Digital Harvest: BlackRock, Vanguard, State Street – Aktionäre im Verborgenen

Colin Todhunter (antikrieg)

Sie verkaufen kein Saatgut. Sie besitzen keine Traktoren. Sie betreiben keine Lagerhallen und transportieren kein Getreide. Doch BlackRock, Vanguard und State Street gehören zu den mächtigsten Akteuren der globalen Landwirtschaft.

Zusammen kontrollieren diese drei Vermögensverwalter Vermögenswerte im Wert von über 26 Billionen US-Dollar – mehr als das BIP der USA und Indiens zusammen. Sie sind Anteilseigner fast aller großen Agrarkonzerne: Bayer, Cargill, ADM, Nestlé, Deere & Co. und weitere. Sie konkurrieren nicht miteinander. Sie sind Miteigentümer. Und durch dieses Eigentum bestimmen sie.

Das ist kein Kapitalismus als Wettbewerb. Es ist Kapitalismus als stille Koordination.

Diese Unternehmen müssen die Politik nicht diktieren. Sie gestalten das Terrain, auf dem Politik gemacht wird. Ihr Einfluss ist strukturell, nicht spektakulär. Er wird durch Vorstandsetagen, Aktionärsbeschlüsse und Kapitalflüsse ausgeübt. Und er ist für die Öffentlichkeit weitgehend unsichtbar.

Doch seine Auswirkungen sind allgegenwärtig.

Laut dem Food Barons 2022-Bericht der ETC Group halten BlackRock, Vanguard und State Street dominante Anteile entlang der gesamten Agrar- und Lebensmittelkette – von Saatgut und Chemikalien bis hin zu Supermärkten und Logistikplattformen. In vielen Sektoren sind sie die drei größten Anteilseigner aller großen Unternehmen. Das bedeutet, dass der „Wettbewerb“ zwischen Unternehmen wie Bayer und Syngenta oder Nestlé und PepsiCo oft kaum mehr als eine bloße Performance ist. Die wahre Macht liegt hinter den Kulissen.

Diese Unternehmen betreiben kein Mikromanagement. Das müssen sie auch nicht. Ihre Stärke liegt in der Abstimmung – in der Gestaltung dessen, was als Wert, was als Risiko und was als akzeptables Verhalten gilt. Und dieses Verhalten wird zunehmend durch die ESG-Linse (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen) betrachtet.

Aber ESG ist kein moralischer Kompass. Es ist ein Risikorahmen.

In den letzten Jahren haben sich BlackRock und seine Konkurrenten als klimabewusste Investoren positioniert. Sie sprechen von „Netto-Null“, „Transitionsfinanzierung“ und „nachhaltiger Landwirtschaft“. Aber es geht nicht um die Dekarbonisierung des Lebensmittelsystems. Es geht um die Risikominimierung von Portfolios.

Dieselben Unternehmen, die in fossile Brennstoffe investieren, investieren auch in CO2-Kompensationsprogramme. Dieselben Unternehmen, die die industrielle Landwirtschaft unterstützen, finanzieren auch klimafreundliche Saatguttechnologien. Es ist eine Absicherungsstrategie, keine Transformation.

Und in Indien setzt sich diese Logik durch.

Vermögensverwalter unterstützen zunehmend Landpachtplattformen, Agrifintech-Startups und Emissionszertifikatsaggregatoren, die versprechen, den Wert landwirtschaftlicher Flächen zu heben. Doch diese Wertschöpfung bedeutet oft, Landwirte in neue Formen der Abhängigkeit zu zwingen – von Bewertungssystemen, digitaler Compliance und spekulativen Märkten, die sie nicht kontrollieren.

Das ist keine Investition. Es ist Gewinnmachen mit einem Nachhaltigkeitslabel.

Der gefährlichste Wandel in der Landwirtschaft ist heute nicht technologischer, sondern finanzieller Natur. Land ist nicht mehr nur ein Ort, um Nahrungsmittel anzubauen. Es ist eine Anlageklasse. Eine Absicherung gegen Inflation. Ein Ort für Datenerfassung und CO2-Spekulation.

In diesem Modell ist der Landwirt kein Produzent. Er ist Mieter in der Kalkulationstabelle eines anderen.

Und diese Kalkulationstabelle ist global.

BlackRock muss das Land nicht besitzen. Es muss lediglich das Unternehmen besitzen, dem das Unternehmen gehört, das das Land pachtet. Über mehrere Anlagevehikel wird Ackerland gebündelt, verbrieft und gehandelt – oft ohne das Wissen derer, die darauf leben.

Das ist Einhegung ohne Zäune. Governance ohne Regierung.

Vermögensverwalter präsentieren sich gerne als passive Investoren. Sie behaupten, sie würden nicht die Unternehmensstrategie bestimmen, sondern nur dem Markt folgen. Aber wenn man 5–10 Prozent aller großen Unternehmen einer Branche besitzt, ist man der Markt.

Und wenn man über Aktionärsbeschlüsse abstimmt, Vorstandsmitglieder ernennt und die Vergütung von Führungskräften festlegt, ist man nicht passiv.

2023 stimmten BlackRock und Vanguard gegen Resolutionen, die Agrarunternehmen verpflichtet hätten, ihre Auswirkungen auf Abholzung und Landrechte offenzulegen. Ihre Begründung? Die Vorschläge seien „zu präskriptiv“. Doch was sie wirklich schützten, war die Freiheit, unkontrolliert zu agieren.

Was BlackRock, Vanguard und State Street so gefährlich macht, ist nicht ihre Bösartigkeit. Es ist ihre strukturelle Natur. Sie brauchen keine Verschwörung. Ihre Anreize sind aufeinander abgestimmt. Ihre Instrumente sind abstrakt. Und ihre Macht beruht auf der Abwesenheit – von Regulierung, Transparenz und Rechenschaftspflicht.

Sie sind nicht die Bösewichte in dieser Geschichte. Sie sind die Architektur.

Und das macht es schwieriger, sie zu bekämpfen.

Bei der Ernährungssouveränität geht es nicht nur um Saatgut oder Boden. Es geht auch um Macht. Und Macht ist heute eine finanzielle Macht. Sie fließt durch Indizes, Benchmarks und Kapitalzuteilungen. Sie entscheidet darüber, welche Pflanzen angebaut werden, welche Unternehmen überleben und welche Termingeschäfte finanziert werden.

Und das, ohne jemals den Boden zu berühren.

erschienen am 24. Juni 2025 auf > offGuardian > Artikel

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