Dollarfrei handeln: Russland kalkuliert den nächsten Schritt

Natalja Dembinskaja (sputniknews)

Den Kauf von US-Staatspapieren auf ein Minimum zurückgefahren, setzt Russland zum nächsten Manöver an: Die russische Führung hat sich zum Ziel genommen, den Öl-Handel von der Dollar-Fessel zu befreien.

Der Klub jener Länder, die auf den Dollar lieber heute als morgen verzichten würden, wird immer größer. Für den internationalen Handel sei die US-Währung viel zu gefährlich, sagte neulich der russische Finanzminister Anton Siluanow.

Gegenwärtig werden 70 Prozent aller internationalen Deals in Dollar und 20 Prozent in Euro abgerechnet. Die übrigen zehn Prozent der Transaktionen laufen hauptsächlich über den chinesischen Yuan.

Doch dass die Entdollarisierung der Weltwirtschaft – also die Entkopplung des Welthandels vom US-Dollar – in Gang gekommen und nicht mehr aufzuhalten ist, haben die Volkswirte der Weltbank im Juni schon konstatiert.Bereits im März dieses Jahres hat Peking die amerikanische Währung dort angegriffen, wo sie am empfindlichsten ist: Im Handel mit dem Erdöl. Als die US-Führung den chinesischen Kollegen einen Handelskrieg androhte, startete Peking den Handel mit Öl-Futures in Yuan.

Dieser Hieb hat sich als rechtzeitige Vorbeugemaßnahme erwiesen. Jedoch setzt die Volksrepublik zum nächsten Schlag an. Demnächst sollen nicht nur die Terminkontrakte in chinesischer Währung abgeschlossen, sondern tatsächliche Öllieferungen in Yuan bezahlt werden können.

Überhaupt hat die amerikanische Währung in den Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden großen Handelspartnern China und Russland immer weniger Platz. Seit 2014 gelten schon russisch-chinesische Abkommen über die Abrechnung des gemeinsamen Handels in Rubel.

Solcherart Zahlungen schließen Banken aus den USA, Großbritannien und der EU systematisch aus. Infolge dessen sinkt die Abhängigkeit des russischen und chinesischen Finanzsystems von den Drittstaaten.

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Als Reaktion auf weitere Sanktionen setzt auch Teheran den Dollar vor die Tür. Seit April dieses Jahres rechnet der Iran im Handel mit ausländischen Partnern ausschließlich in Euro ab.

Ungeachtet weiterer Strafmaßnahmen kauft die EU weiterhin iranisches Rohöl, nur dass es jetzt nicht mehr in Dollar bezahlt werden muss. Auch Indien zahlt für das Erdöl aus dem Iran in europäischer Währung – und bietet Teheran an, die Abrechnung auf die Rupie umzustellen.

Die Türkei zieht nach

Den Plan, den Dollar loszuwerden, hegt die Türkei schon seit langem. Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf das Vorhaben auch Taten folgen, so hoch wie nie. Die türkische Lira ist am 10. August in Relation zum Dollar auf den historischen Tiefststand abgerutscht.

18 Prozent ihres Werts hat die türkische Währung an einem Tag verloren. Der Grund dafür ist, wie so oft, eine Eskalation vonseiten der USA. Nämlich hat Washington die Einfuhrzölle auf türkisches Stahl und Aluminium verdoppelt.Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan, hat die Bereitschaft erklärt, den Handel mit den größten Partnern des Landes – China, Russland, Iran und die Ukraine – auf die Nationalwährung umzustellen. Und wenn die Länder Europas die Dollar-Fessel ebenfalls ablegen wollten, dann bitte sehr: Auch mit ihnen könne in den nationalen Währungen abgerechnet werden, so der türkische Staatschef.

Russland ist entschlossen

Russlands Energieminister, Alexander Nowak, erklärte, die russische Regierung würde die Möglichkeit prüfen, den Erdölhandel in nationalen Währungen abzurechnen. Nachdem der Rubel nach erneuten US-Sanktionen auf ein Zweijahrestief gesunken ist, bekräftigt auch das russische Finanzministerium die Absicht, den Dollar bei den Abrechnungen im Ölhandel abzudrängen.

Die Analysten pflichten bei: Eine Absage an den Dollar würde nicht nur im Erdölhandel, sondern bei allen Handelsgeschäften überhaupt Sinn machen. Und beginnen sollte man bei der Europäischen Union.

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Den Rubel würde es jedenfalls stärken, wenn die Handelspartner für die Bezahlung von russischem Öl in die russische Währung investieren müssen. Die größte Sorge seien allerdings die hohen Risiken des Rubels.

„Ein Übergang ist also möglich. Aber man wird den Handelspartnern Nachlässe oder ähnliches geben müssen, damit die Risiken gedeckt sind“, so der renommierte russische Wirtschaftsexperte Sergej Chestanow. Eine Abrechnung in Euro sei deshalb vorerst die realistischere Variante.

Dies könnte übrigens beim kommenden Putin-Merkel-Gipfel in Deutschland ein Thema sein, mutmaßt Dmitri Danilow vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Es wäre doch mal „eine Maßnahme, um die bilaterale Beziehung vor künftigen Einschränkungen aus Washington zu schützen“, sagt der Analyst.Im Handel mit China, der Türkei und dem Iran könnte Russland den Dollar heute schon als Geschäftswährung ausschließen. Den weltweiten Trend zur Entdollarisierung wird der Ausstieg der größten Ölexporteure aus dem Dollar jedenfalls nur beschleunigen.

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