gewachsene Wut auf das Regime und weiter gewachsene Gegenöffentlichkeit gegen die Systemmedien bieten erst so richtig die Basis dafür, dass das “Volk“ und seine „Klassen“ besser erkennen, ver- stehen und begreifen, was sich in den letzten Jahrzehnten hinter dem Firmenschild „Bundesrepublik Deutschland“ für ein menschenfeindlicher und lebensbedrohlicher Stützpunkt der „Neuen Weltordnung“ entwickelt hat.
Frage:
Sie würden sich also freuen, wenn es nochmals eine GroKo geben würde ?
Goe.:
Ja – aber Hallo. Nicht nur wegen der schon dargelegten Gründe. Sondern auch weil dann endlich die Sozi-Partei auf der politisch-historischen Deponie verschwindet. Sie und ihr ganzer Rattenschwanz von Stiftungen, Forschungseinrichtungen, Zeitungsverlagen, Tagungsstätten, nicht zu vergessen die Hilfstruppen der so genannten Sozialverbände sind doch die falschen Hände, in denen sich wichtiges gesellschaftliches und gesamtwirtschaftliches Wissen befindet . Allein dadurch, dass auf diesem Wissen häufig der SPD-Stempel prangt, ist es für die Leute ungenießbar und daher unverwendbar. Zusätzlich wird dieses Wissen den Leuten vorenthalten oder verfälscht.
Frage:
Ja – könnte sein, dass sich der Sozi-Verein, wenn er weg von den Pöstchen, Diäten und Budgets ist, wieder als Pseudo-Opposition reanimiert, dass er sich nur mittels erneuter GroKo wirklich endgültig eliminiert. Klingt aber irgendwie dürftig angesichts der Qualen, die allein schon der Anblick von Merkel weitere vier Jahre erzeugt.
Goe.:
Wenn uns vier Jahre „Weiter so“ in den Schoß fallen sollten, dann haben wir die Chance, nicht nur das Regime auf die eine oder andere Weise endgültig loszuwerden, sondern auch das dahinter stehende System umzubauen.
Frage:
Haben Sie da einen Abriss- und/oder Umbauplan, Herr Professor ? Sie haben doch jahrelang an der Architekturabteilung der Münchner Kunstakademie Vorlesungen zur „Planungsökonomie“ gehalten ?
Goe.:
Sehr komisch ! Um Architektur, Städtebau und Urbanismus geht es beim Systemumbau ja eher nicht.Wiewohl: Die immer katastrophalere Wohnungssituation in den Ballungsräumen, die Siedlungsform „Flüchtlingslager“, Verödungsregionen, Wackelbrücken, Schlaglochautobahnen, unhygienische Schultoiletten etc. – das ist natürlich original „Merkel-Architektur“. Das wäre ein richtig spannendes Projekt für die Archi-
tekturstudierenden:Eine gut erläuterte Fotodoku „Merkel-landscape“ – käme vielleicht gleich nach einer Fotodoku „Allied Airforces Bombing-landscape“.
Frage:
Sollen wir nochmals fragen ?
Goe.:
Nein danke. Bei dem von mir gemeinten Umbau geht es zunächst einmal um einen anderen Blickwinkel der Leute auf das Land. Nicht mehr Froschperspektive, sondern Adlertopographie. Das wichtigste ist, dass die Leute sehen lernen, dass der ganze Laden ihnen längst gehört, dass sie mit Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und Sozialbeiträgen nicht nur das gegenwärtige Regime, sondern das dahinter stehende Politische System finanzieren.
Frage:
Vor diesem Interview haben wir Ihre Publikationen der zurückliegenden fünf Jahre durchgesehen. Da ist nicht nur der Ton zunehmend schärfer geworden, Sie haben Ihre Kritik auch auf den bewusst so apostrophierten „kapitalistischen“ Sozialstaat konzentriert. Warum ?
Goe.:
Der kapitalistische Sozialstaat, insbesondere der deutsche Sozialversicherungsstaat, ist die ganz große Illusion, der die Leute heute, so wie einst die Religion bis vor ein paar Jahrzehnten, davon ablenkt, ihre eigene Kraft zu erkennen und ihrem eigenen Willen zu folgen und selbst über das zu bestimmen, was ihnen auch selbst gehört. Das von den Sozis, dem Linksmilieu und den Gewerkschaften angezettelte Umverteilungs- und Gerechtigkeitsgewäsch bezieht sich lediglich auf das, was „post festum“, nach der Mahlzeit vom Tisch der Eliten in Wirtschaft und Politik herunter gewischt wird, nicht aber auf das, was überhaupt auf den Tisch kommt, wer überhaupt am Tisch sitzt und wer letztlich gekocht und zuvor eingekauft hat.
