Draghis große Inszenierung

von Frank Schäffler

Als ich hier an dieser Stelle am 15. Februar über das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum unbegrenzten Ankaufprogramm von Staatsanleihen schrieb, war ich der Auffassung, dass EZB-Präsident Mario Draghi künftig nur mit angezogener Handbremse agieren könne, denn das Verfassungsgericht schränke in seinem Urteil den Handlungsspielraum der EZB erheblich ein. Es sei denn, so schränkte ich damals ein, Draghi schere sich weder um das Urteil des EuGH noch des Bundesverfassungsgerichts.

Jetzt muss ich mich wohl doch eines Besseren belehren lassen. Es scheint Draghi nicht zu jucken, was ein regionales Verfassungsgericht in einem der Euro-Staaten beschließt. Er will sich tatsächlich darüber hinwegsetzen. Er will sich nicht von dem Grundsatz abbringen lassen, dass die Not jedes Gebot bricht. Nach der letzten Sitzung des EZB-Rates wurde verlautet, dass die EZB Anleihenkäufe von einer Billion Euro pro Jahr prüfe, um eine „gefährlich abflauende Inflationsrate“ zu bekämpfen. Dieser Testballon dient nur einem Zweck: Er soll die öffentliche Widerstandskraft gegen diesen Willkürakt testen. Es ist die Ouvertüre für das dann folgende Theaterstück.

Ich befürchte, dass im zweiten Halbjahr dieses Stück in drei Akten seine Fortsetzung findet:

1) Die EZB wird Anleihen aufkaufen. Wahrscheinlich wird die EZB es nicht spezifizieren. Je unklarer sie ihre Botschaft sendet, desto weniger kann dagegen vorgegangen werden. Zwei Bereiche sind für die EZB interessant. Sie will zum einen die Renditen der Staatsanleihen der Krisenstaaten niedrig halten und zum anderen die Kreditvergabe der Banken anregen. Dazu ist eine Bereinigung der Banken in den Krisenstaaten von ihren schlechten Kreditrisiken notwendig. Diese wird die EZB aufkaufen, neutralisieren oder ins Nichts verschwinden lassen.

2) Die EZB wird Banken Eigenkapital zuführen. Dazu wird der Bankenstresstest einen Kapitalbedarf feststellen, der wohl in der Höhe von den Eigentümern, den Gläubigern und den jeweiligen Staaten nicht aufgebracht werden soll. Daher wird der neugegründete Abwicklungsfonds, in den alle Banken in Europa (auch Sparkassen und Volksbanken) einzahlen sollen, herangezogen. Da dieser noch kein Geld eingesammelt hat, wird sicherlich ein Weg gefunden werden, der ihm entweder Kapital aus dem ESM zuschießt oder Geld der EZB zur Verfügung stellt. Für Letzteres gibt es bereits in Deutschland ein historisches Vorbild. Die Insolvenz der deutschen Tochter von Lehman Brothers führte zum größten Entschädigungsfall der Einlagensicherung des privaten Bankenverbandes, der sich dies mangels Masse von der Bundesbank leihen durfte.

3) Die EZB wird die Zinsen weiter senken und sogar einen negativen Strafzins für Banken-Einlagen bei der EZB verlangen. Das Ziel ist, die schleppende Kreditvergabe der Banken zu durchbrechen und die Banken im Zweifel zu nötigen, wenn sie keine Kredite vergeben.

Summa summarum wird die EZB auf allen Bühnen spielen was das Zeug hält. Denn, wenn die Konjunktur in den Südländern nicht anspringt, dann werden die Probleme der EZB immer größer. Sie hat das Japan-Szenario drohend vor Auge. Trotz dauerhaft niedriger Notenbankzinsen, trotz einer expansiven Geldpolitik dümpelt die japanische Konjunktur seit vielen Jahren vor sich hin. Dies wird man durch einen Befreiungsschlag zu durchbrechen versuchen.

Teil dieser Inszenierung ist auch das Umfeld. Schon im Vorfeld erhält Draghi Unterstützung von interessierter Seite. Banken assistieren in vorauseilendem Gehorsam, um Deflationsängste wirksam zu bekämpfen. Es ist erstaunlich, dass die größter Gegner der Marktwirtschaft in ihren eigenen Reihen sitzen. Denn, wer die Manipulation des Zinsen begrüßt, Fehlinvestitionen einiger von der Zentralbank ins Nichts befördern will und die Krise mit noch mehr Schulden und Kredit bekämpfen will, der macht die Arbeit der Gegner der Marktwirtschaft, er zerstört sie und hofft selbst kurzfristigen Profit daraus zu schlagen. Dies nicht aus eigener Leistung, sondern durch subtilen Diebstahl bei allen anderen.

Doch die Folge dieser Politik ist in Ansätzen heute schon absehbar. Nicht nur Piloten streiken und wollen höhere Lohnforderungen durchsetzen, auch der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst liegt in diesem Jahr bei über drei Prozent. Es beginnt eine Entwicklung, mit der die in den letzten Jahren erreichten Wettbewerbsvorteile durch eine expansive Tarifpolitik zunichte gemacht werden. Am Ende verlieren Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit. Arbeitslosigkeit und Inflation werden die Folge sein. Und es kommt noch ein Drittes dazu: die Stagnation. Das erinnert an Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der 1972 meinte, fünf Prozent Inflation seien besser als fünf  Prozent Arbeitslosigkeit. 1981, also fast zehn Jahre später, hatte Deutschland dann eine Inflation von 6,1 Prozent und die Arbeitslosenquote verfünffachte sich auf 5,5 Prozent. Fast gegen Ende seiner Regierungszeit hatte er dann beides. Für dieses Finale legt Mario Draghi jetzt wieder die Grundlage.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der regelmäßigen Kolumne von Frank Schäffler ‘Ich bin so frei’ in der Fuldaer Zeitung

 

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