Frage:
In einer der letzten Ausgaben Tumult haben Sie einen Beitrag zum Thema „Sozialstaat: Giftige Frucht des Kapitalismus“ veröffentlicht. Ist die Fundamentalanalyse und Radikalkritik des Sozialstaats sozusagen das Planungskonzept Ihrer Abriss- und Umbaupläne für Regime und System ?
Goe.:
Kann man so sagen. Schließlich ist der „Sozialstaatsprozess“, dieser Begriff ist tref-fender, der fortlaufende und meist unmerkliche Mechanismus, bei dem die Normallöhne der großen Masse der abhängig Beschäftigten dafür benutzt werden, mit den daraus konfiszierten Sozialbeiträgen die Niedriglöhne der prekär Beschäftigen zu subventionieren – d.h. insgesamt das Lohnniveau im Geschäftsmodell Deutschland niedrig zu halten.
Frage:
Wie bitte ? Ginge das noch einmal ?
Goe.:
Nein – steht doch in der Tumult. Dafür gebe ich lieber noch einen anderen Hinweis darauf, dass und wie der Sozialstaat der beste, und von den Leuten auch noch angebetete, Garant eines niedrigen Lohnniveaus im Geschäftsmodell Deutschland ist.
In der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sorgen die Beiträge und die Leistungen, die im „Umlage“-Verfahren aufgebracht werden, dafür,dass kein Arbeitnehmer und keine Arbeitnehmerin für Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Alter so viel zurücklegen muss, dass die vollen Kosten von ihnen oder der Familie bezahlt werden können. Wäre dies der Fall, dann wäre sofort Schluss mit dem „Geschäftsmodell Deutschland“, dann würden die unvermeidlich enorm viel höheren Normallöhne den Export- und Dumpinglohnterror der Konzerne mit Geschäftssitz in Deutschland gegen die anderen Volkswirtschaften sofort beenden.
Frage:
Mit dieser makroökonomischen Sozialstaatskritik passen Sie natürlich gut in das Magazin Makroskop, das ja die Fundamentalkritik am deutschen Exportextremismus wirtschaftswissenschaftlich anführt.
Goe.:
Sag’ ich doch. Zum Schluss aber noch etwas, auf das wir bei einem 4. Regime Merkel, vor allem bei einer erneuten GroKo, höllisch aufpassen müssen: Ich spreche jetzt bewusst nicht von der angestrebten EU-Regierung, von der Anti-Rußlandaufrüstung, von einer erneuten Umvolkungswelle, von Mehrwertsteuer- und Sozialbeitragserhöhungen etc. Ich bleibe ganz nah am Sozialstaat:
Den Eliten in Deutschland reicht es nicht, dass ihnen der Sozialstaat sich selbst verbilligende Arbeitsware liefert, dass man die Infrastrukturen des Sozialstaats durch Privatisierung zu Profitquellen gemacht hat und dass mit den Sozialbeiträgen das bezahlt wird, wofür normaler weise Einkommens-, Unternehmens- und VermögensSteuern fällig sind. Nein: Die Eliten wollen auch noch diese Beiträge billiger machen.
Bevorzugt wird zu diesem Zweck die Gesundheitsversorgung verschlechtert. Und genau das haben wir bei einem 4. Regime Merkel zu erwarten: Einen rabiaten Kahlschlag bei den Krankenhäusern mit hunderten von Klinikschließungen. Die Krankenkassenkonzerne betreiben schon eifrig Anti-Krankenhaushetze und die üblichen gekauften „Expert(inn)en“ haben schon die benötigten Gutachten zusammengeschrieben.
Hoffentlich ist aber der zu erwartende Merkel-„Krankenhausputsch“ nach dem Merkel-„Willkommensputsch“ dann der eine Putsch zu viel für das Regime und seine Gang.
Frage:
War’s das ?
Goe.:
Das war’s – Danke –Bitte.
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Zum Abdruck mit unverändertem Inhalt frei !
Quelle: Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale Verona
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